Die braunen Lehrer des Papstes

 

08.05.2009, Michael Meier

Aus dem Schweizer Tages-Anzeiger vom 7. Mai 2009

Benedikt XVI. reist nach Israel. Zuhause aber predigt er weiter die Bekehrung der Juden. Dahinter stehen vor allem auch Ratzingers antisemitische Förderer.

Alle sprechen von einer historischen Reise: Mit Benedikt XVI. wird ein deutscher Papst Israel besuchen und am Montag an der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem eine Vergebungsbitte sprechen. Auch wenn der Papst im Heiligen Land die Juden «unsere älteren Brüder» nennen wird, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ihnen nicht auf Augenhöhe begegnet. Der Grund liegt nicht so sehr in der Begnadigung des Holocaust-Leugners Richard Williamson. Schwerer wiegt, dass Benedikt mit der Zulassung der Lateinischen Messe am Karfreitag wieder für die Bekehrung der Juden zu Christus, dem «Retter aller Menschen», beten lässt. Damit ist just vor seiner Israel-Reise in Deutschland eine Debatte über die Judenmission entbrannt.

Ratzingers nazifreundliche Förderer

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken fürchtet, dass der Papst mit der Karfreitagsbitte die Judenmission wieder belebt, die einst so viel Schaden angerichtet hat. Gerade hat sich das Komitee mit der Broschüre «Dialog ohne Mission» klar von der Judenmission distanziert. Im Gegenzug hält die Deutsche Bischofskonferenz daran fest, dass die Kirche Christus bezeugen muss – auch gegenüber den Juden. Von Bischof Kurt Koch bis Philosoph Robert Spaemann, sie alle erläutern, Benedikt zu Hilfe eilend, den wahren Glauben der Kirche, wonach der Messias Christus in der Endzeit auch die Juden bekehren werde.

So reisst der deutsche Papst Gräben auf, die dank der Haltung «Dialog statt Mission» überwunden schienen. Indem Benedikt den Juden einen eigenen Heilsweg abspricht, bleibt er dem traditionellen Antijudaismus verhaftet. Ohne Antisemit zu sein. Doch als Deutscher, dem die Gnade der späten Geburt versagt blieb, ist seine Vita viel stärker vom Nationalsozialismus überschattet, als es öffentlich bekannt ist. Als nach der Papstwahl die englische Presse an die Mitgliedschaft des 17-jährigen Ratzingers in der Hitler-Jugend erinnerte, sprachen die deutschen Medien von schlechtem Stil. Für sie ist bis heute auch tabu, dass Ratzinger seine Karriere nazifreundlichen Förderern verdankt.

Bischof Graber, ein Antisemit

Allen voran dem Regensburger Bischof Rudolf Graber, dem einstigen Rechtsaussen der Deutschen Bischofskonferenz. Der glühende Marienverehrer und Antisemit hatte dem aufstrebenden Professor die Türen zum Hause Habsburg, aber auch zu Franz Josef Strauss aufgestossen. Als Joseph Ratzinger, traumatisiert von der 68er-Revolte, von der Universität Tübingen in den «unaufgeklärten Herrgottswinkel Regensburg» floh (Hans Küng), war es Graber, der für seinen Zögling den geplanten Judaistik-Lehrstuhl in einen Lehrstuhl für Dogmatik umwandeln liess.

Graber hatte 1933 geschrieben: «Die nationalsozialistische Bewegung hat einen unverkennbar messianischen Schwung, in der der Führer als Retter, Vater und irdischer Heiland erscheint.» Und: «Die germanische Rasse trat als gesunde, unverbrauchte Rasse ein in die Geschichte. Sie ist nicht angekränkelt von der sittlichen Fäulnis der ausgehenden Antike, sondern tritt froh und freudig mit ihren blauen Augen und blonden Haaren hinein in die Welt, die ihr gehört».

In Ratzingers Buch «Aus meinem Leben» kommt Rudolf Graber nicht vor. Bei anderen Mentoren verschweigt er deren Kollaboration mit den Nazis. Michael Schmaus, Ratzingers Münchner Professor und Zweitzensor seiner Habilitation von 1955, hatte nach Hitlers Machtergreifung mit einer Propagandaschrift für «Begegnungen zwischen katholischem Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung» geworben. 1951 war Schmaus Rektor der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität geworden.

Kardinal Faulhaber, ein Monarchist

Auch die höchste Autorität im Leben der Familie Ratzinger, Kardinal Michael Faulhaber, von 1917 bis 1952 Erzbischof von München, hatte sich nach der Machtergreifung mit den Nazis arrangiert. Er lehnte es ab, die Judenboykotte zu verurteilen, weil die Juden sich selber helfen könnten. Stattdessen sicherte der Monarchist Hitler 1936 zu, die Bischöfe würden ihn «in seinem weltgeschichtlichen Abwehrkampf gegen den Bolschewismus» unterstützen. Kaum jedoch war der Krieg zu Ende, liess Faulhaber per Hirtenbrief dekretieren, die deutschen Bischöfe hätten von Anfang an vor den Irrlehren und Irrwegen der Nazis gewarnt. Ein Jahr später beglückwünschte ihn Papst Pius XII. für seinen «ausdauernden Kampf gegen das Naziregime». Gut möglich, dass Ratzinger, der bei Kriegsende ins Priesterseminar von Faulhaber eingetreten war, den Kriegspapst seligsprechen will, weil dieser dem Idol seiner Jugend einen Persilschein ausstellte. Unbekümmert darum, dass sich die Freunde Faulhaber und Pius XII. nie zu einem lautstarken Protest gegen die Vernichtung der Juden durchringen konnten.

Der Grossonkel wird nicht erwähnt

In seinem Buch «Papst ohne Heiligenschein» macht ein deutsches Autorenkollektiv deutlich, wie Ratzinger die «Strategie des kollektiven Vergessens» mitträgt. In seiner Autobiografie schreibt er, wie sehr sein Vater, ein Gendarm, darunter litt, «einer Staatsgewalt dienen zu müssen, deren Träger er als Verbrecher ansah». Er verschweigt, dass sein Grossonkel Georg Ratzinger, der als erster Theologe der Familie bei dieser in höchster Ehre stand, in Bayern den Antisemitismus zum Programm erhoben hatte.

Die noch bis September laufende Ausstellung «Stadt ohne Juden» im Jüdischen Museum München widmet Georg Ratzinger eine ganze Station unter dem Titel «Katholischer Antisemitismus». Dort liegt sein Pamphlet «Jüdisches Erwerbsleben» von 1893 auf, in dem er die Juden, «die Wucherer», für sämtliche sozialen Missstände verantwortlich macht. Unter dem Pseudonym Dr. Robert Waldhausen forderte Georg Ratzinger, auch Abgeordneter im Bayerischen Landtag, eine Kennzeichnung der Juden und ihren Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben.

In dem um die Jahrhundertwende veröffentlichten Werk «Das Judentum in Bayern» verschärfte Ratzinger, damals die grosse bayrische Autorität der katholischen Soziallehre, seine antisemitische Polemik. «Zu dieser Zeit ist der Antisemitismus zu so etwas wie zu einem politischen Totalprogramm auf der katholischen Seite geworden», erklärt der Politikwissenschaftler Kurt Greussing. Ja er spricht von einem 11. Gebot: «Du sollst Antisemit sein».

(Tages-Anzeiger)