Eucharistie ist das Herz der Gemeinde

 

Den folgenden Artikel schrieb Hans Peter Hurka 2012 in Kirche In

Eucharistie ist nicht nur das Herz der konkreten Gemeinde am Ort. Die ganze Kirche lebt davon. Mitte, Quelle Höhepunkt nennt es das Zweite Vatikanische Konzil. Schon die frühen Gemeinden erkannten einander dadurch, dass sich die Menschen zu Jesus, dem von Gott Auferweckten bekannten und dass sie miteinander das „Brot brachen“ und „Herrenmahl“ feierten.

Es ist die Versammlung der Gemeinde, bei der sie Gott dankt und sich an das Leben, Leiden und Sterben Jesu erinnert und an seine Auferweckung. Sie feiert dabei die Überwindung der Grenzen des Todes und die Gegenwart Jesu. In seinem Leben erkennen sie als Individuum und als Gemeinschaft der Glaubenden die Botschaft Gottes, die für ihre konkrete Freude ebenso wie für ihr Leid Trost, Orientierung und Begleitung beinhaltet.

Eucharistie ist keine Feier von Einzelpersonen zufällig am selben Ort. Nein, Eucharistie ist die Versammlung der Gemeinde, die miteinander in lebendiger Erinnerung an Jesus, ihren Stifter, Mahl hält. Dort hat Persönliches, Vertrautes und Intimes genauso seinen Platz wie Politisches, um den Armen und Entrechteten zur Anerkennung ihrer Würde zu verhelfen.

Vorrangiges Ziel ist es nicht, eine „schöne“ Feier zu gestalten mit „würdiger“ Musik. Es geht um eine Feier aus vollem Herzen, bei dem das ganze Leben nah und fern ernst und freudig, mit Realismus und authentisch zum Ausdruck kommt. Natürlich auch schön und würdig. Eucharistie ist aber von allem Anfang an weit mehr als nur eine schöne liturgische Feier. Schon beim ersten Mal ging´s um Leben. Heute geht´s um die Überzeug der Feiernden, um martyria (Zeugnis) und um Praktisches wie diakonia und koinonia (Gemeinschaft). Diese Dimensionen sind konstitutiv für Gemeinde und Eucharistie. Sie braucht es zur Wandlung.

Von den früheren Massenveranstaltungen am Ort ist heute oft nur mehr eine kleine Gruppe übrig geblieben, die ihre „Sonntagspflicht“ erfüllt. Immer öfter ist zu hören, da lese ich lieber ein Buch, weil ich den Pfarrer ohnehin nicht verstehe. Übrig geblieben, im mehrfachen Sinn, ist auch die ritualisierte Form. Kannten die frühen Christen keine Ritualisierung so sind heute die meisten Gebete, jedenfalls das Hochgebet, die Körperhaltungen und Gesten der Priester aber auch Diakonen und Laien reglementiert und von Recht(s)-Gläubigen überwacht.

Den Menschen wird immer deutlicher bewusst, unser Glaube braucht die konkreten Beziehungen in Gemeinden, braucht die Konkretheit des Alltags, braucht die Vielfalt der Menschen und ihre Charismen, braucht die Vielfältigkeit der Formen. Diese Erkenntnis und die Reformunwilligkeit der Kirchenleitung lässt immer öfter Menschen in Hausgemeinden Eucharistie feiern.

Dort halten sie Mahl, teilen in Verbundenheit mit und im Gedächtnis an Jesus Brot und Wein miteinander. Dabei bitten sie die Geistkraft Ruach sie und die Gaben zu Zeichen seiner Gegenwart werden zu lassen. Ob es tatsächlich geschieht müssen sie, wie bei jeder anderen Eucharistiefeier auch, Gott überlassen.

„Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind?“, ruft Paulus den Korinthern zu. Trotz all der Unterschiedlichkeit sind Juden und Griechen, Sklaven und Freie mit dem einen Geist in der Taufe getränkt. Jeder und Jedem sind bestimmte Aufgaben übertragen. „Gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich“, sagt Paulus. Und weiter, „Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringsten Glied mehr Ehre zukommen ließ, damit im Leib kein Zwiespalt entstehe“. Und er schließt die Rede ab: „Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm.“

Gerade auf diesem Hintergrund macht es Sinn, die priesterlichen Dienste in der Eucharistie als Zeichen der Verbundenheit mit der Gesamtkirche zu verstehen und wahrzunehmen. Natürlich braucht das Erfahrungen, welche die Verbundenheit und das wechselseitige Vertrauen zwischen Gesamt- und Teilkirche auch im Alltag spüren lassen. Um so eher müsste der Vorgang zur Beauftragung mit priesterlichen Diensten in der Gemeinde ein zweiseitiger sein.

Immer öfter aber fehlen Amts-Priester. Die Kirchenleitung verknappt die Zahl künstlich. Sie hält an den überholten Zugangsvoraussetzungen fest: männlich, unverheiratet und davor ein Zölibatsversprechen. Deswegen wird die Sorge immer größer, dass viele Gemeinden nicht mehr Eucharistie als „Quelle und Höhepunkt“ kirchlichen Lebens feiern können.

Jede Gemeinde braucht priesterliche Menschen und sie hat sie auch. Ohne sie würde jede Gemeinde zerfallen. Es sind solche, die ähnlich wie Jesus mit den Menschen leben. Ihre Lebenserfahrungen haben sie zu tiefen Beziehungen zu Gott und den Menschen geführt. Sie stellen das, was sie haben, können und sind, auch anderen zur Verfügung. Ihr Lebensstil hat sich bewährt, sie können andere im Leben begleiten, auch auf Begegnungen mit Gott vorbereiten. Friedfertigkeit, Langmut, Klugheit oder Barmherzigkeit sowie die Haltung des Dienens zeichnen sie aus.

Das können Frauen und Männer sein, verheiratet oder nicht, homo- oder heterosexuell orientiert. Es ist eine Frage der Bildung, der Herzensbildung, nicht des Geschlechts oder der Nationalität. „Wir sind Kirche“ schlägt daher vor, geeignete priesterliche Menschen den Bischöfen zur Priester(innen)weihe vorzuschlagen.

Wie sagten die Niederländischen Dominikaner: „Auf Grund der vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausdrücklich festgestellten Vorrangs¬position des „Volkes Gottes” vor der Hierarchie ist von den Diözesanbischöfen zu erwarten, dass sie in gutem Einvernehmen diese Wahl durch ihre Handauflegung bestätigen. Sollte ein Bischof diese Weihe oder Ordination mit Argumenten verweigern, die mit dem Wesen der Eucharistie nichts zu tun haben, dann dürfen die Pfarreien darauf vertrauen, dass sie dennoch echt und wahrhaftig Eucharistie feiern, wenn sie unter Gebet Brot und Wein teilen.“

Auch wenn das Fehlen eines Amts-Priesters ein Mangel ist, so ist dieser doch nicht geeignet, Eucharistie als Herz der Gemeinde zu verhindern. Dies zeigt die Praxis an vielen Orten in Österreich und auf der ganzen Welt. Wie sagt Ezechiel macht- und hoffnungsvoll: „Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz aus Fleisch, damit sie nach meinen Gesetzen leben und … sie erfüllen.“ Diesen Weg der Reformen geht dialogbereit „Wir sind Kirche“ weiter.

Hans Peter Hurka