Wir sind Kirche zum Bericht des UN-Kinderrechtsausschusses in Genf

02.02.2014, Hans Peter Hurka

Nach Ansicht von "Wir sind Kirche" sind die sexualisierte Gewalt durch Kleriker genauso wie deren jahrzehntelange Vertuschung durch die Kirchenoberen schmerzende Wunden und ein Skandal. Dafür muss die Kirche als Organisation Verantwortung übernehmen. Teilweise ist dies zwar schon geschehen. In Österreich hat die Opferschutzanwaltschaft, besser bekannt unter Klasnic-Kommission, in Zusammenarbeit mit PsychologInnen und der Stiftung Opferschutz wertvolle Dienste geleistet. Zusätzlich wurde mit Präventionsmaßnahmen begonnen.

Der Vorwurf des UN-Ausschusses, dass bisher nicht alles getan worden ist, was hätte getan werden können und müssen, ist sicher zutreffend. "Wir sind Kirche" unterstützt daher die Forderung, dass überführte Täter nicht mehr ihr Priesteramt ausüben dürfen, weder in anderen Pfarren noch in Alten- oder Pflegeheimen und auch nicht in Gefängnissen. Allerdings ist es auch nicht mit der Entlassung pädophiler Priester aus der Kirche bzw. aus den Orden getan. Denn diese Täter sind selber oft auch Opfer gewesen.

Die Kirche hat daher sowohl die Pflicht alles zu tun, damit dem Leid der Opfer wirkungsvoll begegnet werden kann aber auch die Pflicht, Täter nicht alleine zu lassen. In diesem Zusammenhang ist daher die Kirche aufgerufen die Forschung, wie Opfern wirkungsvoll geholfen werden kann und wie Täter zu Tätern wurden, wirkungsvoll, zumindest finanziell, zu unterstützen. Das erfordert die Fürsorgepflicht für diese Menschen und muss eine wirkungsvolle Prävention begleiten.

Der Vatikan sollte deshalb mit dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes konstruktiv zusammenarbeiten. Die UN sollte allerdings auch die Bemühungen der römisch-katholischen Kirche in den letzten Jahren um Aufarbeitung und Prävention anerkennen, wie sie sonst wohl keine Religionsgemeinschaft und andere Einrichtungen oder Weltorganisation getätigt hat und wie sie auch Vorbildfunktion für andere Organisationen und die Zivilgesellschaften haben könnte.

Allerdings hat sich auch gezeigt, dass die Kirchenleitung von sich aus nicht in der Lage und auch nicht bereit gewesen ist, das Grundproblem sexualisierter Gewalt in der eigenen Kirche anzugehen und aufzuarbeiten. Hier hat es kritischer Initiativen von außen und von innen – wie z.B. auch des Kirchenvolks-Begehrens 1995 nach den Vorwürfen gegenüber dem damaligen Wiener Kardinal Hans Hermann Groër – sowie Veröffentlichungen in den Medien bedurft.

Unabdinglich ist, dass die katholische Kirche mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten muss und diese kriminellen Taten nicht im eigenen Rechtssystem regeln darf. Eine solche Vorgangsweise steht der gebotenen Transparenz entgegen. Zu oft hat sich gezeigt, dass dies immer nur sehr unzureichend geschehen ist und die Täter weit mehr geschützt wurden als die Opfer. Die Kirchenleitung sollte zumindest als ersten Schritt erklären, dass alle bekanntwerdenden Fälle im Einvernehmen mit den Opfern den Strafbehörden angezeigt werden.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, die tieferen Ursachen der sexualisierten Gewalt und die Prozesse der Vertuschung aufzudecken, die wesentlich auch durch das klerikale Autoritätssystem der römisch-katholischen Kirche bedingt sind. In diesem Zusammenhang ist es nicht verständlich, dass bisher die Kirchenleitung weder die Zahl der Täter bekanntgegeben hat noch eine Forschung initiiert hat, welche die Täterbiographien tiefgehender erforscht und wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen definiert.

Die für Herbst 2014 von Papst Franziskus einberufene Familien-Synode in Rom muss als Chance genutzt werden, die Kluft zwischen katholischer Morallehre und Lebenswirklichkeit der Gläubigen, aber auch die Kluft zwischen Anspruch und Realität des Lebenswandels der Kleriker offen zu thematisieren und die kirchliche Lehre sowohl mit dem Evangelium als auch mit den heutigen Menschenrechtskonventionen in Einklang zu bringen.

Für den Vorstand der Plattform "Wir sind Kirche": Hans Peter Hurka