125 kirchliche Angestellte outen sich als „queere“ Menschen; Diskussion über Homosexualität

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße äußert sich anerkennend über das Coming-out von 125 queerer Menschen im Rahmen der Initiative „#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst“: „Ich habe Respekt vor den Menschen, die sich in dieser Aktion zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen“, sagte er. „Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein.“ Vor Authentizität und Transparenz dürfe es keine Furcht geben. Viele von ihnen sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, „dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität“ nicht zur Kündigung führe. Heße bot den UnterzeichnerInnen ein Gespräch an. Er verwies auf den Reformprozess „Synodaler Weg“. Die dortige Diskussion über Sexualität sollte „zu einer Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral und auch des kirchlichen Arbeitsrechts führen“, forderte der Erzbischof. (kna u. vn v. 24. 1.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat das Coming-out von 125 queeren Beschäftigten begrüßt. „Ich möchte das im Namen der Deutschen Bischofskonferenz begrüßen als ein Zeichen dafür, dass wir daran arbeiten, dass ein solches Klima der Angstfreiheit in unserer Kirche herrschen muss und entstehen muss", sagte der Aachener Bischof Helmut Dieser am Rande von Beratungen des Ständigen Rates der Bischofskonferenz in Würzburg. Niemand dürfe wegen seiner sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität diskriminiert, abgewertet oder kriminalisiert werden. Beides sei Teil der individuellen Persönlichkeit. „Wir haben ein Menschenbild, das uns sagt, dass die Person unbedingt von Gott geliebt ist." Die Initiative „#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst"“ fordert unter anderem eine Änderung des römisch-katholischen Arbeitsrechts, so dass etwa Beschäftigte, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, nicht mehr um ihren Job fürchten müssen. „Homosexuelle wurden auch durch die Kirche abgewertet und kriminalisiert. Hier ist auch ein Schuldbekenntnis fällig", sagte er der „Kölnischen Rundschau". „Nun sagen wir: Die sexuelle Orientierung ist eine Gabe Gottes. Sie ist nicht zu hinterfragen, sondern sie muss in die Nachfolge Gottes geführt werden." Bislang betrachte er die Segnung homosexueller Partnerschaften als Gewissensfrage der einzelnen Seelsorger. „Ich möchte aber weiterkommen und eine Grundlage haben, auf der ich das in unserem Bistum für möglich erklären kann." Ein Beschluss des Reformprozesses Synodaler Weg mit Zwei-Drittel-Mehrheit könnte dies ermöglichen, auch wenn dies dann in Rom vorlegt werden müsse. Umgekehrt könne Rom „nicht so tun, als sei ein solcher Beschluss nichts". Er hoffe zudem, dass die deutschen KatholikInnen entsprechende Beschlüsse in den weltweiten synodalen Prozess einbringen können, den Papst Franziskus ausgerufen hat. Die Kirche müsse lernen, „dass das bischöfliche Amt nicht vor Fehleinschätzungen und vor irrtümlichem Handeln gefeit ist". Dies zu bekennen, sei keine Schande. „Jeder, auch ein ehemaliger Papst, wird an einen Punkt kommen, an dem er sagen muss: Ich habe heute eine andere Sicht als damals und bedaure, dass ich damals so gehandelt habe und nicht anders." (dpa u. kna v. 24. 1.)

Für den Essener Generalvikar Klaus Pfeffer ist die römisch-katholische Sexualmoral nicht mehr zeitgemäß und braucht sie eine deutliche Veränderung. Denn der Umgang mit homosexuellen und transgender Menschen stehe im Widerspruch zum Evangelium. Hier ein Auszug des Interviews mit domradio.de: Über Kündigungen queerer Angestellter: „Das tun wir schon seit Jahren nicht, weil wir längst erkannt haben, dass diese Art und Weise, mit Menschen umzugehen, im Widerspruch zum Evangelium steht. […] Dass wir - glaube ich - nicht erkennen, dass wir in der Sexualmoral, die Menschen dazu zwingt, sich zu verbergen, nicht so sein zu dürfen, wie sie sind, eine deutliche Veränderung brauchen. […] Und ich durfte lernen, auch durch die persönliche Auseinandersetzung mit diesen Themen, dass das [= Homosexualität] ein Teil ist, der zum Menschsein dazugehört. Sie suchen sich das nicht aus. Und das stellt die kirchliche Lehre radikal in Frage. Das wird intensiv in der Kirche diskutiert. Ich glaube, das müssen wir überwinden um der Menschen willen, weil es unmenschlich ist, wie wir mit diesen Menschen umgegangen sind. […] Die kirchliche Lehre ist zum einen seit vielen Jahren im Fluss, in der Diskussion. Die kirchliche Lehre, auch in vielen anderen Fragen, hat sich über Jahrhunderte stets entwickelt. Sie ist nicht fest zementiert und fest gemauert. Vor allem dann, wenn wir Erkenntnisgewinne aus den Humanwissenschaften haben. Das gilt nun einmal auch für die sexuelle Orientierung. Auch die sexuellen Orientierungen, um die es hier geht, sind Teil der Schöpfung Gottes. Die Menschen, so wie sie sind, sind so von Gott geschaffen und geworden. […] Ich kann verstehen, dass sich Katholiken schwer tun mit diesem Wandel, der sich da vollzieht. Ich habe den selbst auch durchlaufen, wie ich vorhin angedeutet habe. Aber die Begegnung mit den Menschen, die unterschiedliche sexuelle Orientierungen haben, die hat mich sehr berührt und überzeugt. Und das würde ich allen empfehlen die sich schwertun. Innerhalb der katholischen Kirche mit diesem Haltungs- und Einstellungswechsel sich mal wirklich den Menschen zuzuwenden, ihnen zuzuhören, ihre Lebens- und Leidensgeschichten zu hören und zu verstehen - bis in Familien hinein. […] Ich finde, wir dürfen es in der katholischen Kirche nicht länger zulassen, dass wir Menschen dazu zwingen, sich selbst zu verbergen, sich selbst nicht geben zu können, wie sie sind…“ (www.domradio.de v. 25. 1.)

In einer homosexuellen Partnerschaft lebende Mitarbeitende des Bistums müssten keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten, gab der Würzburger Generalvikar Jürgen Vorndran bekannt. Es würden „keinerlei Maßnahmen aufgrund der Grundordnung in diesem Feld getroffen", erklärte er in einer auf Facebook veröffentlichten Stellungnahme. Der Generalvikar verwies zugleich auf den Synodalen Weg: „Der Umgang mit dem Thema Homosexualität ist beim Synodalen Weg angezeigt. Wir hoffen und setzen uns dafür ein, dass das Dienstrecht zum Umgang mit queeren Personen und homosexuellen Partnerschaften sehr bald eine entsprechende Änderung erfährt. Alle Beschäftigten sollen Kirche ohne Angst erleben", betonte Vorndran. (bistum würzburg u. vn v. 26. 1.)

Papst Franziskus hat Eltern von homosexuellen Menschen aufgerufen, ihre Kinder nicht zu verurteilen. Eltern, die bei ihren Kindern „unterschiedliche sexuelle Orientierungen feststellen“, sollten keine „verurteilende Haltung“ einnehmen, sagte er während einer Generalaudienz. Er denke dabei auch an Eltern, deren Kinder schwer oder unheilbar krank seien. (religion.orf.at v. 26. 1.)

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx (68) sieht in der sexuellen Neigung eines Menschen keine Einschränkung für das Priesteramt. „Nicht jeder ist gezwungen, seine eigene sexuelle Neigung zu nennen, ob er heterosexuell oder homosexuell ist", sagte der Erzbischof von München/Freising. „Aber wenn er es tut, dann ist das zu respektieren und dann ist das keine Einschränkung seiner Möglichkeit, etwa ein Priester zu werden". Bislang hätten manche Bischöfe gesagt, Homosexuelle könnten nicht zum Priester geweiht werden. „Das finde ich nicht", stellte Marx fest. (www.sueddeutsche.de v. 27. 1.)

Für die Grazer systematische Theologin Gunda Werner negiert die Theologische Anthropologie des Vatikan, dass es „viele Formen von Geschlechtern und auch des Begehrens" gibt. Es gibt in Gottes Schöpfung mehr als nur „Mann" und „Frau", die aufeinander zugeordnet sind und das sei „korrekturbedürftig". Ein auf nur zwei Geschlechter reduziertes, binäres Menschenbild in der Humanwissenschaft ist längst überwunden und sollte es auch in der römisch-katholischen Kirche sein. Sie ist Mitherausgeberin des Herder-Buches „Out in Church. Für eine Kirche ohne Angst", das eine jüngst in Deutschland gestartete gleichnamige Initiative begleitet. 125 Mitarbeitende der römisch-katholischen Kirche in Deutschland outeten sich als „queer", obwohl sie damit in Konflikt mit dem kirchlichen Arbeitsrecht kommen. Als feministische Theologin habe sie dieses Thema schon lange im Blick, sagte sie. Für sie sei es eine Frage der Gerechtigkeit, gegen Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung einzutreten und erinnerte auch an die sichtbare Präsenz queerer Menschen im deutschen Reformprozess „Synodaler Weg". Auch Bischöfe würden mittlerweile anerkennen, dass das kirchliche Arbeitsrecht geändert werden muss. Allerdings ist dieser Lernprozess „ambivalent": Es gebe jetzt verständnisvolle, änderungsbereite bischöfliche Zusagen die vor zehn, 15 Jahren noch undenkbar gewesen wären, dass geoutete Queers ihre Arbeitsstelle nicht verlieren würden. Im deutschen Synodalen Weg seien Geoutete am Tisch gesessen, „das verändert eine Debatte". Werner hofft, dass auch bei der Welt-Bischofssynode, die 2023 den laufenden synodalen Prozess der Weltkirche abschließen wird, nicht nur Lehramtsträger, sondern auch Laien und Laiinnen und Queers eingebunden sind. In der wissenschaftlichen Theologie würden die vermeintlichen biblischen Vorgaben (Gott schuf nach seinem Abbild den Menschen als Mann und Frau) zunehmend breiter verstanden und argumentative Engführungen hinterfragt. Ein Beispiel dafür gab die Grazer Bibelwissenschaftlerin Irmtraud Fischer mit ihren Erkenntnissen zum Schöpfungsbericht aus dem Buch Genesis, Vers Gen 1,27 (... als Mann und Frau schuf Er sie...) sei „ebenso polar formuliert" wie viele andere Schöpfungswerke, erklärte die Alttestamentlerin. Damit könne man in diesem Text nicht von einer „Normativität der Heterosexualität" sprechen. Vielmehr seien diese polaren Aussagen so auszulegen, „dass selbstverständlich alles zwischen den Polen ebenso erschaffen wurde, in diesem Fall sämtliche geschlechtlichen Formen und sexuelle Orientierungen". „Männlich" und „weiblich" bilden laut Fischer nur die „äußeren Pole“ der Schöpfung des Menschen. (kap v. 27. 1.)

Seit 20 Jahren feiern queere Menschen und ihre Freunde einmal im Monat in München Gottesdienst. Zum Jubiläum am 13. März hat sich nun Kardinal Reinhard Marx angesagt. Queer ist ein Oberbegriff für Menschen, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht heterosexuellen Vorstellungen entspricht. Am 24. Januar hatten sich 125 römisch-katholische Menschen - darunter viele Kirchenmitarbeitende - öffentlich als queer geoutet. Mehrere Bischöfe und Generalvikare hatten daraufhin betont, das Arbeitsrecht müsse bei der „Bewertung der verschiedenen Lebensformen“ weiterentwickelt werden. (kap u. kna v. 29. 1.)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, hat das Outing zahlreicher queerer Mitarbeitender in der römisch-katholischen Kirche begrüßt. Er sei sehr froh darüber, sagte der Limburger Bischof in der ARD-Talkshow „Anne Will“ mit Blick auf die Initiative „#OutInChurch“. „Wir haben Menschen zutiefst verletzt und tun das bis heute.“ Manche Bischöfe und Generalvikare deutscher Diözesen hätten zwar zugesichert, dass queere kirchliche Mitarbeiter in ihrem Bereich nicht mit Kündigung rechnen müssten. (kna u. vn v. 31. 1.)