Innerkirchliche Reformansätze: (Frauen, Zölibat, wiederverheiratet Geschiedene, Moral…)

Der für Liturgie zuständige US-Erzbischof Wilton Gregory hat sich dafür ausgesprochen, die in den Vereinigten Staaten gültige Übersetzung des Messbuchs zu überarbeiten. Einige „problematische Stellen“ bräuchten eine Revision, da sie nicht dazu imstande waren, „die ganze Kirche hinter sich zu versammeln“, sagte der Erzbischof im Gespräch mit der Jesuitenzeitschrift „America“. Die heute gültige Übersetzung ist in den Gottesdiensten der US-Diözesen seit 2011 in Gebrauch. Sie wurde von allen Gläubigen nicht gut angenommen, Kritiker bescheinigten den Texten sprachliche Mängel, die aus dem Bestreben entstanden, möglichst nahe an der lateinischen Vorlage ins Englische zu übersetzen. Bei einer Überarbeitung wäre eine Beratung mit Priestern und Laien „hilfreich“, sagte Erzbischof Gregory. Vergangenen Herbst hatte Papst Franziskus die Verantwortung für die Übersetzung von liturgischen Texten vom Vatikan ausgelagert und den Bischofskonferenzen übertragen. (vn v. 3. 5.)

Das Prinzip der Synodalität, also die Verantwortung und Eigenständigkeit der einzelnen Bischofskonferenzen in den Ländern der Welt, ist das Thema eines neuen Dokumentes, das von der Internationalen Theologenkommission des Papstes veröffentlicht wurde. Über drei Jahre wurde an den Grundlinien des Dokumentes gearbeitet, das den Titel „Die Synodalität im Leben und in der Mission der Kirche“ trägt und am vergangenen 3. Mai nach der Autorisierung des Papstes durch die Kommission veröffentlicht wurde. Als „konstituierende Dimension der Kirche“, so heißt es in dem Dokument, sei die Synodalität ein Weg, der „ständig erneuert und belebt“ werden müsse und der „das gesamte Gottesvolk“ einbeziehe. Neben einer gründlichen Analyse der theologischen Bedeutung von „Synodalität“ insbesondere im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils wird betont, dass „eine synodale Kirche eine partizipative und gemeinverantwortliche Kirche“ sei. (vn v. 6. 5.)

Der belgische Kardinal Jozef De Kesel denkt über mögliche Gottesdienstformen für homosexuelle Paare nach. Zwar könne es keinen kirchlichen Segen und Treuebekenntnisse vor dem Altar geben, die zu sehr an eine kirchliche Eheschließung erinnern würden, sagte der Erzbischof von Mecheln-Brüssel laut flämischen Presseberichten am 5. Mai. Denkbar seien aber Dank- oder Gebetsfeiern homosexueller Paare. Im Mai 2016 sprach sich De Kesel in einem Interview für die Möglichkeit einer Priesterweihe von verheirateten Männern aus. Er sei nicht für die Abschaffung des Zölibats an sich, aber für verheiratete Männer als Priester. De Kesel erinnerte an die unierten katholischen Kirchen des Ostens, wo verheiratete Männer Priester werden könnten. (kap u. vn v. 5. 5.; JA v. 20. 5.)

Angesichts der „eucharistischen Austrocknung der Kirche“ sollten nach Ansicht des Chefredakteurs der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ und früheren Provinzials der deutschen Jesuiten-Provinz, Stefan Kiechle, die Zulassungsbedingungen beim Priesteramt überdacht werden – und das nicht nur hinsichtlich bewährter verheirateter Männer („viri probati“), sondern auch hinsichtlich der Weihe von Frauen. In einem Blog-Eintrag auf der Website der österreichischen Jesuiten beklagte er, dass durch den anhaltenden Priestermangel vielerorts die regelmäßige Eucharistiefeier in Gefahr gerate. Dies müsse schwerer wiegen, als an einem überkommenen Kirchenbild festzuhalten. Er plädierte für ortskirchlich unterschiedliche Lösungen im Sinn von katholischer Vielfalt: „Die Bischöfe sind hier am Zug.“ Mit der Eucharistie seien „Quelle und Höhepunkt kirchlichen Lebens“ und damit die „sakramentale Grundstruktur der Kirche“ gefährdet, erinnerte Kiechle an das Zweite Vatikanische Konzil. Wortgottesfeiern als Alternative würden von vielen Katholiken nicht angenommen, sie blieben weg. „Ist bewusst, dass uralte Theologien und ebenso das Vatikanum II mit ihrem Sinn für die Unverzichtbarkeit der Eucharistie konterkariert werden? Wo bleibt der Aufschrei, besonders jener der Traditionshüter?“, so die kritische Anfrage des Jesuiten. Über das Frauenpriestertum sei seit Papst Johannes Paul II. ein „Nachdenk- und Redeverbot verhängt“, erinnerte Kiechle, „doch kann man dieses in krisenhaften und zugleich aufgeklärten Zeiten ernsthaft durchsetzen oder auch nur durchsetzen wollen?“ Die feministische Theologie und die Frauenbewegung hätten zudem neue Erkenntnisse eingebracht, „hinter die es kein Zurück mehr gibt“. In den Leitungsetagen der Kirche fürchte man eine traditionalistische Abspaltung – „aber das gab es in der Geschichte öfters, und wäre diese wirklich so gravierend?“ Kiechle wörtlich: „Ist die eucharistische Austrocknung der Kirche nicht ein größerer und schwerer zu verantwortender Schaden als das Schisma einiger Gralshüter eines sehr alten Kirchenbildes?“ Im Zuge der von Papst Franziskus angeregten Dezentralisierung könnten Änderungen beim Priesteramt „abgestimmt, aber eigenverantwortlich“ zu unterschiedlichen Lösungen führen. Manche Ortskirchen könnten „einige Schritte vorangehen“, immerhin bedeute „katholisch“ immer auch strukturelle Vielfalt, Integration von Kulturen, geistliche Kreativität, elegante und den lokalen Bedürfnissen angepasste Lösungen. (kap u. vn v. 4. 5.; JA v. 20. 5.)

Die deutsche Ordensfrau Anna Mirijam Kaschner ist Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz. Im Interview mit „Vatican News“ spricht sie Klartext: „Gerade auf Bischofskonferenzen erlebe ich es öfter, dass ein Bischof sagt: Schwester Anna Mirijam, was müssen wir jetzt machen? Es ist ein bisschen eine Sonderposition. Weltweit gibt es nur drei Frauen auf diesem Posten. Südafrika, Holland, und eben ich für Skandinavien.“ Die Ordensschwester aus Werl in Ostwestfalen ist von ihrer Gemeinschaft vor gut zehn Jahren nach Skandinavien geschickt worden. Damals für die Gemeindearbeit, schließlich wurde sie Generalsekretärin, also Verwaltungschefin. Zur Nordischen Bischofskonferenz zählen die skandinavischen Länder Dänemark (mit Grönland), Schweden und Norwegen, aber auch Finnland und Island. Insgesamt gibt es nur sieben Pfarren. Die Menschen, die im Norden katholisch sind, sind es dann umso intensiver. Im Dom zu Oslo finden sonntags zwischen 8 und 18 Uhr im Stundentakt zehn Messen statt. Und selbst die reichen nicht wirklich aus. „Die Kirche ist proppevoll, die Menschen feiern auf den Stufen der Kirche noch den Gottesdienst mit. Die Menschen knien vor der Kirche, das sind beeindruckende Bilder.“ Die Deutschen könnten sich durchaus das eine oder andere abgucken von den Skandinaviern. „Vor allem die große Gelassenheit. Wir können Kirche sein, auch ohne die ganzen Institutionen, ohne die Finanzen, Schulen, Krankenhäuser und ich weiß nicht was. Andererseits haben bei uns auch die Laien eine tragende Funktion.“ Aber ist eine Frau an der Spitze der Kirchenverwaltung auch in Deutschland denkbar? „Diese Aufgabe ist nicht an das Weiheamt gebunden. Ich denke, das wird sich in Zukunft auch öffnen.“ (vn v. 4. 5.)

Angesichts dramatischen Priestermangels ruft ein Bischof aus dem Amazonasgebiet zur Suche nach „Alternativen" auf. Viele Gemeinden in der schwer zugänglichen Region sähen nur einmal im Jahr, maximal zwei- oder dreimal einen Geistlichen für eine Messfeier, sagte Bischof Jose Ionilton Lisboa de Oliveira, Leiter der Territorialprälatur Itacoatiara im Norden Brasiliens, dem vatikanischen Pressedienst Fides am 6. Mai. Die Menschen brauchten eine „solidarische Präsenz" der Kirche. Das Problem katholischer Gemeinden ohne geistliche Führung betreffe auch andere Regionen Brasiliens und der Welt. Alle Gemeinden brauchten Zugang zur Eucharistiefeier „auf die gleiche Weise, wie sie heute schon Zugang zu Wort-Gottes-Feiern haben", so der Bischof. Er äußerte sich mit Blick auf die Amazonien-Synode, die Papst Franziskus für Oktober 2019 in den Vatikan einberufen hat. Der kirchliche Verwaltungsbezirk Itacoatiara im Norden Brasiliens umfasst 58.000 Quadratkilometer, also fast die Fläche Bayerns. (domradio.de u. kna v. 6. 5.)

Papst Franziskus vertraut der deutschen Bischofskonferenz, die Differenzen über die Interkommunion konfessionsverbindender Ehepaare selbst in „Einmütigkeit“ zu lösen. Es war ein denkwürdiges Treffen, zu dem am 4. Mai sechs Bischöfe aus Deutschland, der Sekretär der Bischofskonferenz und vier hochrangige Vertreter der vatikanischen Kurie in Rom zusammenkamen. In der Sache waren die Fronten seit langem klar. Auf der einen Seite war da der Wortführer der Mehrheit, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Die Minderheit wurde angeführt vom Kardinal Rainer Maria Woelki, dem Erzbischof von Köln. Nach dreieinhalbstündiger Debatte verwies die Römische Glaubenskongregation den Konflikt an die deutschen Bischöfe zurück. Papst Franziskus ersuche sie, „im Geist kirchlicher Gemeinschaft eine möglichst einmütige Regelung zu finden“, teilte der Vatikan mit. (KircheIn 06/2018; Die Furche v. 9. 5.; JA v. 13. 5.)

Im Hinblick auf Frauen in Führungspositionen sagte Bischof Ulrich Neymeyr auf dem Katholikentag in Münster, es gebe in der römisch-katholischen Kirche noch viel Luft nach oben. Hoffnung machten ihm aber die vielen Frauen, die sich in der Kirche engagierten. Bei Jesus Christus sei es wichtig gewesen, dass er und seine Apostel Juden waren. Dennoch seien heutige Priester und Bischöfe eben keine Juden mehr; das zeige doch, dass Entwicklungssprünge in der Kirche möglich seien. (kna u. vn v. 12. 5.)

Den Blick des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer auf den Katholikentag hält der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Stefan Vesper, für falsch: Alle Christen bildeten das Volk Gottes, und deshalb spreche der Katholikentag auch alle und alles an. Voderholzer hatte zu Beginn des Treffens geäußert, man solle sich mit Forderungen zu Glaubensfragen zurückhalten, und nicht „die altbekannten kirchenpolitischen Forderungen in die Öffentlichkeit tragen“. Es betonte auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dass sich der Katholikentag selbstverständlich auch mit strittigen Fragen befassen müsse, etwa mit der Frage über den Kommunionempfang. (kna u. vn v. 12. 5.)

Es sind ungewöhnliche Worte für ein Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche: „Gott hat dich so geschaffen. Gott liebt dich so wie du bist. Der Papst liebt dich so wie du bist und du solltest dich selbst lieben und dir keine Gedanken darüber machen, was andere sagen." Das soll Papst Franziskus dem Chilenen Juan Carlos Cruz in Bezug auf seine homosexuelle Orientierung gesagt haben, berichtet CNN. Cruz ist schwul und war im April im Vatikan zu Gast. Er war in seiner Kindheit von einem Priester in Chile missbraucht worden. Die toleranten Worte Franziskus zu Cruz' Homosexualität wären eine Abkehr von der bisherigen Position der Kirche. Cruz gab selbst an, der Papst habe gesagt, Gott hätte ihn schwul gemacht und seine Sexualität würde keine Rolle spielen. Der US-Kardinal Timothy Dolan hat diese dem Papst zugeschriebene Aussagen zum Thema Homosexualität gelobt. „Was der Papst sagte, ist wunderbar, finden Sie nicht? […] Das hätte Jesus gesagt, und das würde ich auch sagen. Das ist konservative, traditionelle, katholische und rechtgläubige Lehre“, sagte der Erzbischof von New York laut US-Medienberichten in seiner wöchentlichen Radiosendung. (www.kleinezeitung.at v. 21. 5.; JA v3. 6.)

Der Churer Bischof Vitus Huonder hat einen Priester wegen eines mutmaßlichen Sexualdeliktes angezeigt. Der als Pfarradministrator in Tujetsch im Bündner Oberland tätige Priester wurde verhaftet. Weitere Angaben wollte Bistumssprecher Giuseppe Gracia auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda nicht machen. Da es sich um ein laufendes Verfahren handle, nehme das Bistum dazu nicht weiter Stellung. Der Priester soll eine erwachsene Frau sexuell belästigt haben. Der Priester befindet sich seit letzter Woche in Untersuchungshaft, wie Bruno Ulmi Stuppani, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Graubünden, auf Anfrage erklärte. (NZZ v. 23. 5.)

Die Ordensschwestern leisten einen Dienst an der Kirche, aber sie sind keine Bediensteten. Die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Sr. Katharina Ganz, schreibt am 25. Mai im Internetforum „feinschwarz“ über das Aufbegehren der Kirchendienerinnen: Schon Antonia Werr (1813-68), die Gründerin der Oberzeller Franziskanerinnen, beschwerte sich in einem Brief vom 22. Februar 1858 über die Erwartung des Klerus, dass ihre Schwestern zu servilem Dienst verfügbar sein sollten. Mit „Orden – Macht – Politik“ war ein Werkstattgespräch überschrieben, an dem am 12. Mai 2018 neben Sr. Ganz auch Pater Martin Maier SJ und Schwester Anna Schenck CJ beim Katholikentag in Münster teilnahmen. Als Sr. Ganz die Meinung vertrat, dass es neben dem gesellschaftspolitischen Engagement der Orden und Kongregationen auch Anstrengungen braucht, um die einseitige Abhängigkeit der Ordensfrauen von geweihten Männern im Bereich der Seelsorge und Liturgie zu überwinden, brandete heftiger Applaus auf. Innerkirchlichen Frieden wird es dauerhaft nur geben, wenn den (Ordens-)Frauen auch zugestanden wird, am „petrinischen Prinzip“ Anteil zu haben, schreibt Sr. Ganz. Die Kirche „kann und darf sich nicht vorrangig als Institution […] oder gar als klerikal-hierarchischer Machtapparat […] repräsentieren.“ Bei aller eschatologischen Vollendung wird das Reich Gottes ohne Geschlechtergerechtigkeit kaum Gestalt annehmen können auf Erden, so Sr. Ganz. (www.feinschwarz.net v. 25. 5.)

Die Synodalität ist eines der großen Anliegen von Papst Franziskus. Er will das synodale Element in der Kirche stärken und dafür auch Anleihen bei der Orthodoxie nehmen. Die Internationale Theologenkommission hat ein Grundsatzpapier zum Thema Synodalität erstellt. „Synodalität“ ist vom Begriff „Demokratie“ zu unterscheiden. „Es geht vielmehr darum, immer da, wo Macht in der Kirche ausgeübt wird, den Communio-Charakter der Kirche zu wahren“, sagte der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke im Gespräch mit dem Kölner Domradio. „Die Universalkirche darf sich nicht gegenüber den Ortskirchen verselbständigen. […] Die Apostelnachfolger können nur dann erfolgreich Gehorsam erwarten, wenn sie ihrerseits auf den sogenannten Glaubenssinn der Gläubigen hören. […] Gewiss, man kann die Kirche nicht an einer Stelle versammeln. Es muss Delegierte geben – Delegierte, die ihren Glauben kirchlich leben. […] Die Synodalität von Entscheidungsprozessen in der Kirche ist strikt zu unterscheiden von dem demokratischen Prinzip, dass stets die Mehrheit entscheidet. Man kann über die Wahrheit, die Christus ist, nicht nach dem Mehrheitsprinzip abstimmen. Jeder weiß, dass die Wahrheit oft nur von einer Minderheit verstanden und gelebt wird. Das gilt übrigens nicht nur für die Wahrheit des Glaubens.“ Und trotzdem: Auch die Synodalität kommt nicht ohne demokratie-ähnliche Elemente aus. „Wenn man in der katholischen Kirche versucht, alle Ebenen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und den von Papst Franziskus immer wieder beschworenen Glaubenssinn der Gläubigen ernst zu nehmen, dann wird man in Zukunft weniger deduktiv als induktiv denken und verfahren. […] Man kann vieles, was Organisation und Struktur in der Kirche betrifft, auch demokratisch regeln. […] Doch wenn es um Glaubensfragen geht, dann entscheiden letztendlich nur die Bischöfe; auch sie nicht einfach durch Mehrheitsbeschluss, sondern in Einheit mit dem vom Papst.“ Das steht in einer Spannung zum Wunsch des Papstes, auch den Bischofskonferenzen eine gewisse lehramtliche Autorität zuzusprechen. Das geht einher mit dem Willen des Papstes zur Dezentralisierung, dass nicht mehr Rom alles und jedes entscheiden muss. (www.domradio.de u. vn v. 26. 5.)