Innerkirchliche Reformansätze (Frauen, Zölibat, wiederverheiratet Geschiedene, Moral ..) sowie zum „Synodalen Prozess“

Klaus Unterburger, Professor für Kirchengeschichte an der Universität in München, hält die deutsche Kirche für einen theologischen Vorreiter. Dem Portal domradio.de gab er ein Interview: „Ungleichzeitigkeiten gibt und gab es in der Kirche natürlich immer. Aber dass die Deutschen jetzt so besonders schnell sind, das ist so ein typisches Phänomen, das es seit der Aufklärung, seit dem 19. Jahrhundert gibt. […] Die Deutschen hatten da [in der Priesterausbildung] andere Ressourcen und konnten auf Entwicklungen schneller und früher reagieren. Die Liturgische Bewegung ist in Deutschland [und in Österreich! P. W.] sehr viel schneller und früher durchdacht worden als andernorts und es wurde versucht, die Liturgie zu reformieren. […] Unstrittig ist, dass die Theologie nördlich der Alpen mit ihren Einsichten einen großen Einfluss auf das Zweite Vatikanische Konzil hatte.“ Die Gründung von Bischofskonferenzen in Deutschland „hat man in Rom lange versucht zu bremsen, weil natürlich da innerkirchlich in der Machtverteilung das Problem liegt, dass da ein potenzielles Machtzentrum außerhalb Roms entsteht. Der einzelne Bischof ist natürlich sehr viel abhängiger von Rom als eine Bischofskonferenz. […Bezüglich der Weltsynode zur Synodalität ist es] legitim, dass nicht in der gesamten Weltkirche uniform überall dasselbe geschieht, sondern dass es in manchen Bereichen auch Unterschiede gibt, weil die Kirchen und die Bedürfnisse dort unterschiedlich sind. Papst Franziskus hat einen solchen Prozess in den lokalen Kirchen auch angestoßen. Gerade die Ortskirchen sollen das Geeignete für sich, in ihrer konkreten Situation, herausfinden….“ (domradio.de v. 1. 2.)

Eine Kritik an den Worten des Papstes – der deutsche „Synodale Weg" sei „elitär“ – hat das italienische Theologen-Portal „Settimana News" veröffentlicht. Auf der vom Orden der Herz-Jesu-Priester betriebenen Plattform heißt es, wenn der Papst den „Synodalen Weg" als elitär bezeichnet habe, zeuge das aus Sicht der Opfer des sexuellen Missbrauchs von Unverständnis für deren Rolle beim Zustandekommen des Reformprojekts, so der Autor des Beitrags, der Ethik-Dozent Marcello Neri (Universität Flensburg). Der „Synodale Weg“ versuche doch, „das perverse Band zwischen Macht und Gewalt, Autorität und Verdunklung, Führung und Verdunklung" zu durchtrennen. Die Kritik des Papstes an diesem Weg erzeuge bei den Opfern neue Verletzungen. Es gebe viele Modelle, wie das Volk Gottes in einer Synode repräsentiert sein könne. Der „Eifer von Papst Franziskus" laufe Gefahr, das Volk Gottes in Deutschland zu verkennen. Der Autor kritisiert auch den Brief der drei Kurienkardinäle Pietro Parolin, Marc Ouellet und Luis Ladaria an die deutschen Bischöfe. Weder das Kirchenrecht noch die Dogmatik verbiete es einem Bischof oder einer Bischofskonferenz, die eigenen Entscheidungen an das Votum von Beratungsorganen zu binden. Ebenso kritisierten auch Bischöfe, wie z. B. der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann die „Elitär“-Aussage des Papstes. (kap v. 2. 2.)

Der Vatikan hat der geplanten Einrichtung eines „Synodalen Rates“ in der deutschen Kirche im Januar in einem von Papst Franziskus approbierten Brief eine Absage erteilt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing (Limburg), antwortete, er könne die Bedenken nicht nachvollziehen. Nun erklärte auch eine Mehrheit der Diözesanräte in Deutschland ihre Unterstützung des Synodalen Rats, berichtete das Zentralkomitee der deutschen Katholiken in einer Pressemitteilung: „Vertreter und Vertreterinnen der 29 katholischen Räte in Deutschland unterstützen mit überwältigender Mehrheit die Einrichtung eines Synodalen Rates. Damit bestätigen sie einen entsprechenden Beschluss, den die Synodalversammlung im September gefasst hatte." Der „Synodale Rat“ ist eines der Reformvorhaben des „Synodalen Weges“. Georg Bätzing dazu: Er „erlebe synodale Beratung geradezu als eine Stärkung“ des Bischofsamts. Ähnlich äußerten sich nun auch die Vertreter der Diözesanräte: „Die Konferenz der Vorsitzenden […] unterstützt weitere Schritte zur Bildung des Synodalen Ausschusses und Rates sowie Synodaler Räte in den einzelnen Bistümern. Ziel ist die Förderung einer gelebten Kultur gemeinsamen Beratens und Entscheidens, in der sich Transparenz und Gewaltenteilung als Ausdruck von Synodalität verwirklichen können. Synodalität stärkt die Bischöfe und schwächt sie nicht". (vn v. 7. 2.)

In Prag, bei der Europa-Versammlung der Weltsynode von rund 200 europäischen Delegierten zum Thema Synodalität, darunter 65 Frauen und 46 Bischöfe, wird ein Abschlussdokument vorgestellt. Dann beraten nur noch die Bischöfe über ein zweites Dokument, das ebenfalls nach Rom gehen soll. Die einzelnen Tage werden in Plenumsdiskussionen und kleineren Arbeitsgruppen zu allen Themen verbracht. Am zweiten Tag der Diskussionen sollten die Teilnehmenden „wesentliche Spannungen“, Themen und Fragen identifizieren, die im Oktober 2022 von der Bischofssynode bei ihrem ersten Treffen in Rom behandelt werden sollen. Im Oktober 2024 wird die Welt-Bischofssynode zu einer erneuten Beratung zusammenkommen. Über die Spannungen zu reden, sei auch an sich „spannend“, meint Renata Ocilkova gegenüber Radio Vatikan, eine Teilnehmerin aus der Slowakei, „weil wir unterschiedliche Meinungen und auch Themen gehabt haben, hauptsächlich, was das Thema Seelsorge für LGBT-Menschen anbelangt“, so die Koordinatorin für Roma-Pastoral in der slowakischen Bischofskonferenz. In Prag merkte man sehr deutlich, wie unterschiedlich die Kirche in Westeuropa und in Osteuropa sei, meinte Stephan Lipke, ein deutscher Jesuit und Mitglied der russischen Delegation: „ Wie können wir die Erfahrungen der byzantinischen und der anderen Kirchen des Ostens in den großen gemeinsamen synodalen Weg einbringen?“ Als Gäste bei der Prager Veranstaltung sind auch Vertreter der Reformgruppe „Wir sind Kirche“ vor Ort. Sie können in den Pausen mit den Delegierten sprechen. Einer von ihnen ist der Jurist Martin Schockenhoff: „Wir möchten zum Ausdruck bringen, dass wir diesen weltsynodalen Prozess für enorm wichtig halten und dass wir alle, die dazu beitragen und die jetzt drängenden Probleme angehen, unterstützen wollen, ihnen als Gesprächspartner zur Verfügung stehen wollen und das auch von unserer Basis aus mittragen und mit unterstützen möchten.“ Sein Eindruck sei, dass die Atmosphäre bei dem Kontinentaltreffen in Prag „offen“ sei und viele Delegationen ihre Themen freimütig ansprächen. Verantwortlich für die Redaktion des Schluss-Dokuments ist ein sechsköpfiges Redaktionsteam, das aus Geistlichen und Laien besteht. (vn v. 8. 2.)

In einer „Umgestaltung von Macht- und Autoritätsbeziehungen“ sieht Frankreichs Vorsitzender der Bischofskonferenz den Schlüssel zum Kampf gegen Missbrauch in der Kirche. „Die institutionellen Regeln müssen offener werden, als sie es heute sind“, sagte Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort von Reims dem Schweizer Portal kath.ch im Interview: „Wir müssen unsere Macht- und Autoritätsbeziehungen so umgestalten, dass sie keinen Raum mehr für Missbrauch geben.“ Zum Thema Frauenweihe sagte de Moulin-Beaufort, Frauen seien in der Kirche auf allen Ebenen sehr präsent. Auch wenn dort sicher noch Fortschritte möglich seien, sehe er im Weiheamt für Frauen „nicht die Lösung“. Dringlicher als diese Frage, die theologisch diskutiert werden müsse, sei es, „Frauen mitentscheiden zu lassen“. (kath.ch u. vn v. 8. 2.)

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat sich aufgeschlossen für die Berufung einer Bischöfin gezeigt - dies aber mit einem großen Wenn verbunden. In einem Doppelinterview von „Christ & Welt" mit der römisch-katholischen Theologin Dorothea Sattler sagte Kohlgraf: „Ich könnte mir eine Bischöfin Sattler ganz hervorragend vorstellen, wenn das weltkirchlich gut geregelt wäre". Ein von der Münsteraner Theologin Sattler geleitetes Forum im deutschen „synodalen Prozess“ will die Rolle der Frau in der Kirche neu bestimmen. „Die mangelnde Geschlechtergerechtigkeit versperrt den Weg zum Kern unserer Botschaft", sagte Kohlgraf in dem Interview. Sattler sagte: „Die römisch-katholische Kirche muss sich vor Gott rechtfertigen, wenn sie die Charismen der Frauen nicht für die Verkündigung des Evangeliums einsetzt." Sie verkündige sehr gerne das Wort Gottes. dpa v. 15. 2.)

Das Miteinander von Priestern und Laien ist die Zukunft der Kirche. Das war aus Sicht einer teilnehmenden Delegierten aus Österreich Konsens bei der Tagung im Vatikan zum Thema „Hirten und Gläubige sind dazu berufen, gemeinsam zu gehen“. Gabriele Eder-Cakl, die designierte Leiterin des Österreichischen Pastoralinstitutes im Interview mit Vatican News: „Es gab unter den Delegierten der über 70 Länder eine sehr, sehr große Übereinstimmung, dass dieses Miteinander von Laien und Klerikern die Zukunft der Kirche ist. Das zeigte sich in allen Statements von Laien, Frauen und Männern bis zu den Bischöfen. […]war ein enormer Geist zur Zusammenarbeit, zum Miteinander spürbar.“ Papst Franziskus regte an: Beim Miteinander in der Kirche solle es nicht um Macht gehen, um Unterscheidung von Hierarchiestufen und um Trennung, vielmehr müsse der Fokus auf der Einheit liegen. Wenn die Kirche Laien heute in ihrer Mitverantwortung fördere, dann sei das einfach die richtige Vision der Kirche, hob Franziskus hervor: Entscheidend sei die Taufe, nicht die Weihe. Dazu Eder-Cakl. „Das Miteinander von Laien und Klerikern zeigt sich in der Beteiligung der Laien in Diözesanräten, zum Beispiel in Pastoralräten, in Pfarrgemeinderäten. […] Es braucht meiner Meinung nach die Beteiligung der Frauen auf allen Ebenen der Kirche. Das hat auch das Vorbereitungsdokument für die kontinentalen Synoden sehr deutlich aufgezeigt aus allen Erdteilen der Welt. Es braucht auch die Überlegung, diese Frauen im sakramentalen Amt zu beteiligen…“ (vn v. 18. 2.)

Europas Bischöfe haben sich zur Weiterentwicklung einer „synodalen Kirche" verpflichtet: Das geht aus dem Statement hervor, das der europäische Bischofsrat CCEE nach den Beratungen der Vorsitzenden der nationalen europäischen Bischofskonferenzen in Prag veröffentlicht hat. In den Tagen zuvor hatten sich die Bischöfe mit anderen Delegierten von 39 Bischofskonferenzen in der tschechischen Hauptstadt eingefunden. Die Kontinentale Versammlung im Rahmen des weltweiten „Synodalen Prozesses“ mündete in einen vorläufigen Schluss-Text. Thematisch fügt das Bischofs-Statement dem Abschluss-Dokument, das durch ein Redaktions-Team auf Grundlage der vorhergehenden Länderberichte und Wortmeldungen erstellt wurde, nichts hinzu, berichtete „Vatican News". Nach dieser fünftägigen ersten Phase der „Europa-Etappe" sieht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, Papst Franziskus in Sachen Reformen in der Pflicht. „Ich wäre froh, wenn es auf Ebene der Weltkirche erlaubt würde, dass in einigen Ortskirchen Dinge möglich sind, die in anderen Teilen nicht oder noch nicht relevant sind", sagte er der KANN. In Prag zeigte sich eine „riesige Spannbreite von Lebenswirklichkeiten, kulturellen und politischen Realitäten und auch Spannung und Diversität". (www.p-udo-ja v. 19. 2.)

Die priesterliche Identität der Laien hat eine wichtige Rolle in der Liturgie wie auch in der Welt, sagte Kurienkardinal Marc Ouellet im Rückblick auf eine internationale Vatikan-Tagung vor einem Jahr, die sich mit der Theologie des Priestertums beschäftigte. „Unser Hauptziel ist es, die priesterliche Identität wiederzuentdecken und den Laien zu helfen, sie wiederzuentdecken“, sagte der Präfekt des Bischofsdikasteriums im Gespräch Vatican News. Bei dem Symposion reflektierten Bischöfe, Priester, Laien und Ordensleute gemeinsam über Themen wie „Dreifaltigkeit, Mission, Sakralität, Zölibat, Charisma und Spiritualität". Die rechte Antwort auf sexualisierte Gewalt durch Kleriker sei die Ausbildung: „Die Ausbildung in den Priesterseminaren, aber auch die Ausbildung der Laien und der Ordensleute, ist der Ort, an dem wir den Missbrauch verhindern müssen….“ (vn v. 21. 2.)

Im Nahen Osten hat die regionale Phase zur Weltsynode vom 13. bis 18. Februar in Beirut (Libanon) stattgefunden. Der Jesuitenprovinzial für Nahost, Dany Younès, sagte, es seien „Spaltungen und Spannungen“ untereinander abgebaut worden. Teilgenommen haben an dem Treffen Ordensleute und Laienvertreter der sechs östlichen römischen Patriarchalkirchen (maronitische, melkitische, syrische, armenische, chaldäische und koptische Kirche) sowie der römisch-lateinischen Kirche. Unter den 110 Teilnehmenden waren vierzig Frauen. Pater Khalil Alwan, der Moderator der Synodalversammlung, führte den Erfolg der kontinentalen Phase auf die Methode zurück: eine Mischung aus „gegenseitigem Zuhören ohne Urteil“ und einem „mutigen, ungeschützten Reden“. In den 10 Punkten, die den Abschlussbericht der Tagung zusammenfassen, heißt es im ersten Punkt: „Synodalität ist das Herzstück des Erbes unserer Ostkirchen. Die Präsenz von Laien und jungen Menschen in den kirchlichen Strukturen wird gefördert, ebenso wie die Präsenz von Frauen in Entscheidungsprozessen.“ Erwähnt wird auch die Notwendigkeit neuer Strukturen zur Gewährleistung der Synodalität innerhalb der Kirche. (asianews u. vn v. 21. 2.)

Der deutsche Theologe Wolfgang Beinert sieht als Hauptproblem der römisch-katholischen Kirche eine Angst vor Veränderungen. Doch schon Jesus sei auf die Zukunft ausgerichtet gewesen, sagte er der KNA. „Wer nicht zukunftsgerichtet ist, ist gegen die Tradition des Christentums.“ Die Kirche müsse durch die Zeit gehen und nicht schweben; dabei gelte es die „Zeichen der Zeit“ zu erkennen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) fordere. Beinert – von 1978 bis 1998 Dogmatiker an der Universität Regensburg – kritisierte, dass die sogenannten Konservativen den Begriff „Zeit“ meist negativ sähen: „Was ist denn der Geist der Zeit? Da mögen böse Geister mitmischen, aber vielleicht auch der Heilige Geist“. Mit Blick auf den von Papst Franziskus angestoßenen weltweiten „Synodalen Prozess“ sagte er, die Umfragen in den Ländern seien viel wert. Um Fragen zum Zölibat oder der Frauenordination zu klären, könne wohl nur ein neues Konzil helfen. (kna u. vn v. 24. 2.)