VOM ANDEREN ENDE DER WELT

Ein Bericht von Martha Heizer

Martha Heizer, die Vorsitzende von "Wir sind Kirche - Österreich", war als Vertreterin von "We are Church - International" bei der "Asian Youth Academy" in Indonesien. Hier ist ihr Bericht:

Asian Youth Academy /Asian Theology Forum

22. – 31. Juli 2017, Yogyakarta, Indonesien

Alle Jahre wieder – lädt der Koreaner Paul Hwang, Direktor von ALL (Asian Lay Leaders), junge Führungskräfte in der katholischen Kirche Asiens zu einer Konferenz. Er tut das gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Felicia Dian Ravenska Parera. Beide investieren Zeit und Mühe in Fundraising, um den TeilnehmerInnen Flüge und Unterkunft bezahlen zu können. Die meisten von ihnen könnten sonst nicht teilnehmen. Heuer waren es 71 Leute aus 13 Ländern. Die allermeisten von ihnen arbeiten bereits in (katholischen) Führungspositionen, viele kommen von den Universitäten.

Paul ist Mitglied von We are Church-International und so lädt er immer auch ein Mitglied von uns ein (wir bestehen darauf, dass das nicht auf seine Kosten geschieht!). Heuer wäre unsere Vorsitzende Sigrid Grabmeier gefahren, sie ist aber krank geworden. So hat es mich „erwischt“.

Das heurige Thema lautete: „„Asian Youth, Champion for Building a New World: centering on peace, sustainable developments, ecological justice“.

Die Organisation ist gut durchdacht: nach dem ersten gemeinsamen Abend und einer Morgenliturgie werden alle in kleine Gruppen eingeteilt und machen sich auf den Weg zu Orten, die direkt mit dem Tagungsthema zu tun haben. Mich traf es mit sechs anderen (aus den Philippinen, Vietnam, Bangladesh, Indonesien, Korea) nach Milas, einem Projekt mit einem vegetarischen Restaurant, Kinderprogrammen, einem kleinen Laden mit biologischen Produkten und eigenem Anbau, und nach Serut, einem Dorf, das ganz auf biologischen Landbau setzt. Dort wurden wir jeweils zu zweit in muslimischen Familien untergebracht und verbrachten dort drei Tage. Die Kommunikation war nicht ganz einfach, niemand dort verstand Englisch. Aber es gab auch „Lehrpersonen“ für uns, die uns (sehr wohl in Englisch) erklärten, welche Ideen, Hoffnungen, Träume, Widerstände mit diesen beiden Projekten verknüpft sind. An einem Abend waren wir aufgefordert, mit den Pflanzen, die uns gezeigt worden waren, in den jeweiligen Familien zu kochen. Dann setzten sich alle gemeinsam, also unsere Gruppe und alle Gastgeber und die Lehrenden, zum Essen und Reden und Singen und Lachen zusammen. Am nächsten Morgen pflanzten wir selber Erdbeeren und Chilli – von der Bereitung der Erde bis zur feierlichen Übergabe an eine Gärtnerin, die sich um unsere Töpfe kümmern wird!

Wieder zurück an unserem Tagungsort begann die „Asian Youth Academy“. Alle Gruppen berichteten, was sie erlebt hatten – und das war einiges! Eine Gruppe erzählte von Holz-Radios und Holz-Fahrrädern und einem Bauernmarkt mit eigener lokaler Währung. Andere waren in einem muslimischen Gymnasium mit Internat, das auf Toleranz setzt und immer wieder Leute von auswärts, auch aus anderen Religionen einlädt. Wir hörten über Vogelschutz-Aktivitäten und Kampf gegen den Müll, von universitären Umwelt-Studienprogramen und biologischer Kaffeezubereitung. Eine Gruppe war begeistert von Initiativen in den Armenvierteln, z.B. einer Schule, die zweimal wöchentlich für besonders arme Kinder geöffnet ist. Ein Dorf am Abhang des Vulkans Merapi kämpft gegen Steinbrüche, die den Berg beunruhigen. Und schließlich gibt es das erste inklusive Dorf in Yogyakarta, wo Verschiedenheiten bewusst gesucht und gelebt werden: bezüglich Religionen und sozialem Status, Alter und Gesundheit der Bewohner (also auch Behinderungen). Einige Dorfbewohner leben noch sehr intensiv in ihren traditionellen Religionen.

Zusätzlich zu diesen Erzählungen gab es in den drei Tagen der AYA auch Länderberichte: da war die Rede von Arbeitslosigkeit, inhumaner Wirtschaft, von den Lebensbedingungen der eingeborenen Stämme, von Frauenverachtung – aber auch von Initiativen dagegen, in denen diese jungen Führungskräfte arbeiten.

Nach zweieinhalb Tagen intensiver Arbeit gab es einen „freien“ Nachmittag. Wir fuhren gemeinsam nach Ganjuran, dem größten katholischen indonesischen Wallfahrtsort (4000 Leute an jedem Herz-Jesu-Freitag!!). Erbaut von holländischen Industriellen in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, hat dieser Ort eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Aber nun ist er wiederaufgebaut und wunderschön restauriert. Das Besondere daran ist die interreligiöse Ausrichtung, die schon die Gründer so gewollt hatten: Jesus im Hindutempel mit javanischen Zügen, auch Maria und die Engel und die Figuren des Kreuzweges sind JavanerInnen. Mich berührte es auch, dass ich eine Frauengruppe singen hörte: „Ich lobe meinen Gott!“ auf Koreanisch. Ich ging hin und sang auf Deutsch mit. Daraufhin wollten alle einzelnen ein Foto mit mir!

Ein kurzer Einkaufsbummel in der großen Einkaufsstraße von Yogyakarta, der Malioboro, schloss diesen Nachmittag ab. Es war gut, dass wir nicht länger Zeit hatten. Die absolut niedrigen Preise im Vergleich zu Europa hätten das Kilolimit für mein Fluggepäck sonst schnell gefährdet.

Der Abend war dann der „kulturellen Nacht“ gewidmet. Die meisten hatten ihre traditionellen Kostüme dabei und einige Gruppen führten traditionelle Tänze ihres Landes auf. Das war ein Genuss für Augen und Ohren!

Und dann begann der zweite Teil des Treffens, das Asiatische Theologische Forum. Nun kamen eingeladene Vortragende zu Wort. Wir hörten Einführungen in die Papstschreiben „Laudato si!“ und „Amoris laetitia“ und ein Referat darüber, was „field hospital“ in Indonesien und ganz Asien heißen könnte. Ein Dalit aus Indien erzählte über deren Kampf gegen Land-Diebstahl, ein muslimischer Universitätsprofessor sprach über Toleranz und die Rolle der Religionen bei der Bewahrung der Schöpfung. Von Vorbereitungen für die Jugendsynode war die Rede, Vertreter eines ECO-Camps berichteten über ihre Erziehungsprogramme für Schulen und Gruppen, und natürlich immer wieder: wie umgehen mit religiöser und sozialer Verschiedenheit und damit verbundenen Machtverhältnissen?

Sechs bis sieben Vorträge täglich sind ein herausforderndes Programm. Zu meinem Erstaunen waren die jungen Menschen immer alle anwesend, immer aufmerksam, und die Fragen, die sie stellten, zeugten von Klugheit, Verständnis und geübter Argumentation. Dazu kam ja, dass alles in Englisch ablief und die allermeisten auch den ganzen Tag über Übersetzungsarbeit im Kopf leisten mussten (ich ja auch, uff!). Sie haben mir Freude gemacht und Hoffnung, nicht zuletzt für unsere Kirche! Genauso erfreulich war es für mich, sie am Abend im Innenhof sitzen zu sehen, spielend und lachend und singend – und sehr freundschaftlich.

Ja, und dann kam der letzte Vormittag, der der „nachhaltigen Weiterentwicklung“ unserer Kirche gewidmet war. Da sprach Kochurani Abraham aus Indien über die Notwendigkeit, situationsspezifische Theologien zu entwickeln und betonte dabei besonders die feministische Theologie. Dann folgte Virginia Saldanha. Sie hatte jahrelang ein Frauenreferat geleitet, angeschlossen an die Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen, ähnlich einer Frauenkommission. Sie beschrieb, wie Schritt für Schritt unter Johannes Paul II und unter Benedikt die Rücknahme allen Fortschritts betrieben wurde. Sie selber wurde entlassen. Ich war dann die letzte und sprach über unsere 5 Forderungen.

Natürlich war das eine geballte Ladung, für manche offensichtlich schwer zu ertragen. Während die allermeisten Jungen sehr begeistert und dankbar waren, gab es doch auch einige Stimmen (vornehmlich von Klerikern), die versuchten zu bagatellisieren.

Ein Beispiel: Kochurani und ich hatten über „Gender“ gesprochen und die unsägliche Art, wie manche Kräfte im Vatikan damit umgehen, Beispiel: „Gender kills families“. Da stand in der Diskussion ein älterer Herr auf und betonte, wie schwierig er es doch fände, wenn immer mehr Leute behaupten, nicht mehr zu wissen, ob sie männlich oder weiblich seien. Das sei doch eindeutig eine Entwicklung in die falsche Richtung. Dann meldete sich jemand von den Philippinen und erzählte, ständig mit den Tränen kämpfend, was es für ihn/sie heißt, als „genderqueer“ zu leben. Welcher Mut! Das hat sicher mehr Verständnis ausgelöst als wir Referentinnen je hätten bewirken können. Hoffentlich haben seine/ihre Tränen auch das Herz der Opponenten berührt!

Der letzte Nachmittag war den Ländergruppen gewidmet: die TeilnehmerInnen setzten sich länderweise zusammen und berieten ihre künftige Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung in ihren Projekten.

Ein wunderschön gestalteter Gottesdienst im Freien, in der Abenddämmerung, und ein letztes gemeinsames Essen beschlossen diese eindrucksvolle Tagung. Ich bin allen Beteiligten, Paul und seinem Team, aber auch den jungen Leuten unendlich dankbar für die Einladung und die liebevolle Fürsorge, mit der sie sich alle Tage um mich kümmerten. So bleibt diese (lange, lange) Reise eine bleibende erfreuliche Erinnerung und ein großes Zeichen der Hoffnung, für unsere Kirche und für unsere Welt.