Zur Welt-Bischofsynode „Synodaler Prozess“ und zum deutschen „Synodalen Weg“

Mehr Synodalität wagen und keine Diskriminierung von Frauen, Geschiedenen und queeren Menschen: Diese Botschaft sendet die Schweizer Kirche nach Rom. Das geht aus dem Bericht hervor, den die Bischofskonferenz zum weltweiten „Synodalen Prozess“ erstellt und nach Rom geschickt hat. Der Text spricht sich für eine synodale Kirche aus, die „die königliche, priesterliche und prophetische Würde und Berufung“ der Getauften anerkennt und hebt hervor: Zum einen sollten Menschen nicht mehr ausgeschlossen werden, etwa Frauen, Geschiedene und queere Menschen. Zweitens kritisiert der Bericht den „noch vorhandenen Klerikalismus“: Synodalität könne nur gelingen, „wenn der Klerikalismus überwunden wird und sich zunehmend ein Verständnis des Priesteramtes als ein Element entwickelt, das das Leben einer stärker synodal ausgerichteten Kirche fördert“. (kath.ch u. vn v. 16. 8.)

Synodalität gehört nach den Worten von Papst Franziskus zum Wesen der Kirche. Verwirklicht werde sie „in der Begegnung, im Einander-Zuhören und in der Unterscheidung", schreibt er in einem Geleitwort für die Zeitschrift „Communio“: „Wir wollen hellhörig und aufmerksam sein für die Zeichen der Zeit, wohl wissend, dass diese nicht mit dem Zeitgeist zu verwechseln sind." Dabei solle auch auf die Stimme der Theologieprofessorinnen und -professoren gehört werden". Der frühere Kurienkardinal Walter Kasper setzt sich in dem Artikel mit den Erwartungen und Enttäuschungen auseinander, die nach der Wiederbelebung der synodalen Idee beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) mit den darauffolgenden Bischofssynoden verbunden werden. An „Brennpunkten der Kirchengeschichte" seien „Synoden jeweils von ausschlaggebender Bedeutung" gewesen, so der Kardinal. Der Bochumer Neutestamtler Thomas Söding, der auch ZdK-Vizepräsident ist, formuliert eine andere Perspektive und schreibt, dass schon die erste Versammlung gezeigt habe: „Die katholische Kirche kann Synode." Viele engagierten sich, die Bischöfe seien voll beteiligt. Der Vorwurf „einer Protestantisierung der katholischen Kirche" sei schon „im Ansatz verfehlt". Astrid Kaptijn, die im schweizerischen Fribourg Kirchenrecht lehrt, meint u. a.: Damit die nationalen Bischofskonferenzen fähig würden, selbst „als Subjekte zu handeln", bräuchten sie mehr Kompetenzen. (domradio.de u. kap v. 16. 8.; vn v. 17. 8.)

Julia Knop (Professorin für Dogmatik an der Universität Erfurt) in einem Interview mit der KNA über den deutschen „Synodalen Weg“ in Auszügen: „Es gibt immense Konflikte und Spannungen in der Kirche. Es geht darum, wie wir heute - im 21. Jahrhundert, angesichts einer horrenden Schuldgeschichte der Kirche - katholisch sein wollen. Ich bin froh, dass diese Debatten endlich geführt werden. […Es geht] vor allem darum, wie man Missbrauch und Vertuschung durch Kleriker bewertet. Ist dieser Machtmissbrauch typisch für das System katholische Kirche oder systemfremd? Wird Machtmissbrauch durch das kirchliche Selbstverständnis begünstigt oder verhindert? Die MHG-Studie und alle darauffolgenden Untersuchungen identifizieren typisch katholische Faktoren, die Missbrauch und Vertuschung durch Kleriker begünstigen. Das immer noch zu leugnen, halte ich für hochproblematisch. […] Wer meint, dass Missbrauch nichts mit dem kirchlichen Selbstverständnis zu tun habe, lagert das Problem aus […und] weist aber kirchlichen Reformbedarf zurück. […] Wer hingegen Missbrauch für symptomatisch für problematische Dimensionen des kirchlichen Selbstverständnisses hält, setzt grundsätzlicher an: bei Fragen von Macht, Amt, Geschlechterrollen und Sexualität. In dieser Perspektive wäre es prekär, Lehren und Strukturen, die sich als missbrauchsbegünstigend erwiesen haben, nicht zu korrigieren. […] Wenn man die kirchliche Lehre zeitenthoben denkt, darf man keinen Buchstaben daran ändern. Wer heute noch so denkt, hält deshalb schon das Ansinnen des Synodalen Wegs für falsch, Lehren und Strukturen kritisch zu hinterfragen. […] Kirchliche Lehren und Strukturen sind nicht vom Himmel gefallen, sie sind geschichtlich gewachsen. Genau deshalb können sie auch weiterentwickelt werden. Wenn sie sich in Glauben und Leben nicht mehr bewähren, müssen sie korrigiert werden. […] Die Kirche hat sich historisch betrachtet permanent verändert. Dabei hat man durchweg, wenn auch mit Verspätung, an zeitgenössischer Politik und Gesellschaft Maß genommen. Das ist auch heute möglich und nötig. […] Der Unterschied zwischen Klerikern und Laien durchzieht das Kirchenrecht und den Gottesdienst, das Machtgefüge und das Selbstverständnis der Kirche. Vor einigen hundert Jahren mag das noch plausibel und zeitgemäß erschienen sein. Heute ist es anachronistisch: eine bizarre Sonderwelt. Das ist theologisch hochproblematisch. Und es bringt Priester in die prekäre Situation, sich nicht von ihrer Berufung und Aufgabe, sondern vom Unterschied zu den Laien her zu definieren. […In der kommenden Synodalversammlung im September] sind vor allem die Bischöfe gefragt. Denn die Überwindung toxischer Strukturen, Konzepte und Gewohnheiten beginnt zwar in den Köpfen. Aber sie braucht, um nachhaltig zu sein, mehr als den guten Willen eines guten Hirten. Nötig ist eine rechtlich und gegebenenfalls auch doktrinell verlässliche Basis. Dafür müssen die Bischöfe einstehen. Auch gegenüber Rom…“ (domradio.de u. kna v. 18. 8.)

Die römisch-katholischen Bischöfe Nordeuropas haben die Ergebnisse ihrer Befragungen zum weltweiten Synodalen Prozess der Kirche an den Vatikan geschickt. Das Positionspapier beruht auf den Befragungen von Gläubigen aus den Bistümern Kopenhagen, Stockholm, Oslo, Helsinki und Reykjavik sowie den Prälaturen Trondheim und Tromsö. Von den 27 Millionen Einwohnern Skandinaviens sind 1,5 Prozent Katholiken. In der sechsseitigen Zusammenfassung der Befragungsergebnisse wird unter anderem gefordert, dass die Kirche ihre Botschaft stärker an den Alltagsfragen der Menschen in der Welt von heute ausrichtet. Die Belange junger Menschen und anderer Laien, besonders Frauen, seien stärker einzubeziehen. Die Kirche dürfe sich nicht scheuen, problematische Themen wie den Skandal des sexuellen Missbrauchs offen anzugehen. Weitere Forderungen betreffen das Mitspracherecht von Laien in kirchlichen Entscheidungsprozessen und die Rolle der Kirchenhierarchie: „Viele Befragte empfinden den Klerikalismus als Gefahr.“ Priester hätten als Verteidiger des Glaubens auch die Pflicht, Laien stärker in die Entscheidungen einzubinden. Der „Synodale Prozess“ mündet in die eigentliche Bischofssynode im Oktober 2023 in Rom. (vn u. kna v, 24. 8.)

„Der synodale Weg ist institutionell, weil er zum Wesen der Kirche selbst gehört“: Das hat Papst Franziskus zum „Synodalen Prozess“ der Weltkirche angemerkt, der 2023 in eine Bischofssynode im Vatikan mündet. Zum Thema synodale Kirche äußerte sich Franziskus in einer Audienz für Kirchenvertreter aus dem italienischen Lodi, das jüngst seine 14. Diözesansynode ausgerichtet hatte. Das synodale „Miteinander-Gehen“ und „Aufeinander-Hören“ sei konstitutiver Teil der Kirche, erinnerte der Papst. Die aktuell laufende Weltsynode soll diese Dimension fördern: „Der synodale Weg, den wir als Weltkirche beschreiten, möchte dem ganzen Volk Gottes helfen, genau in dieser wesentlichen, konstitutiven und dauerhaften Dimension des Kirche-Seins zu wachsen: gemeinsam zu gehen, aufeinander zu hören, in der Vielfalt der Charismen und Ämter, unter der Führung des Heiligen Geistes, der aus der Vielfalt Harmonie und Einheit schafft.“ (vn v. 26. 8.)

Der Münsteraner Bischof Felix Genn verteidigt den Reformdialog „Synodaler Weg“ gegen Kritik und wünscht sich eine Neubewertung der römisch-katholischen Sexualmoral. Etliche Studien hätten gezeigt, „dass auch die rigide Sexualmoral sexuellen Missbrauch in der Kirche mit ermöglicht hat", sagte er im Interview des Portals Kirche-und-Leben.de. Um weiteren Missbrauch zu verhindern, müsse „auch das kirchliche Lehramt zu Neubewertungen kommen, die die Erkenntnisse der modernen Sexualforschung und Wissenschaft berücksichtigen". Wenn Kritiker dem Reformprojekt „Synodaler Weg“ vorwerfen, sexueller Missbrauch werde instrumentalisiert, um Veränderungen in der Kirche voranzutreiben, „dann verstehe ich das nicht. […] Es braucht Veränderungen, auch um sexuellen Missbrauch in der Kirche künftig zu verhindern." Er halte den Synodalen Weg für „unbedingt notwendig. […] Wir müssen die systemischen Ursachen, die sexuellen Missbrauch in der Kirche begünstigt haben und immer noch begünstigen, bekämpfen und verändern. Wir brauchen ein neues Miteinander von Priestern und Laien, von Frauen und Männern, von Haupt- und Ehrenamtlichen. Wir brauchen neue Amts- und Rollenverständnisse." Dass darum gerungen werde, halte er für völlig normal. Wer die vergangenen Jahrzehnte in den Blick nehme, könne nicht ernsthaft „Weiter so" sagen, ergänzte Genn. Die Kirche brauche Veränderungen „sehr bald. […] Wenn Menschen kirchliche Verantwortungsträger nicht als zuhörend, dialogorientiert, offen, veränderungsbereit, kritikfähig und im Dienst an den Menschen stehend erleben: Wie soll ich dann glaubhaft die Frohe Botschaft verkünden?" (domradio.de v. 30 8.)