Ökumene

Der Ehrenprimas der Anglikaner, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, hat die Christen der Welt eindrücklich zur Einheit aufgerufen. In einer Zeit der weltweiten Krise könnten sie sich den „Luxus der Trennung" nicht länger leisten, sagte er in Karlsruhe vor der Vollversammlung des Weltkirchenrats (ÖRK) mit rund 4.000 Teilnehmenden aus 120 Staaten. „Die Zeit des ökumenischen Winters ist vorbei". Es gebe eine „Ökumene des Leidens", denn vielerorts würden Menschen getötet, „weil sie Christen sind", nicht weil sie einer bestimmten Konfession angehörten. Ökumenische Einheit bedeute nicht Uniformität, sondern Einheit in Vielfalt. Vor Journalisten erläuterte der Erzbischof: „Wir müssen lernen, einander die Füße zu waschen, und nicht, Anweisungen zu erteilen." Der Sekretär des Vatikanischen Einheits-Dikasteriums, Bischof Brian Farrell, sagte, die jahrzehntelange Zusammenarbeit der römisch-katholischen Kirche mit dem ÖRK sei inzwischen zu einer Partnerschaft geworden. Die nächste große Herausforderung werde darin bestehen, nicht nur nach Gemeinsamkeiten der verschiedenen Konfessionen zu suchen, sondern die Unterschiede näher zu betrachten, ob sie kirchentrennend seien oder nicht. Der Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel beim ÖRK, Metropolit Job von Pisidien, sagte: „Versöhnung sei eine zentrale Aufgabe der Christen. […] Versöhnung innerhalb unserer Kirchen, zwischen den Kirchen, mit dem Rest der Menschheit und mit der Schöpfung." Der Vollversammlung liegt eine „Erklärung zur Einheit" zur Abstimmung vor. Sie legt das Leitwort „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt" auf die zwischenkirchlichen Beziehungen hin aus und spricht sich für eine „Ökumene des Herzens" aus. (kna u. vn [=Vatican News] v. 7. 9.)

Der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) sieht kaum Unterschiede zwischen der orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche, die wirklich kirchentrennend sein müssen. Das betont er in der neuen Folge des Religionspodcasts „Wer glaubt, wird selig". Das einzige wirklich trennende Merkmal sei der „päpstliche Dienst", wie ihn die römisch-katholische Kirche derzeit verstehe. Doch auch hier sei er optimistisch, denn alle Päpste seit Papst Paul VI. hätten vorgeschlagen, gemeinsam mit den Ostkirchen den päpstlichen Primat zu reflektieren und gemeinsame Lösungen zu finden. Es brauche dringend mehr Ökumene. Er begründete seine Ungeduld u.a. mit den zahlreichen Mischehen, für die die Kirchentrennung eine besondere Belastung sei. Cilerdzic würdigte weiters die Arbeit des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich und betonte: „Es muss unser Ziel sein, die Jahrhunderte alte Spaltung zu überwinden und wenn möglich durch eine versöhnte Verschiedenheit wieder zur kirchlichen Einheit zurückfinden. […] Da liegt es auf der Hand, dass zwischen uns eine geschwisterliche Atmosphäre herrscht. Das drückt sich aus dadurch, dass wir einander besuchen bei den Gottesdiensten, dass unsere Pfarrer bzw. der Bischof gerne einmal auch zu den katholischen und evangelischen Gottesdiensten gehen und dort ein Grußwort sprechen. Und umgekehrt besuchen auch die katholischen und evangelischen Geistlichen gerne einmal eine orthodoxe Liturgie und sprechen ein Grußwort. Außerdem sei es eine Katastrophe, dass es bis heute nicht möglich sei, das Blutvergießen in der Ukraine zu stoppen. (kap v. 13. 9.)

„Keinerlei Hindernisse“ für die Union mehrerer Ostkirchen sowie die Dringlichkeit über ein Einheitsprojekt nachzudenken, sieht der irakische Kardinal Louis Raphael I. Sako, Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche. Er erläuterte dies genauer in einer Rede mit dem Titel „Einheit und Pluralität der Kirche“: „Ich habe unser östliches Erbe und die Schriften der Kirchenväter eingehend studiert. Daher sehe ich nichts, was der Vereinigung der chaldäischen Kirche und der assyrischen Kirche des Ostens unter dem Namen Kirche des Ostens entgegensteht". Gleichzeitig belegte er mit stichhaltigen Argumenten, auf welchen lehrmäßigen und theologischen Quellen die Rückkehr zur vollen Gemeinschaft zwischen einigen katholischen Ostkirchen und den alten Kirchen des Ostens beruht, die dasselbe liturgische, theologische und spirituelle Erbe mit ihnen teilen und die, obwohl sie nicht in voller Gemeinschaft mit dem Papst stehen, nie direkte dogmatische Konflikte mit der Kirche von Rom und ihrem Bischof hatten. Als Namen schlägt er „Syrische Kirche von Antiochien“ vor. Sako spricht davon, dass sich die Kirchen „in unterschiedlichen kulturellen, sprachlichen und geografischen Kontexten entwickelt haben, auch wenn sie denselben apostolischen Glauben teilen. Die wesentliche Einheit zwischen der katholischen Kirche und den alten Ostkirchen apostolischen Ursprungs zeigt sich auch in den gemeinsamen christologischen Erklärungen, die diese Kirchen in den letzten Jahrzehnten ihres ökumenischen Weges unterzeichnet haben." (fides u. vn v. 21. 9.)

Mit dem neuen Studienjahr, das am 1. Oktober beginnt, bietet die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien einen neuen Studiengang an: Orthodoxe Religionspädagogik. In Österreich gibt es immer mehr Schülerinnen und Schüler, die den orthodoxen Religionsunterricht besuchen. Inzwischen sind es bereits weit mehr als 16.000, Tendenz steigend. Dass die Universität Wien als erste Hochschule im deutschsprachigen Raum ein solches Studium anbietet, ist kein Zufall: Im Vergleich zu Deutschland gebe es in Österreich einen landesweit gut organisierten orthodoxen Religionsunterricht sowie einen größeren Bedarf an neuen orthodoxen Religionslehrkräften. Das neue Studium sei aber vor allem dem Engagement der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien zu verdanken. (www.p-udo-ja.at v. 25. 9.)

Die Neuapostolische Kirche (NAK) öffnet ihr geistliches Amt für Frauen. Ab Jahresbeginn 2023 können Frauen in alle Amtsstufen ordiniert und auch mit Führungsaufgaben auf allen Ebenen betraut werden. Bekanntgegeben wurde die Entscheidung durch den internationalen Kirchenleiter, Stammapostel Jean-Luc Schneider, im Rahmen eines „virtuellen Gemeindeabends". Die NAK ist eine weltweit tätige christliche Kirche mit Sitz in der Schweiz. Sie zählt laut Eigenangaben weltweit neun Millionen Gläubige und hat ihre Wurzeln in den christlichen Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts. In Österreich gehören der Kirche laut Eigenangaben rund 5.000 Gläubige an. Sie ist zudem Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich. (kap v. 21. 9. u. www.p-udo-ja.at v. 25. 9.)

Kardinal Christoph Schönborn übergibt am 27. September die Kirche „Am Schöpfwerk" in Wien an die Serbisch-orthodoxe Kirche bzw. an Bischof Andrej (Cilerdzic). Zu der Übergabe werden zahlreiche Bischöfe der orthodoxen Kirche und Vertreter der Ökumene erwartet. Bischof Andrej hatte zuletzt mehrfach seinen Dank für die Unterstützung der römisch-katholischen Kirche in Wien bekundet und seine ökumenische Offenheit bekräftigt. So stehe die Kirche auch weiterhin allen offen, er wolle in Zukunft auch mit den Katholiken in der Kirche gemeinsam beten. Die Übergabe der Kirche garantiere den Erhalt der bisher römisch-katholischen Pfarrkirche als christliche Gottesdienststätte, hieß es. Die örtliche römisch-katholische Pfarrgemeinde wird wieder Teil der „Mutterpfarre" Altmannsdorf, von der sie 1982 abgetrennt worden war. Zur Zeit der Gründung der Pfarre Am Schöpfwerk im Jahr 1982 lebten dort rund 5.000 Katholikinnen und Katholiken. In den vergangenen Jahrzehnten sank jedoch die Zahl der Katholiken auf zuletzt knapp 1.000. 2014 hatte die Erzdiözese Wien bereits die Pfarrkirche Neulerchenfeld in Ottakring an die serbisch-orthodoxe Kirche übergeben. (kap v. 23. 9. u. www.p-udo-ja.at v. 25. 9.)

Der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 60 Jahren am 11. Oktober 1962 ist auch für Stimmen aus anderen christlichen Kirchen Anlass für Würdigungen der damals initiierten römisch-katholischen Aufbrüche. In der Zeitschrift „theologie aktuell" der Theologischen Kurse (Heft 4) äußerten sich anlässlich des Jubiläums der evangelische Altbischof Michael Bünker, der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), der reformierte Theologe Prof. Ulrich Körtner, die Direktorin der evangelischen Diakonie, Maria Katharina Moser, der Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft, Gerhard Weißgrab, und die Leiterin des Schulamts der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Carla Amina Baghajati. „Das Konzil beweist: Kirchenreform ist möglich!", schrieb Altbischof Bünker. Aus evangelischer Sicht sei besonders bedeutsam, dass sich mit dem Konzil die römisch-katholische Kirche für die Ökumene geöffnet habe. Die Anerkennung der Taufe und der „Elemente des Heils" in den anderen Kirchen stelle einen wesentlichen Öffnungsschritt zum Miteinander der Kirchen dar. Ein Meilenstein sei das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich von 2013. Unbefriedigend ist für Bünker allerdings, „dass es in den konfessionsverbindenden Ehen und Familien nach wie vor keine Möglichkeit gibt, gemeinsam die Eucharistie zu feiern". Und auch die Art der Einheit der Kirchen sei nach wie vor offen. „Ängstliches Festhalten am Hergekommenen hilft nicht weiter. Evangelische sollen keine Reformationsnostalgie betreiben und Katholische keine Konzilsnostalgie, aber beide können aus ihren Traditionen lernen, mutig und fröhlich das Evangelium zu bezeugen." Metropolit Arsenios blickte auf das Konzil zurück: Das Konzil „hat den Dialog auf Augenhöhe überhaupt erst eröffnet.“ In vielen Bereichen würden die Kirchen bereits heute Hand in Hand arbeiten und in Fragen von Umwelt, Menschenwürde oder sozialer Gerechtigkeit gemeinsam auftreten. Aus orthodoxer Sicht bedauerlich sei aber, „dass es scheint, als sei in der Liturgiereform der Sinn für das Mysterium abhandengekommen". Mit großem Interesse verfolge er die Bemühungen der römisch-katholischen Kirche um stärkere synodale Strukturen. Theologieprofessor Körtner erinnerte an die Einbeziehung evangelischer Theologen in die damaligen Konzilsberatungen. Zugleich habe das Konzil von den Kirchen der Reformation als „kirchlichen Gemeinschaften“ gesprochen, die Elemente des Kircheseins enthielten. Die Diakoniedirektorin Moser nannte die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes" und deren programmatische Einleitung als bleibend wertvoll: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi“ lenkt den Blick der römisch-katholischen Kirche von rein binnenkirchlichen Fragen auf die Menschen und auf ihre Probleme. Ein zentraler Punkt des Konzils ist für Buddhisten-Vertreter Weißgrab, dass in der Konzilserklärung „Nostra aetate" der Exklusivitätsanspruch als einzig richtige Religion relativiert worden sei. In diesem Text gestehe man den nicht-abrahamitischen Religionen, also auch dem Buddhismus, „zumindest einen Strahl jener Wahrheit zu, wenn schon nicht die ganze". Das sei „ein sehr wichtiger erster Schritt, der in seiner wahren Konsequenz nicht hoch genug bewertet werden kann", so Weißgrab. Auch Amina Baghajati würdigte mit Blick auf „Nostra aetate" die Offenheit und Bereitschaft des Konzils. Wenn sie die Konzilstexte lese, „vermittelt sich mir sehr viel an Aufbruchsstimmung und Mut, die Kirche zukunftsfähig zu gestalten". (kap v. 30. 9.)