Mitbestimmung und Menschenrechte

Plädoyer für eine demokratische Kirchenverfassung

03.08.2011, Hans Peter Hurka

Immer deutlicher wird die Trenungslinie unter den Gläubigen. Die einen sehen die Erfüllung der Menschenrechte als Ausdruck des Glaubens, als Anerkennung der von Gott geschenkten Würde des Menschen. Sie meinen, Gottes Wille können wir nur gerecht werden, wenn wir ihn im Angesicht der Menschen gerecht werden. Andere sehen eine Trennung und strikte hierarchische Unterscheidung: Zuerst göttlicher Dienst und dann erst Menschendienst. Hier werde Gott der gebührende Vorrang erwiesen. Darin kommen die unterschiedlichen Welt und Gottesbilder zum Ausdruck.

"Wir sind Kirche" sieht sich der ersteren Option verpflichtet. Deshalb haben wir uns einer menschengerechten und zeitgemäßen Kirchenverfassung zugewendet. In gemeinsamen Veranstaltungen mit den anderen Reformgruppen wie der Laien-Initiative, der Pfarrer-Initiative und den Priestern ohne Amt haben wir zuerst die Situation analysiert und dann Eckpunkte für eine Kirchenverfassung formuliert. Die Referate dieser beiden Veranstaltungen können Sie in diesem Buch nachlesen.

Martha Heizer (Herausgeber), Peter Hurka (Herausgeber), Mitbestimmung und Menschenrechte: Plädoyer für eine demokratische Kirchenverfassung, Verlag: Topos plus; Auflage: 1 (Juli 2011), ISBN-10: 3836707632

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Das geltende Kirchenrecht widerspricht vielfach der Botschaft Jesu, dem Zweiten Vatikanischen Konzil und den Menschenrechten. So lautet der Befund der Wissenschafter, die sich zum Thema „Kirchenreform und Menschenrechte“ im November 2009 zu einer Enquete in Wien und dann zu einer Kirchenvolks-Konferenz im Juni 2010 in Batschuns/Vorarlberg, getroffen hatten. Dort wurden „Eckpunkte für eine menschenrechtskonforme Kirchenverfassung“ erarbeitet. Zu unserem großen Bedauern war es keiner Expertin möglich, an einer der Tagungen teilzunehmen.

Die Plattform „Wir sind Kirche“ hat gemeinsam mit der „Pfarrerinitiative“ und der „Laieninitiative“ sowie den „Priestern ohne Amt“ diesen Reflexionsprozess über das Kirchenrecht gestartet, um anhand einer reflektierten Analyse konstruktive Impulse zur Erneuerung der Kirchenstrukturen aufzeigen zu können.

Pflichtzölibat und das Verbot der Frauenweihe sind menschenrechtswidrig, stellte Heribert Franz Köck, emeritierter Professor für Staats- und Europarecht der Universität Linz, fest. "Nicht ist es so unter euch": Mit diesem Wort Jesu verwies der Bibelwissenschafter, Walter Kirchschläger, einmal mehr auf die Fundamente unserer Kirche. Leben und Strukturen einer neuen Kirche skizzierte der Fundamental- und Pastoraltheologe, Paul Weß.

Niemand kann sich auf ein Recht berufen, andere von der Mitbestimmung auszuschließen. Da jeder Mensch frei und daher keiner des anderen Vormund ist, ist die Demokratie die einzige der Würde des Menschen wirklich entsprechende Regierungsform. So begründete Köck die Notwendigkeit demokratischer Strukturen in der Kirche. Leonard Swidler aus den USA, Schöpfer einer ersten alternativen Kirchenverfassung in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, legte Wert auf Subsidiarität, Repräsentanz und Schriftlichkeit einer neuen Kirchen-Verfassung. Daniel Kosch, Generalsekretär der römisch katholischen Zentral-konferenz der Schweiz, begründete die Begrenzung der Macht biblisch. Der Kirchenrechtler Wilhelm Rees trat für faire Verfahren auch im Verwaltungsrecht der Kirche ein.

Mit der Aussage, die hierarchische Struktur der Kirche sei kein göttliches sondern ein menschliches Element, berief sich der Dogmatiker Gotthold Hasenhüttl auf das Zweite Vatikanische Konzil. Auch religiöse Wahrheit könne weder von einer Mehrheit noch von einer Minderheit festgelegt werden. Sie entscheide sich einzig im Glaubensvollzug. So sieht Hasenhüttl auch die Kompetenz, Kirchenstrukturen festzulegen, bei der Glaubensgemeinschaft. Erst wenn diese ihre Erfahrungen reflektiert, kann sie zu einer größtmöglichen Übereinstimmung kommen, die dann in der Lage ist, eine gültige Wahrheit in der jeweiligen Zeit zu beschreiben.

Weitere Aussagen namhafter Theologen zu demokratischen Strukturen und Mitbestimmung in der katholischen Kirche sind auf einer DVD festgehalten, die über www.wir-sind-kirche.at bezogen werden kann.

Zu danken ist allen, die an der Vorbereitung der Tagungen mitgewirkt haben, den Referenten, die Ihre Manuskripte für das Buch zur Verfügung stellten, den Reformgruppen, welche die Tagungen mitgetragen haben, dem Bildungshaus Batschuns für seine Entschiedenheit, die Kirchenvolks-Konferenz bei sich aufzunehmen, allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihre Beiträge sowie der Lektorin des Tyrolia Verlags, Frau Brunhilde Steger, und dem Verlag TOPOS. Und natürlich Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, für Ihr Interesse am Thema und hoffentlich auch für Ihre Unterstützung.

Innsbruck/Wien im Mai 2011

Dr. Martha Heizer und Hans Peter Hurka

Autorenverzeichnis:

Walter Kirchschläger, Univ.-Prof. für Exegese des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern, deren Gründungs-Rektor er war. Neben seinem Studium bei Jacob Kremer in Wien war er erster Laien-Zerimonär bei Kardinal Franz König. Er ist verheiratet und hat mit seiner Frau Heidi vier Kinder.

Paul Weß, promovierter Philosoph und Theologe, Dozent am Institut für Praktische Theologie der Universität Innsbruck. Seine zukunftsweisende und ausgeprägte Gemeindetheologie konnte er als Priester mit den Gemeinden in der Wiener Pfarre Machstraße entwickeln.

Heribert Franz Köck, emer. Univ.-Prof. für Völkerrecht und Europarecht an der Johannes Kepler Universität in Linz. Er war Nuntiatur-Berater und hat die Kirche auch bei internationalen Konferenzen vertreten. Köck ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

Leonard Swidler, Universitätsprofessor für Catholic Thought & Interreligious Dialogue Religion an der Temple Universität in Philadelphia und Autor des ersten amerikanisch-europäischen Entwurfs für eine neue Kirchenverfassung.

Gotthold Hasenhüttl, em. Univ.-Prof. für Systematische Theologie an der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes. 2003 wurde er vom Priesteramt suspendiert, nachdem er beim Ökumenischen Kirchentag im Rahmen einer Eucharistiefeier in der evangelischen Gethsemanekirche in Berlin auch evangelische ChristInnen zur Kommunion einlud.

Daniel Kosch, promovierter Theologe, ist Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz mit Sitz in Zürich.

Wilhelm Rees, Univ.-Prof. für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.