Gottes starke Töchter. Frauen und das Amt im Katholizismus

Ein Tagungsbericht aus Leipzig von Marlies Prinz; 20.9.2023

Leipzig ist eine Stadt mit Geschichte. Einerseits ist sie Bach-Stadt, andererseits, und das ist hier wohl von größerer Bedeutung, wurde ausgehend von der Nikolaikirche im Herzen der Stadt 1989 durch die Montagsdemonstrationen das Ende der DDR miteingeleitet. Leipzig, also eine Stadt mit Revolutionsgeschichte. Durchaus ein passender Ort für eine Tagung mit dem Titel „Gottes starke Töchter“.

Als „kleine feministische Weltsynode“ bezeichnete Prof. Dr. Ute Leimgruber (Regensburg) unsere Tagung gleich zu Beginn. Über 500 Menschen, die am 18. und 19. September teils digital, teils analog in der katholischen Propstei St. Trinitatis in Leipzig, zusammen waren, um über ein Thema zu sprechen, das beschäftigt, wütend und traurig macht und oft auch einfach nur Unverständnis auslöst: Die Rechte von Frauen und deren (Nicht)Umsetzung in der katholischen Kirche.
Während Bischof Peter Kohlgraf eine Videobotschaft zur Eröffnung schickte, waren aus der ganzen Welt, aus Afrika, Nord- und Südamerika, Asien und den verschiedensten Ländern Europas Theolog*innen und Personen des kirchlichen Umfeldes angereist, um an Rednerpult und Podium ihre Einschätzungen und Erfahrungen zu Frauen und dem Amt im Katholizismus mit den Teilnehmenden zu teilen.

Starke Sätze ortete die Erfurter Dogmatikprofessorin und Mit-Initiatorin der Veranstaltung Dr. Julia Knop bei der Moderation des Plenums am ersten Abend, etwa als Dr. Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, sagte: „Jetzt heißt es immer, die Frauenfrage sei wichtig – das glaube ich auch, aber ich merke: Ich möchte nicht mehr Frage sein. Ich bin Teil der Antwort und ich bin da.

Starke Sätze auch bei den anderen Beiträgen und Gesprächsrunden: Der Kommentar aus dem Chat des digitalen Raumes – „Neue Ämter schaffen hat nichts mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun“ – erntete in Leipzig Spontanapplaus und Renata Asal-Steger, Präsidentin der römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, stellte klar: „Gleichberechtigung gibt es weder in Raten noch portionsweise. Entweder es gibt sie oder es gibt sie nicht.
Auch das Verhältnis Frauen-Männer kam zur Sprache: „Frauenworte brauchen keine männliche Zunge“, sagte etwa Regina Franken-Wendelsdorf vom Catholic Women’s Council und Tatjana Disteli, die die Schweiz als Delegierte bei der Kontinentalversammlung in Prag vertreten hatte, hob hervor: „Wir sind nicht komplementär zum Mann. Wir sind eigenständig.

Es wurde klar, was auch offen ausgesprochen wurde: „Wir Frauen sind keine homogene Gruppe“. Aber nichtsdestotrotz waren sich die Anwesenden einig, dass die strategische Diskriminierung und Ungleichberechtigung immerhin der Hälfte der gesamten Menschheit auf keinen Fall eine Zukunft haben dürfe. „Wir sind viele!“, betonte Sr. Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen und Sr. Prof. Dr. Caroline Mbonu aus Nigeria legte drauf: „We are the church. Not half of the church.

Doch wie die aktuelle Situation ändern? Immer wieder kam das Gespräch auf die Weltsynode, wurde von bisherigen Etappen, Kontinentalversammlungen auf allen Kontinenten und Erwartungen für die Versammlung in Rom gesprochen.
In Prag hat man sich so oft zur Einheit bekannt, dass schon das verraten hat, wie prekär die Lage ist“, schilderte Prof. Dr. Regina Polak aus Wien ihren Eindruck als österreichische Delegierte von der europäischen Kontinentalversammlung im Februar und Sr. Prof. Dr. Ana Thea Filipovic aus Kroatien betonte die in Prag deutlich gewordenen Unterschiede innerhalb Europas – zwischen dem Osten und dem Westen.
Sr. Nathalie Becquart, die Untersekretärin der Bischofssynode, stellte in ihrem überraschenden Grußwort aus Rom zu Beginn des ersten Tages die Frage: „How can we better journey together to become a more synodal church?“ und sprach von einem „listening together to the diversity of voices“.
Hoffnung im Hinblick auf die Weltsynode kam aber vor allem dann auf, wenn daran gedacht wurde, dass einige Personen, die als Delegierte und Expert*innen in Rom sein würden, auch bei dieser Tagung in Leipzig anwesend waren und die nun Zeugnisse aus aller Welt hörten, die einmal mehr klar machten: Das „Frauenthema“, die Forderung nach Gleichberechtigung in allen Ämtern, ist nicht nur ein deutsches, österreichisches oder mitteleuropäisches Phänomen. Nein, weltweit kämpfen Frauen in der katholischen Kirche für ihre Rechte. Denn, wie Prof. Dr. Johanna Rahner aus Tübingen klar machte: „Frauenrechte sind Menschenrechte und nicht teilbar!

An theologischen Äußerungen mangelte es bei der Fülle an Theologieprofessorinnen nicht, doch auch Platz für Gefühle war da; Platz, den Sr. Dr. Katharina Ganz generell für diese Debatte eindringlich einforderte: „Wir sind verwundbar als Menschen, und Struktur und individuelle Macht verletzen.
Einigen standen Tränen in den Augen, als von teils hochdramatischen Situationen von Frauen in Teilen der Welt berichtet wurde: Gewalt, Missbrauch, Mord!
Es gab Raum für Betroffenheit, als Dr. Nontando Hadebe aus Südafrika mit einer Art schauspielerischer Einlage demonstrierte, dass Frauen in Afrika oft zu Unrecht nur als schweigend, wartend wahrgenommen werden. „That’s not the reality!“, betonte sie.
Einen besonderen Höhepunkt bildete auch das ökumenische Friedensgebet in ebenjener Nikolaikirche, die 1989 eine so bedeutende Rolle bei der Revolution innehatte. Unter anderem Landesbischöfin a.D. Ilse Junkermann von der evangelischen Kirche und Dr. Beate Gilles teilten persönliche Gedanken zu Frieden, Widerstand, Kirche und Frauen und Teilnehmerinnen der Tagung aus allen Kontinenten trugen Fürbitten vor. „Möge Gott euch mit Wut segnen bei Ungerechtigkeit, Unterdrückung, und Ausbeutung von Menschen, damit ihr arbeiten könnt für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden“, bat etwa Dr. Nontando Hadebe. Ein Gebet, das sicher in Erinnerung bleiben wird.
Doch auch Lachen und Spaß kamen nicht zu kurz. Um dem Social-Media-Gerücht vorzubeugen, es seien doch nur ältere Personen in Leipzig anwesend, wurde kurzerhand ein Foto mit allen „Jungen“ gemacht und (apropos Social Media – wer den verkündeten Hashtag #GST23 auf Instagram eingab fand nicht nur Ankündigungsplakate der Tagung, sondern auch viele, viele Mountainbikefotos...). Für einige Lacher sorgte auch eine kurze „Diskussion“ um den Charme österreichischer und deutscher Theologie und der widerspenstige Mikrofonständer am Ende der Tagung brachte den Saal einmal mehr zum Schmunzeln.

Es waren zwei intensive Tage, mit neuen und alten Begegnungen, bedrückenden und hoffnungsvollen Gesprächen. Alle Fragen konnten nicht geklärt werden, der Wunsch nach weiterer Vernetzung stand stark im Raum. Was auf jeden Fall bleibt, ist die einigende Forderung nach Diskriminierungsfreiheit und Gleichberechtigung in unserer Kirche. „Die katholische Kirche soll ein breites Dach werden“, forderte Tatjana Disteli am Ende und Dr. Thomas Arnold, Direktor der katholischen Akademie Dresden-Meißen, schloss seine Abschlussmoderation mit den Worten: „Gottes Segen am Weg in die Freiheit!