Was Kirche von der Polizei lernen kann

von Harald Prinz
Foto: Christoph Huemer; Da und dort tragen zu Fronleichnam Pastoralassistentinnen das Allerheiligste – auch schon ein Fortschritt.

Fronleichnam war immer schon ein Fest für die Augen: Die schön geschmückte Monstranz, der kunstvoll drapierte Himmel, die Erstkommunionkinder, die Goldhauben, … Und heuer mitten darunter bzw. gleich daneben: eine tätowierte Polizistin, die für unser aller Verkehrssicherheit sorgte. Ihr Anblick löste in mir zwei Gedanken aus: zum einen, dass da früher keine Frau in Polizeiuniform gestanden wäre und zum anderen, dass sichtbare Tätowierungen auch bei der Polizei bis vor kurzem noch verboten waren. Aber war es nicht wunderbar, dass diese Polizistin so, wie sie war, ihren Dienst für uns versehen und für unsere Sicherheit sorgen konnte? Weder ihr Geschlecht noch ihre Tätowierung erwies sich als hinderlich für ihren Dienst. Gut, dass sie da war; gut, dass sie da sein durfte! Und als Kirchenmensch begann ich auf einmal die Polizei ob ihrer Fähigkeit zur eigenen Weiterentwicklung zu beneiden: Der mangelnde Polizeinachwuchs hatte folgerichtig dazu geführt, dass sinnlose Zulassungsbedingungen über Bord geworfen und bestehende Regeln geändert wurden. Mit guten Ergebnissen und schönen Erfahrungen, von denen ich jetzt zu Fronleichnam also selbst eine machen durfte. Und etwas schwermütig kam in mir die Frage hoch: Wann würde bei uns in der Kirche da etwas weitergehen? Wann würde es bei uns so weit sein, dass eine Priesterin - mit oder ohne Tätowierung – zu Fronleichnam das Allerheiligste tragen würde?!

Dabei ist der Priestermangel in der Kirche sicherlich nicht weniger gravierend als der Personalmangel bei der Polizei. Die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt sind dennoch seit Jahrhunderten starr und einzementiert, und es scheint, dass es für die Kirche da nichts zu hoffen gibt. Dass ein Pfarrer vier oder fünf Gemeinden zu betreuen hat, ist schon fast nichts Besonderes mehr. Aber hat man schon einmal gehört, dass ein/e Polizist/in vier oder fünf Zebrastreifen gleichzeitig überwachen soll?

Da frage ich mich doch, wie wenig ernst sich die Kirche selbst nimmt: Gemahnt es nicht an Selbstaufgabe, wenn man einem Dienst, den man als unentbehrlich darstellt, nicht den Nachwuchs sichert?! Und müsste man sich nicht Sorgen machen, dass sich die Dinge verselbständigen, wenn das, was man als unentbehrlich betrachtet, nicht mehr gegeben ist? Auf alle Fälle scheint mir die Tatsache, dass rundum die Freikirchen wie Schwammerl aus dem Boden wachsen, auch damit zusammenzuhängen, dass sich die Kirche aufgrund des sogenannten Priestermangels in immer größeren Einheiten organisiert und persönliche Seelsorge bei uns bald mehr die Ausnahme als die Regel ist.

Und wieder einmal drängt sich in aller Deutlichkeit die Frage auf, warum die Kirche aus ihrer selbst gebauten Sackgasse nicht endlich ausbricht, indem sie Frauen als Priesterinnen willkommen heißt und den Zwangszölibat abschafft. Oder aber sich an ihren eigenen Ursprüngen im 1. und 2. Jahrhundert orientiert, als es noch gar keine Priester im heutigen Sinn gab und die Kirche ohne dieses Amt recht gut ausgekommen ist. Warum sollten wir uns nicht an diesen Ursprüngen ausrichten und in dieser Tradition eine Kirche ohne Kleriker anvisieren, wenn die Kirche mit Klerikern so offensichtlich gegen die Wand fährt?!

Fest steht auf alle Fälle, dass die Sache Jesu zu wertvoll ist und dass es auch an der Kirche zu viel Gutes gibt als dass man sie wegen eines nachrangigen Problems, wie es der Mangel an zölibatsbereiten Männern darstellt, der Selbstaufgabe überlassen dürfte. Und so blickte ich bei unserer Fronleichnamsprozession also durchaus mit Neid und Bewunderung auf die erwähnte Polizistin mit ihren Tattoos und wünsche mir seither, meine Kirche würde ähnliche Courage zur Selbstentwicklung zeigen wie unsere Polizei.

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Foto (von Christoph Huemer): Da und dort tragen zu Fronleichnam Pastoralassistentinnen das Allerheiligste – auch schon ein Fortschritt.