Zum Abschlussbericht der Ersten Sitzung der Welt-Bischofssynode (4.-29. Oktober 2023) „Auf dem Weg zu einer synodalen Kirche in der Sendung“
1. Abstimmungen bei der Weltsynode
Gebetsmühlenartig haben wir von Wir sind Kirche in den letzten Jahren wiederholt, dass wir Stimmrechte fordern – auch für Männer und Frauen ohne Priesterweihe, auch in den obersten Entscheidungsgremien unserer Kirche. Dazu ist ein Schritt gemacht, vielen noch zu klein, beileibe kein Sprung, aber immerhin. Endlich haben auch nicht-geweihte Menschen bei dieser Synodenversammlung mitgestimmt. Insgesamt waren 344 Menschen stimmberechtigt, darunter 70 Nicht-Kleriker, unter ihnen 50 Frauen. Hat eine solche Minderheit überhaupt eine Chance?
Über all die heißen Themen wurde noch nicht endgültig abgestimmt. Es ging lediglich um die Bereitschaft, über sie nachzudenken, sie zu diskutieren und zu bearbeiten. Man hat also nur die Themen gesichtet, auf den Tisch gelegt, was verändert werden sollte, entschieden wird im nächsten Oktober. Das ist für viele enttäuschend, war aber durchaus vorhersehbar. Dass der Widerstand, sich tatsächlich damit auseinanderzusetzen, so gering ist, war nicht zu vermuten. Möglicherweise haben doch einige der anwesenden Bischöfe an diesen runden Tischen Dinge gehört, die sie nachdenklich gestimmt haben. Gott sei Dank hatten auch viele von ihnen schon vorher darüber nachgedacht und sind dabei zur Überzeugung gekommen, dass an Veränderungen und einer Erneuerung der Kirche kein Weg mehr vorbeiführt.
Insofern sind die bisherigen Abstimmungsergebnisse schon interessant.
Über alle 270 Unterpunkte wurde einzeln abgestimmt. Auch die Abstimmungsergebnisse wurden durch den Vatikan veröffentlicht. Jeder der Punkte erhielt demnach eine deutliche Mehrheit. Werfen wir einen Blick auf jene Punkte, bei denen es Widerspruch gab – allerdings nie genug davon, um die nötige Zweidrittelmehrheit zu gefährden! Wie intensiv war dann dieser Dissens?
Am meisten Ablehnung erfuhr das Kapitel über die Position der Frauen in der Kirche und Überlegungen zur Öffnung des Diakonenamtes für Frauen. Von den 344 stimmten 69 Delegierte dagegen, dass der Zugang von Frauen zum diakonischen Dienst „geprüft“ werden soll. Mehr als 80 Prozent der stimmberechtigten Teilnehmer hatten jedoch auch hier positiv abgestimmt. (Dabei bin ich gar nicht sicher, ob ich nicht auch dagegen gestimmt hätte: dieses jahrzehntelange „Prüfen“ einer einfachen Frage, die noch dazu durch die Tradition eindeutig geklärt ist, geht mir entsetzlich auf die Nerven! Es braucht in Wahrheit keine Prüfung mehr!)
Dass über den Zölibat beraten werden müsse, sagten 289 der 344 Delegierten, nur 55 stimmten dagegen.
53 stimmten gegen den "Vorschlag", auch Priester, die aus dem Dienst aus welchen Gründen immer ausgeschieden sind, in pastorale Dienste zu integrieren und ihre Ausbildung und Erfahrung anzuerkennen.
In Kapitel 15: „Kirchliche Urteilsbildung und offene Fragen“ wehrten sich 39 dagegen, dass überhaupt andere als die bisherigen Sichtweisen in den Blick genommen werden. Das betraf Fragen der Identität und der Sexualität, Fragen zum Ende des Lebens, zu komplizierten Ehesituationen und die „ethischen Fragen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz", die von der überwiegenden Mehrheit alle als „kontrovers" definiert wurden. Für den „Vorschlag", durch den eine „gemeinsame Einsicht" im Rahmen der weiteren Beratungen erhofft wird, gab es 36 „Nein"-Stimmen.
Und in Kapitel 18: „Strukturen für die Partizipation“, wollten nur 35 nicht einmal darüber diskutieren, ob „getaufte Männer und Frauen, die in komplexen Situationen der Liebesbeziehung leben" vielleicht doch in diözesanen Gremien arbeiten dürften.
Was heißt das nun?
Für Wir sind Kirche ist es sehr erfreulich, dass nun genau die Forderungen, die wir von fast 30 Jahren im Kirchenvolks-Begehren aufgestellt hatten, sich nun als die zentralen Erneuerungs-Themen weltweit herausgestellt haben. Es stimmt uns schon wehmütig, dass alles viel schneller hätte gehen können, möglicherweise sogar ohne den riesengroßen Imageverlust unserer Kirche. Dennoch überwiegt nun unsere Freude, dass sich der lange Atem gelohnt hat. Es hat Sinn gemacht nicht aufzugeben.
Wir haben noch knapp zehn Monate Zeit, unsere Überzeugungsarbeit zu intensivieren. Das wird eine Knochenarbeit, ist aber nicht hoffnungslos. Wir fangen nicht am Nullpunkt an. Was wir bisher an Bewusstseinsbildung geleistet haben, hat ja schon Früchte getragen, schon lange an der Basis, aber immer häufiger auch in der Kirchenleitung.
Ein Rest an Skepsis bleibt, logischerweise. Es ist etwas anderes, zuzustimmen, dass über ein Thema geredet wird, als dann endgültig zuzustimmen, dass etwas verändert wird. Aber das lässt uns nicht resignieren. Wir wissen, dass große Teile des „Kirchenvolkes“ auf der ganzen Welt hinter unseren Forderungen stehen und dass die Forderungen der ReformerInnen mitnichten nur die Kirche in Europa und Amerika betreffen. Wenn die Bischöfe tatsächlich mehrheitlich nicht zustimmen werden, verabschieden sie sich von der viel zitierten Weltkirche. Dann kann man nur sagen: „Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter.“
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2. Appell an unsere Bischöfe
Meng hätt‘ i scho wolln, oba derfa hob i mi net traun“ (Karl Valentin)
(Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen hab‘ ich mich nicht getraut.)
Ich habe die Punkte 18 „Partizipative Gremien“ und 19 „Kirchliche Zusammenschlüsse in der Gemeinschaft der Gesamtkirche“ in Teil III sehr genau gelesen. Dabei bin ich auf einen besonders spannenden Absatz gestoßen:
g) Wir halten eine weitere Vertiefung des lehrmäßigen und rechtlichen Charakters der Bischofskonferenzen für notwendig, indem wir die Möglichkeit eines kollegialen Handelns auch in Bezug auf Fragen der Lehre, die sich im lokalen Bereich ergeben, anerkennen und damit die Reflexion über das Motu proprio Apostolos suos wieder aufnehmen.
Hört, hört! Damit kann eine Bischofskonferenz tatsächlich auch über Fragen der Lehre entscheiden (immerhin sind die Möglichkeiten in „lehrmäßiger“ und „rechtlicher“ Hinsicht anzuerkennen!). Und an anderer Stelle heißt es, dass Männer und Frauen ohne Priesterweihe in den Gremien mitentscheiden müssen. Das ist eine sehr deutliche Stärkung der Befugnisse einer Ortskirche und aller durch die Taufe Geweihten! Das heißt auch, der Synodale Weg in Deutschland kann durchaus selbständig entscheiden und muss nicht wegen jeder Kleinigkeit in Rom um Erlaubnis fragen. Das macht auch die Linie wieder deutlich, die wir bei Franziskus von Anfang an wahrgenommen haben: Er will Dezentralisierung und ein Ende des monolithischen Klerikalismus. Er will die Ortskirchen selbständiger machen.
Auch die österreichische Bischofskonferenz hätte damit mehr Möglichkeiten, als sie sich zutraut. Jetzt müsste sie sich nur noch auf die Suche nach ihrem Mut machen.
Was hindert euch noch, ihr Bischöfe, auf das zu hören, was „sich im lokalen Bereich ergibt“ – und darauf endlich tatkräftig zu reagieren? Ich weiß, ihr argumentiert damit, dass sich die Basis ja nicht einig ist, dass es fundamentalistische und entgegengesetzte reformerische Gruppierungen gibt, dass ihr euch um Einheit bemüht – und damit entschuldigt ihr dann euer Nichtstun. So seid ihr damit zufrieden, zwischen zwei Stühlen auf dem Boden zu sitzen. Es ist euch aber schon klar, dass eure eigene theologische Expertise gefragt ist, eure eigene Überzeugung, euer Gewissen? Von Mehrheitsverhältnissen will ich gar nicht reden, diesbezüglich gibt es eine empfindliche Reserviertheit in Kirchenleitungskreisen! Wir haben vor fast dreißig Jahren schon deutlich gemacht, was die Menschen in der österreichischen Kirche bewegt und betrübt und was erneuert werden muss (505 000 Menschen haben das Kirchenvolks-Begehren unterschrieben!), und all die Zeit habt ihr euch nicht getraut, mit uns zu reden, geschweige denn mutige Schritte zu setzen. Wo ist euer Mut geblieben?
Jetzt ist die Zeit!!
Ihr würdet euch auf die Seite der Weltkirche stellen!