Heute habe ich vom Tod Peter Paul Kaspars erfahren. Das berührt mich und meine Gedanken kreisen schon seit Stunden um meine Erinnerungen an ihn.
Kennengelernt habe ich ihn persönlich beim Katholischen Akademikerverband Österreichs. Als ich das erste Mal zu einer Sitzung kam und die meisten anderen nicht kannte, kam er mit großer Freundlichkeit auf mich zu, begrüßte mich (wusste, wer ich bin) und gab mir das Gefühl, willkommen und erwünscht zu sein.
Und dann kam die „Affäre Groer“ und unser Kirchenvolks-Begehren. Paul war einer der ersten, die sich für unser Unternehmen engagierten, mit hohem Interesse und großer Unterstützung. Er war es auch, der das erste Buch zum Kirchenvolks-Begehren schrieb: „Das Schweigen des Kardinals – und das Begehren des Kirchenvolks“ (1995!). Es beinhaltet eine Darstellung der Ereignisse und seine eigene Interpretation. Dabei erwies sich, wie lange er sich schon eingesetzt hatte für eine Kirchenreform. Seine Analyse bewies klaren Durchblick:
„Die ‚Causa Groer‘ und das österreichische Kirchenvolks-Begehren im Frühjahr 1995 verhalten sich zueinander wie Frage und Antwort. Das eine Ereignis wird sich ohne das andere nicht verstehen lassen: Der große Kirchenskandal mit den Vorwürfen früheren sexuellen Kindesmissbrauchs gegen einen Kardinal-Erzbischof und die überraschende „Volkserhebung“ der an Gehorsam und Unterordnung gewohnten Katholiken Österreichs ereignen sich im Fadenkreuz von Eros und Macht – im Problemfeld von Sexualität und Autorität. In bisher ungewohnter Offenheit stehen seither die Fragen der kirchlichen Sexualmoral, des Zölibats, der Frauenordination, der angstmachenden Verkündigung und des diktatorischen Herrschaftssystems einer Kirche zur Debatte, die sich von den Weisungen Jesu allzu weit entfernt hat. Wird die katholische Kirche die Kraft zur Selbstreinigung und zur inneren Reform besitzen – oder geht sie den Weg aller machthungrigen und sendungsvergessenen Hierarchien?“ (S 9).
Nun, wir wissen, wie es weitergegangen ist. Die Reformresistenz der „machthungrigen Hierarchie“ hätten wir in diesem Ausmaß nicht vermutet. Andererseits sehen wir heute, fast 30 Jahre später, dass all die Fragen, die wir damals aufgerufen haben, die Spitze der Weltkirche erreicht haben und dass sie bearbeitet werden, durchaus noch mit großem Gegenwind, aber immerhin. Sie können nicht mehr totgeschwiegen werden.
Schon bei unserem ersten „Herdenbrief: Liebe Eros Sexualität“ hat er sich mit einem Beitrag beteiligt (S 225 – 247) und er hat jahrelang Beiträge geschrieben für unsere „Wir-sind-Kirche-Zeitung“.
Paul und ich haben uns in all den Jahren immer wieder getroffen. Mich mit ihm zu unterhalten, war immer wie ein „seelisches Fußbad“, anregend, motivierend, heiter, wohlwollend, auch beruhigend. Er hat mich immer aufgebaut, wenn ich der Resignation nahe war.
Bei einem unserer letzten Telefonate hat er mir erzählt, er habe jetzt aufgehört zu predigen. „Die Leute machen mich drauf aufmerksam, dass ich mich immer wiederhole.“ Was für eine Einschränkung für den fantastischen Prediger – und was für ein Verlust für seine Zuhörer*innen.
Dann ist es ruhig geworden um ihn.
Ich glaube, dass der Himmel für ihn voller Musik ist.