Stellungnahmen zum Ende der Welt-Bischofssynode zur Synodalität (4. – 29. Oktober)

Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak spricht mit Blick auf die Weltsynode von einem epochalen Schritt". Ich sehe da einen Gesinnungswandel und ein Selbst-Commitment zur Veränderung", sagte sie im ORF-Religionsmagazin Orientierung" Mit der Weltsynode finde ein Wandel statt, wie man in der Kirche zu Entscheidungen komme. Aber: „Es sind alle Themen aus den Kontinental-Synoden drinnen", sagte Polak über das mit klaren Mehrheiten beschlossene Schlusspapier. Es handle sich daher auch um ein Bekenntnis, daran wirklich weiterzuarbeiten". Die Theologin verwies u.a. auf Empfehlungen für ganz konkrete Maßnahmen, etwa bei der Auseinandersetzung mit Missbrauch, im Dialog mit Kulturen und anderen Religionen oder auch zur Weiterarbeit an der Frage eines Diakonats für Frauen bzw. bei der Sexualmoral unter Einbeziehung der Humanwissenschaften. Entscheidend sei, dass nun in einem zweiten Schritt die Zeit der Unterscheidung folgt. […] Der springende Punkt ist: Wird es gelingen, diese Erfahrung, die die Bischöfe dort gemacht haben, jetzt auch in den einzelnen Diözesen in der Ortskirche nachvollziehbar zu machen und die entsprechenden Strukturen zu schaffen, dass auch hier wirklich alle einbezogen werden - und vor allen Dingen auch die theologische und die geistliche Unterscheidung fortgeht, damit 2024 Entscheidungen kommen müssen." (kap v. 29. 10.)

Über den Wunsch der Welt-Bischofssynode nach einer gründlichen Überarbeitung der römisch-katholischen Sexualethik: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing hat in einer Pressekonferenz in Rom diesen Wunsch als großen Schritt für die Weltkirche" bezeichnet: „Wenn die Synode sagt, dass bisherige Formulierungen in der kirchlichen Lehre vom Menschen hier nicht mehr ausreichen, und dass sie sich an diesem Punkt, auch mit Unterstützung aus der Wissenschaft, weiter bewegen muss, dann ist das ein enormer Schritt nach vorne.“ (kap v. 29. 10.)

Helena Jeppesen-Spuhler hofft in ihrem domradio.de-Interview auf mehr Initiative der Ortskirchen. Sie war eine der wenigen stimmberechtigten Frauen bei der Weltsynode in Rom. Die Schweizerin verlässt die Ewige Stadt mit gemischten Gefühlen. Sie hofft in ihrem domradio.de-Interview auf mehr Initiative der Ortskirchen: „Als es [in der Welt-Bischofssynode] um die Frage nach der Rolle der Frau ging, war das der stärkste Moment dieser Synodenversammlung. Da gab es sehr viel Zustimmung, natürlich nicht nur von den Frauen und den Laien, sondern auch von Kardinälen und Bischöfen, die sich für die Gleichberechtigung der Frau ausgesprochen haben. […] Den Schritt in Richtung dezentraler Lösungen finde ich stark. Dann die Gewaltenteilung, die mehrere Male genannt wurde, also die Kontrolle der Macht der Bischöfe. Die ist wichtig in Bezug auf den Missbrauch. Das war uns ein besonders starkes Anliegen und es ist erstaunlich gut in der Versammlung aufgenommen worden – das Anliegen, dass es strukturelle Veränderungen geben muss zur Kontrolle der Macht. […] Aber ich denke, wir kommen da [ in der LGBTQ+-Frage P.W.] in der Weltkirche nicht zu einer gemeinsamen Lösung, sondern da müssen wir dezentrale Lösungen finden. […] Das ist für mich das wichtigste Signal dieser Synode. Der Ball geht zurück an die lokalen Kirchen, und da muss gearbeitet werden für partizipative Strukturen und eine stärkere Stellung der Frau. Da kann schon im bestehenden Kirchenrecht viel gemacht werden und das muss man voll ausnutzen. Nächstes Jahr kommen wir dann hoffentlich zum Entscheiden. […] Die Praxis verändert etwas. Wir sollen nicht immer auf den Vatikan und auf das Ja von Rom warten, sondern bei uns vor Ort mutig vorangehen. (domradio.de v, 29. 10.)

Zur Ehrlichkeit und Offenheit der Welt-Bischofssynode: Dass sie auch Veränderungen angestoßen hat, haben einige Deutsche Bischöfe im Anschluss an die Synode gewürdigt. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz standen sie den Journalisten Rede und Antwort: Bei den Synodenarbeiten sei „ein großer Schritt vorwärts“ getan worden, so Bischof Georg Bätzing mit Blick darauf, dass auch kontrovers diskutierte Punkte wie der Umgang mit der Sexualmoral der Kirche und die Rolle der Frauen offen angesprochen und im Abschlussdokument mit einer Formulierung aufgelistet wurden, die eine deutliche Mehrheit der Stimmberechtigten mittragen konnte. Bei der Frage der Sexualmoral in der römisch-katholischen Kirche wird in dem Text darum gebeten, das Thema mit Geduld weiter zu studieren. „Ich finde, das ist ein enormer Schritt nach vorne“, so Bischof Bätzing, der im Einklang mit Bischof Stefan Oster von Passau betonte, dass eine „überwältigende Mehrheit einer Weltkirche diese Formulierung für sich gewählt und sich zu eigen gemacht hat. Das ist ein großer Schritt für die Weltkirche“. Auf ehrliche Weise habe die Synode die Fragen des Volkes Gottes, die auch in der deutschen Kirche gestellt würden, „auf den Tisch gelegt“, so Bätzing. „Die Frage der Partizipation von Menschen an Entscheidungen in der Kirche, die Frage der Frauen und ihrer echten Beteiligung in der Kirche, die Frage von geschlechtlicher Identität und Orientierung." Er hob hervor, dass es gelungen sei zu formulieren, „dass der Missbrauch in der katholischen Kirche strukturelle Ursachen hat". Insbesondere das Kapitel, in dem die Rolle der Frauen in der Kirche behandelt wurde, stach für Bischof Oster im Vergleich mit den anderen Kapiteln mit relativ vielen Gegenstimmen hervor. Zwar sei das Thema der Rolle von Frauen in der Kirche „überall relevant“, der Themenkomplex „Priestertum der Frauen“ sei allerdings in den Beratungen kaum aufgekommen. Es sei vor allem um das Thema des Diakonats gegangen. Der Luxemburger Synoden-Berichterstatter Kardinal Jean-Claude Hollerich sagte: „Der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus, die Situation der Weltkirche unterschiedlich wahrzunehmen“ war wichtig. Bätzing zeigte sich zufrieden, dass die Synode auch ehrlich gewesen sei, weil in manchen Fragen nicht durchgehend Einigkeit herrschte: „Vielmehr haben wir sehr gut formuliert, wo wir miteinander unterwegs sind, wo es Gemeinsamkeiten gibt, wo es Unterschiede gibt, wo es weitere Fragen und Klärungsaufträge gibt.“ Dies alles sei im Synodendokument festgehalten. Für Bischof Felix Genn von Münster sei es „eine reiche Erfahrung“ gewesen, weil er erlebt habe, dass Menschen aus der ganzen Welt „ernsthaft an Fragen“ arbeiteten, die „auch wir selber kennen“. Für Bischof Bertram Meier aus Augsburg stand vor allem die Erfahrung der Internationalität der römisch-katholischen Kirche im Vordergrund. Man habe nicht nur in der Aula, sondern auch außerhalb kontrovers Themen diskutiert: „Die Themen, die wir gerade in Deutschland auf dem synodalen Weg auf dem Tisch haben, liegen also nicht nur in den Schreibtischen der Kurie, sondern sie kamen auf den Tisch. Ich fand es für römische Verhältnisse gut und ehrlich, wie wir in den vergangenen vier Wochen auch über kontroverse Themen diskutiert haben“, so Meier. Für den Essener Franz-Josef Bischof Overbeck gehe es mit Ausbruch des Krieges im Heiligen Land „schlicht und ergreifend um Zeichen der Zeit“. (vn v. 29. 10.)

Für Synodenteilnehmer Prof. Thomas Söding ist durch die Weltsynode mehr geschafft worden als angenommen. Die Probleme seien erkannt worden, sagte der Professor für Neutestamentliche Exegese an der Universität Bochumim im Interview mit domradio.de: „Das war heute noch mal ein richtig harter Tag. Stundenlang wurde dieser Text [Abschlussdokument P. W.] vorgelesen, der vorher mühsam erarbeitet worden war. Aber ich sage ‚Ende gut, alles gut‘. So weit wie heute konnte die katholische Kirche - Stand 2023 - kommen. Und jetzt geht der synodale Weg weiter. […] Die katholische Kirche hat weltweit verstanden, dass sie mit diesem Beharren auf dieser ganz festen bischöflichen Autorität nicht weiterkommt, sondern dass dies ein Teil des Problems und nicht ein Teil der Lösung ist. Ja, wir brauchen ein starkes Bischofsamt, aber starkes Bischofsamt, starke Gemeinden, starke Vertretung, starke Partizipation. Das ist die Botschaft, die von der Weltsynode in Rom ausgeht. Das ist Rückenwind für das, was wir in Deutschland noch vorhaben. Ich bin sicher, dass wir verschiedene Modelle zu erproben haben in der katholischen Kirche und das, was wir in Deutschland jetzt am 10. November mit dem ‚Synodalen Ausschuss‘ beginnen oder neu beginnen und weiterführen. […] Wir sind nicht allein, was die Probleme anbelangt, Gott sei's geklagt. Sexualisierte Gewalt, die systemische Ursachen hat, gibt es weltweit. Das ist auch aufgeschrieben worden. […] Welche Rolle Frauen spielen – auch das ist zum ersten Mal in dieser Öffentlichkeit, in dieser Breite mit dieser Wucht zum Ausdruck gebracht worden. Ja, da sind einzelne Forderungen wieder etwas schwach. […Aber] da bin ich ziemlich hoffnungsvoll, was das Ergebnis anbelangt. Das [=Problembereiche, P. W.] sind so viele, dass man fragen kann, ob sie alle innerhalb eines Jahres seriös beantwortet, gelöst werden können. Aber ich glaube, man muss in die richtige Richtung jetzt gehen. Was fehlt bislang, ist noch mal eine Fokussierung auf zwei, drei ganz entscheidende wichtige Fragen, zu denen es auch taffe Antworten geben muss. […] Es ist wichtig, dass in den Ländern dieses Thema aufgenommen wird, dass wirklich noch mal gesehen wird: Ja, wir haben eine Chance, die Kirche zu erneuern und die müssen wir jetzt nutzen. […Die Synodalität] halte ich tatsächlich für die Schlüsselfrage, weil wir natürlich viele einzelne Themen haben, auf die es neue Antworten geben muss. Aber auch die Art und Weise, wie das geschieht, ist wichtig. Das Problem ist erkannt worden. Das Thema der strukturierten, der organisierten Partizipation findet sich an vielen verschiedenen Stellen dieses Textes, insbesondere unter zweierlei Rücksicht. Einerseits haben die Bischöfe eine Verantwortung, nicht alles an sich zu ziehen, sondern genau diese Prozesse der Beteiligung zu initiieren und damit auch einfach Macht abzugeben und Verantwortung zu teilen. Die andere Seite liegt bei all denjenigen, die sich jetzt für diese katholische Kirche engagieren. Jetzt gibt es neue Möglichkeiten, diese müssen gestärkt werden...“ (domradio.de u. vn v. 30. 10.)

Der Wiener Theologe Paul M. Zulehner zog eine positive Zwischenbilanz der Weltsynode. Mit Blick auf den Bericht zum Abschluss der Vatikan-Synode schrieb er in seinem Blog von einem epochalen Sprung nach vorn". Dies zeige sich, in einer neuen Kommunikationskultur und in einer innerkatholischen Ökumene" mit mehr Befugnissen für Kontinentalversammlungen und Diözesen. „Es war ein Sprung nach vorn, dass in der Synodenaula viele Tische für Kleingruppen standen, an dem Frauen und Männer mit Bischöfen und Kardinälen saßen und auf Augenhöhe miteinander berieten", schrieb Zulehner. Der Zwischenbericht äußere die Hoffnung, dass es im kommenden Jahr gerade in kontinentalen Versammlungen, aber auch in den Ortskirchen neue Impulse zu den offenen Fragen geben werde". Das wäre ein Vorspiel für den wohl bahnbrechenden Erfolg" der Synodenversammlung im Oktober 2024, wenn die kirchlichen Ebenen unter der Zentrale in Rom mit neuen Befugnissen ausgestattet würden. Zulehners Ausblick darauf: „Dann müssten die Kirchen in Afrika nicht mehr der Freistellung des Zölibats in Amazonien zustimmen und osteuropäische Kirchengebiete nicht der Segnung von homosexuellen Paaren." Der Reformstau" in der römisch-katholischen Kirche könnte sich durch eine solche Weichenstellung in Richtung Anerkennung innerkatholischer Vielfalt endlich auflösen". Die Oktober-Versammlung im Vatikan sei eher eine Volk-Gottes-Synode" gewesen, in der nicht nur Bischöfe, sondern Frauen und Männer kraft ihrer Taufe, Sitz und Stimme hatten. Das könne jene Ortskirchen wie die Kirche in Deutschland ermutigen, die eine Art dauerhaftes Kirchenparlament" wünschen und damit Synodalität institutionalisieren. Die hohe Zustimmung der Synodalen zum vorliegenden Text sei dadurch erkauft" worden, „dass viele Fragen nicht gelöst, sondern als weiterhin offen benannt wurden". Das bedeute für das kommende Jahr viel Arbeit. (kap v. 30. 10.)

Die Generalsekretärin der römisch-katholischen Kirche in Aargau, Tatjana Disteli, über die Weltsynode: Sie war Delegierte an der Europäischen Kontinentalsynode in Prag, aber nicht bei der Weltsynode in Rom. Hier Auszüge aus ihrem Interview mit kath.ch: „Die katholische Weltkirche hat drei Schritte vorwärts gemacht. […] Die römische Kurie zeigt heute ein differenziertes Glaubensverständnis und ein Sendungsbewusstsein für die konkrete Gegenwart. Sie schreibt das Zweite Vatikanischen Konzil weiter, indem sie den Glaubenssinn des Volkes einbezieht. […] Zu über 90 Prozent spricht sich die weltweite Versammlung gegen Strukturen aus, die sexualisierte Gewalt fördern, für die Partizipation der Laiinnen und Laien sowie für Transparenz und Rechenschaftspflicht im Bischofsamt. Beinahe ebenso deutlich spricht sie sich für die stärkere Bedeutung der anderen Hälfte der Gläubigen, der Frauen, aus. […] Für die weitere Behandlung des Frauendiakonats stimmten 80,1 Prozent, also deutlich mehr als die nötige Zweidrittelmehrheit, immerhin. Zum anderen hält das Dokument fest, dass sich die Synode gegen den Ausschluss von Gläubigen mit anderer sexueller Orientierung wendet. […] Es freut mich, dass sich damit alle Themen im Abschlussdokument wiederfinden, die das Schweizer Statement in Prag einbrachte. […] Der Brief der Synode an das Volk erwähnt ausdrücklich, dass allen Menschen zugehört werden soll, allen, die in der Gesellschaft kein Recht haben, sich zu äussern oder die sich, sogar von der Kirche selbst, ausgeschlossen fühlen. Das ist der Perspektivenwechsel, die klare Haltungsänderung in Richtung einer neuen glaubwürdigen Kirche. […] Die Synode begann bewusst unter dem Segen des ökumenischen Taizé-Gebets. Die Kirche fühlt sich nachhaltig in einem hohen Masse dem Weg der Ökumene und dem interreligiösen Dialog verpflichtet: […] Die Synode sei sich bewusst, dass der Geist durch Frauen und Männer jeder Religion, jeden Glaubens und jeder Kultur wirkt…“ (kath.ch v. 30. 10.)