Am Weißen Sonntag 2019 hielt der Pfarrleiter Dr. Harald Prinz in der Pfarre Enns - St. Laurenz die nachfolgende Predigt.. Dr. Harald Prinz ist auch Sprecher der Diözese Linz in der Plattform "Wir sind Kirche Österreich".
Liebe Mitchristinnen und liebe Mitchristen!
Das Evangelium der Begegnung zwischen Thomas und dem auferstandenen Jesus ist eine Bibelstelle, die vielleicht kaum wo so gut passt wie bei uns in St. Laurenz, haben wir in unserer Basilika doch das so genannte Auferstehungstor von Peter Dimmel, welches in seiner Mitte genau die Szene zeigt, die am Höhepunkt dieser Evangelienstelle erzählt wird. Für viele von uns hat dieses Tor in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung erhalten, weil wir durch dieses Tor Abschied von lieben Menschen genommen haben: Bei Begräbnissen mit Feuerbestattung geleiten wir den Sarg mit dem verstorbenen Menschen am Ende des Begräbnisgottesdienstes ja durch ebendieses Tor und bringen damit symbolhaft, metaphorisch, die tiefste Hoffnung unseres christlichen Glaubens zum Ausdruck, nämlich: Möge der Verstorbene auch wirklich dieses Tor der Auferstehung durchschreiten, möge er wirklich in ein neues Licht gehen, in dem Gott ihn nun für alle Ewigkeit bei sich geborgen sein lässt!
Ich habe mehrfach schon erlebt, wie ergriffen und berührt Menschen von einem solchen Abschied durch das Auferstehungstor gewesen sind. Ein paar Mal schon ist jemand zu mir gekommen, vor allem Gäste von auswärts, die eine solche Verabschiedung durch das Auferstehungstor noch nie erlebt hatten, und haben mich darauf angesprochen, wie stimmungsvoll und hoffnungsfroh, auch wie glaubensdicht sie diese Form des Abschiednehmens erlebt hätten.
Tatsächlich bringt diese Verabschiedung durch das Tor von Peter Dimmel eben wirklich das Zentrum unseres Glaubens zum Ausdruck, nämlich die gläubige Gewissheit, dass das Leben hier noch nicht alles ist, sondern dass Gott über den Tod noch die Auferstehung gesetzt hat. Das ist die Botschaft von Ostern, das ist die innerste Botschaft unseres Glaubens!
Gerade zu Ostern nun ist diese Botschaft neu in den Blick gerückt. Aber nicht nur im positiven Sinn durch uns Christinnen und Christen, etwa indem wir an den heiligen drei Tagen das Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus vertieft angeschaut und bedacht haben, sondern es haben sich anlässlich von Ostern auch einige Medien des Auferstehungsglaubens angenommen und dazu einige leider doch sehr oberflächliche und zum Teil auch gehässige Artikel verfasst. So blickte mir vergangene Woche, als ich in einem Geschäft vor dem Zeitschriftenständer stand, vom Titelblattes der deutschen Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ ein etwas kitschiger Auferstandener entgegen, worunter provokant die Worte standen „Wer glaubt denn so was?“, worunter noch einmal als Untertitel geschrieben stand „Warum selbst Christen keinen Gott mehr brauchen“. Schon dieser Untertitel zeigt, wie billig man es hier angeht: Christinnen und Christen sind doch immer noch die, die an einen Gott glauben. Und verlieren sie diesen Glauben an Gott, sind sie keine Christen mehr. Vegetarier sind die, die Gemüse essen. Und essen sie einmal kein Gemüse mehr, sind sie eben keine Vegetarier mehr. Es grenzt also schon an Dummheit zu suggerieren, dass selbst Christen nicht mehr an Gott glauben: Der christliche Glaube kann auf Gott nicht verzichten. Christinnen und Christen werden immer Menschen sein, denen Gott wichtig ist, die Gott in ihrem Herzen gefunden haben oder aber Gott immer wieder neu suchen. Nie wird man sagen können: Gott verschwindet aus dem Glauben. Und das gilt nicht nur für das Christentum, das gilt für jede Religion. Das gilt für den Islam, das Judentum, schlicht für jede Religion. Denn Religion ist ja per definitionem genau diese Offenheit auf etwas Göttliches hin, ist der Versuch, die Welt zu deuten und zu begreifen im Kontext von etwas Größerem, das diese Welt übersteigt und das wir in Ermangelung eines anderen Wortes eben Gott nennen.
Die Kronenzeitung hat am vergangenen Ostersonntag ebenfalls in dieses Horn einer sehr oberflächlichen Osterkritik geblasen. Eine Biochemikerin – in ihrer Disziplin zweifellos verdient und auch mehrfach ausgezeichnet – wird in einem Interview zur angeblichen Kluft zwischen Wissenschaft und katholischem Glauben befragt. Schon diese Fragestellung ist befremdend: Es ist seltsam, dass in diesem Kontext das Wort „katholisch“ verwendet wird: Denn ob wir katholisch sind oder evangelisch oder orthodox: In der entscheidenden Frage nach der Auferstehung gehören wir alle zusammen. Die konfessionellen Unterschiede, die es gibt, sind geschichtlich gewachsene Kleinigkeiten im Vergleich zur Auferstehungshoffnung und anderen zentralen Glaubensinhalten, die uns gemeinsam sind.
Wie auch immer, wird in diesem Interview der Glaube an Gott mit der Bequemlichkeit der Menschen begründet. Es heißt darin wortwörtlich: „Da viele Menschen bequem sind, lassen sie sich leicht vom Glauben überzeugen.“ Und in diesem Punkt muss man einfach entschieden Widerspruch leisten, und ich tu das heute hier, weil mir jemand aus unserer Pfarre diesen Artikel gebracht hat und gefragt hat „Was sagst du dazu?“
Ich sage: Natürlich gibt es Dinge in unserer Kirche und in unserer Religion, die in unserer Zeit nicht mehr zu verstehen sind und die wir als Relikt vergangener Zeiten erkennen und längst schon über Bord werfen sollten – ein klassisches Beispiel, das immer wieder echauffiert, ist der Ausschluss aller Frauen von den Weihe- und damit obersten Leitungsämtern unserer Kirche. Das versteht heute bald keiner mehr und da müssen wir wirklich etwas ändern. Aber: Das sind keine Glaubensfragen. Das sind Fragen der Kirchendisziplin und der Kirchenorganisation, aber keine Fragen des Glaubens.
Spannend – im Sinn von theologisch und philosophisch spannend - wird es freilich dort, wo Glaubensfragen über unser Verständnis hinausgehen, unser Verstehen überschreiten. Und das gibt es immer wieder, sind Philosophie und Theologie doch gleichermaßen darauf angelegt, etwas zu verstehen, das über das klar Fassbare hinausgreift und dem man sich immer nur leise annähern kann. Daher müssen wir unseren Glauben immer auch als Weg begreifen, auf dem wir uns zu einem hoffentlich immer besseren Verstehen durchringen können, und wirklich verstehen und umfassend begreifen werden wir wohl erst in der Begegnung mit Gott bei unserer eigenen Auferstehung. Aber das ist kein Grund, jetzt alle Gliedmaßen gemütlich von sich zu strecken und zu sagen „Lassen wir uns dann bei der Auferstehung überraschen!“, sondern chrilich zu glauben heißt, hier in diesem Leben schon nach Gott zu fragen, hier in diesem Leben schon Gott zu suchen, … und es heißt auch, dieses Leben hier schon so zu gestalten, dass es im Sinne dieses Gottes ist. Und das ist beileibe nicht der bequeme Weg, wie dieser Artikel in der Kronenzeitung suggeriert. Jesus hat die Seinen zur Nachfolge gerufen, aber nicht zur Bequemlichkeit. Ich hätte gute Lust, die Kronenzeitung zu fragen, ob das denn wirklich so bequem ist, wenn jemand aus seinem christlichen Glauben heraus in die Mission geht und sein ganzes Leben in den Dienst der Armen stellt. Oder ob es wirklich so bequem ist, wenn sich jemand in einem Land, in dem das Christentum unterdrückt oder gar verfolgt wird, zu eben diesem christlichen Gott bekennt – denken wir nur an das, was zu Ostern in Sri Lanka passiert ist. Oder – um bei uns zu bleiben – ob es wirklich so bequem ist, sich in einer Pfarre ehrenamtlich und unbezahlt zu engagieren, um die Pfarre lebendig sein zu lassen, sei es als Mesner oder Mesnerin, Pfarrblatt-Austräger, Blumenschmückerin, Palmbuschenbinderin, Kerzenverziererin, als Helferin in unserer Caritativen Beratungstelle oder im Spielcafé für unsere Asylwerber, oder, oder, oder ... Nein, liebe Mitchristinnen und liebe Mitchristen: Bequemlichkeit ist sicher kein Motiv Christ zu werden, Christ zu sein. Was aber meiner Wahrnehmung nach ein ganz starkes Motiv für Christsein und christliches Engagement ist, ist die Sehnsucht: die Sehnsucht nach „mehr“: ob das nun die Sehnsucht nach mehr Menschlichkeit im Leben ist oder nach mehr Leben im Tod.
Immer ist da diese Sehnsucht. Und der christliche Glaube ist nichts anderes als eine Einladung, dieser Sehnsucht Raum zu geben und ihr im eigenen Leben und Glauben aktiv nachzugehen. Fragen und Zweifel wie beim Apostel Thomas darf und soll es vielleicht auch immer geben – bringt uns doch oft erst die Auseinandersetzung mit Fragen und Zweifel weiter. Was es aber nie geben darf, ist die Abwertung dieser Sehnsucht und die Abwertung von Religion überhaupt. An diesem Punkt nämlich begibt sich Gesellschaft auf gefährlich intolerante Wege und da liegt es dann wohl an uns Christinnen und Christen, Farbe zu bekennen und – ähnlich wie Thomas - offen zu sagen: „Mein Herr und mein Gott. Ich glaube.“