Das katholische Amtsverständnis im "Dialog"?

 

11.10.2007, DDr. Hartwin Schmidtmayr

Zwei römische Dokumente waren in jüngster Zeit "Aufreger", das eine im zwischenkonfessionell ökumenischen Bereich (die evangelischen Kirchen - "nicht Kirchen im eigentlichen Sinn"), das andere "innerkatholisch" (Möglichkeit, die hl. Messe "tridentinisch" zu feiern). Aber: betrifft nicht der an zweiter Stelle genannte "Aufreger" auch eine "Ökumene", die Ökumene nämlich innerhalb der römisch-katholischen Kirche? Denn diese ist nicht und war nie so eindeutig eine "geordnete Schlacht-reihe", wie sich das für viele darstellen mochte.

Wenn der Papst im Begleitbrief des Motu proprio schreibt, dass es ihm "um eine innere Versöhnung in der Kirche" gehe, dann las man das zunächst - angesichts auch bischöflicher Widerstände im Vorfeld - als ein Moment der Beschwichtigung. Wenn Joseph Ratzinger nun aber auch im Vorwort seines Jesus-Buches, in dem es doch um die Mitte des Glaubensverständnisses geht, kritischen Wider-spruch akzeptieren will, sofern dieser Widerspruch mit jenem "Vorschuss an Sympathie" geschieht, "ohne den es kein Verstehen gibt" (22) - sollte man diese Aufforderung dann nicht doch ernster neh-men und beharrlich auch um einen Dialog über die Amtsfrage bemüht sein, die ja zweifellos "ökumenisch" der Knackpunkt ist?

"Dialog" ist ein Schlagwort seit der Zeit des II. vatikanischen Konzils. Nur scheint fraglich zu sein, ob in dem, was Dialog genannt wird, auch immer Dialog ist. Man kann Dialog als Beruhigungsmittel oder Ausrede benützen, vielleicht sogar, ohne das selbst überhaupt zu bemerken. Und man kann einen "Dialog" führen, um den eigenen Standpunkt durchzusetzen, den man ganz selbstverständlich für den einzig richtigen hält. In Wirklichkeit sind hohe Ansprüche an die Haltung derer gestellt, die miteinander in einen Dialog eintreten. Vor allem einmal muss die vom Papst erhoffte "Sympathie" gegeben sein. Sie gründet im Wahrnehmen des Menschseins des Gesprächspartners, im Respekt vor seiner Person, mag diese auch noch so wenig sachkompetent oder allgemein wertgeschätzt sein, und führt über die Empathie, über das Einfühlen also, zur Sympathie, zum Mitfühlen und vielleicht sogar Mitleiden. Und: Es gibt wohl auch sachlich keinen Standpunkt, in dem nicht das berühmte "Körnchen Wahrheit" enthalten wäre. Und so kann jemand nicht wirklich dialogisch gesinnt ist, wenn er nicht damit rechnete und dazu bereit wäre, im Austausch mit dem/den anderen in seinem eigenen Verständnis korrigiert zu werden.

Was das Verständnis des Priesters betrifft, gibt es, schematisch gesagt, innerkatholisch zwei Vorstellungen, die einander sehr entgegengesetzt zu sein scheinen. Da ist einerseits die Wertschätzung des Priesters als des Repräsentanten und Vermittlers des Heiligen. Dass das Bedürfnis, einen solchen dafür bestellten Menschen zu haben, zutiefst im Menschen eingewurzelt ist, offenbart sich in jedem heranwachsenden Kind und zeigt sich auch beim ausgereiftesten Menschen neu, wenn er in bestimmten Phasen seines Lebens der Begleitung bedarf, ohne vielleicht selbst zu erfassen, dass es sich, wenn und weil es um Letztes geht, um den Bereich des Religiösen handelt.

Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Priestern und "Laien" versteht den Priester anderseits als denjenigen, der dazu bestellt ist, eine "Gemeinde" von Christen (wie immer diese verfasst sei) zu be-gleiten, um ihr - als Person, die diesen Dienst öffentlich und ständig wahrzunehmen übernommen hat - bewusst zu halten, dass sie sich nicht sich selbst verdankt, sondern dem Herrn, der sie zusammenrief und mit ihr ist, und dass sie der Gemeinschaft von Gemeinschaften verbunden bleiben muss, die seine Kirche ist. Der Priester leistet seinen Dienst, indem er die ihm Anvertrauten immer wieder neu auf das Wort des Herrn verpflichtet, sie sakramental begleitet und ermunternd, mahnend, tröstend einer der Ihren ist auf dem Weg.

Wenn Menschen mit so unterschiedlichen Vorstellungen miteinander in Dialog treten, dann müssten sie im Hinschauen und Hinhören auf den anderen doch wahrnehmen, dass die beiden Ver-ständnisse einander nicht ausschließen, sondern vielmehr im Entscheidenden zusammenkommen. Mag auch im einen Verständnis manches dem "Magischen" nahe kommen, so war dies doch auch dem Herrn selbst nicht fremd, wenn er sich z.B. gegen Wünsche, ihn zu berühren, um geheilt zu werden und sich segnen zu lassen, nicht gewehrt hat. Und an Respekt vor dem Heiligen kann es doch ander-seits auch dort nicht fehlen, wo im Bemühen um ein wahrhaft menschliches Zusammenleben der Respekt vor der unverwechselbaren Person des anderen und die Ehrfurcht vor ihr, dem "Abbild", der lebendige "Ikone" Gottes (vgl. Gen 1,27), so groß ist. Ehrfurcht vor den heiligen sakramentalen Zeichen kann dann da nicht fehlen, auch wenn sie sich vielleicht ungewohnt ausdrückt. Und mit den Punzen Ungehorsam oder Hoffart wird man es doch nicht einfach abtun können, wenn jemand seine Einsicht und Überzeugung - der Gesprächspartner mag sie für irrig halten! - mit Leidenschaft vertreten und mit Wort und Leben dafür Zeugnis geben möchte? Und wird man anderseits jemandem, der sich aus Sorge um die Einheit der Kirche bemüht, gehorsam "auf Linie" zu bleiben, pauschalierend vorwerfen dürfen, in kindischem Gehorsam zu leben? Kindisch und kindlich sollte man sorgfältig auseinander halten.

Man müsste ein großer Heiliger sein, um, wie Paulus, "allen alles zu werden" (vgl. 1Kor 9,22). Aber wäre das nicht doch die Idealvorstellung eines Priesters nach dem Maß Jesu, wenn ihm gelänge, denen, die ("volkskirchlich") das "Heilige" suchen, der Repräsentant und Vermittler des Heiligen zu sein, ohne sie zugleich zu bevormunden? Der Priester müsste bereit sein, sie als ihr Begleiter ihren eigenen Weg gehen zu lassen. Je wacher die Menschen mitten im Leben unserer Gesellschaft stehen, je stärker sie spüren, dass sie gefordert sind, sich zu orientieren und verantwortungsvoll zu entscheiden, desto mehr bedürfen sie auch der Begegnung und des Austausches mit Personen, die ihren Glauben vor den "Zeichen der Zeit" bedacht haben und theologisch kompetent sind. Da wird es bei manchem Priester vielleicht recht "hapern", wenn er nicht gelernt hat, sich den Fragen der Menschen wirklich zu stellen. Die noch viel wichtigere Kompetenz ist ja die menschliche Kompetenz, die dem Christen aus seiner Orientierung am "großen Gebot" zuwächst - wenn es ihm nämlich nicht nur um die Er-füllung von Geboten oder Vorschriften, schon gar nicht um das Sammeln von Gutpunkten für die eigene "Bilanz" vor Gott (oder auch eher nur: den Menschen), sondern wirklich um die Person des jeweiligen menschlichen Gegenübers geht. Jeder Zug des Bildes Jesu, das uns die Evangelisten malen, spricht davon, dass es ihm um den Menschen ging, weil es ihm um Gott ging. Allein daran, ob einer/eine bereit ist, ihm darin nachzufolgen, wird in Zukunft zu entscheiden sein, ob ihm das Dienstamt übertragen wird oder nicht.

Hartwin Schmidtmayr ist Diözesanpriester und war als Professor für Religionspädagogik an der Pädagogischen Akademie tätig.