24.10.2007, Daniel Kosch, Zürich
Zur Debatte über eine zukunftsfähige Kirche — Die Forderung nach Demokratisierung der Strukturen — Kirche in der Demokratie — Der Einsatz für die Menschenrechte — Die Bewertung der Demokratie — Sechs Gründe für Demokratie in der Kirche — Das biblische Menschenbild – Kirche als Großbewegung zur Verteidigung und zum Schutz der Menschenrechte — Kirche im Kontext einer demokratisch geprägten Kultur – LLeitende Prinzipien eines demokratischen Verfassungsstaates — Zur Frage der Übertragbarkeit auf die Kirche – Stärkung des Subsidiaritätsprinzips – Unterscheidung der Zuständigkeitsbereiche — Grundrechte in der Kirche – Ein Katalog kirchlicher Grundrechte — Mitverantwortung des Volkes Gottes — Synodal verfaßte Kirche – Postulate für eine Kirchenreform.
Der Vortrag ist der ORIENTIERUNG Nr. 15/16 vom 31. August 2007 entnommen.
Zu diesem Thema hielt Daniel Kosch, Zürich, ein Referat beim «Theologischen Frühschoppen>, Visp 5. Mai 2007 und bei der Jahresversammlung der «Bündnerinnen und Bündner für eine glaubwürdige Kirche», Chur 2. Juni 2007. Der Titel ist übernommen von: A. Loretan-Saladin, T. Bernet-Strahm, Hrsg., Das Kreuz der Kirche mit der Demokratie. Zum Verhältnis von katholischer Kirche und Rechtsstaat. Zürich 2006.
In vielen kirchenpolitischen Diskussionen und Visionen einer glaubwürdigen, zeitgemäßen und zukunftsfähigen Kirche ist die Demokratisierung ihrer Strukturen eine wichtige Forderung — meist als Gegengewicht zum Modell einer hierarchischen Kirche, deren Leitung im Verdacht steht, autoritär zu handeln, die Freiheit und Mündigkeit der Laien nicht ausreichend zu berücksichtigen, ihnen Mitentscheidungsrechte zu verweigern und damit die eigene Macht sowie patriarchale Strukturen zu zementieren, was nicht nur unzeitgemäß sei, sondern auch dem Geist des Evangeliums widerspreche.
Die Kritiker solcher Kirchenvisionen halten dem entgegen, daß die katholische Kirche von ihrem Wesen her keine Demokratie sei, sondern eine «mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft» (Lumen gentium 8). Und sie weisen darauf hin, daß es nicht angehe, Glaubensfragen per Mehrheitsentscheidung zu klären.
Die folgenden Überlegungen möchten dazu beitragen, über diese Gegenüberstellung von Demokratie und Hierarchie hinaus zu kommen und einigen Facetten des schwierigen Verhältnisses von Kirche und Demokratie differenzierter nachzugehen.
Im Sinne einer Vorbemerkung sei darauf aufmerksam gemacht, daß «Demokratie» und «Hierarchie» sich nicht ausschließen. Auch in hierarchischen Strukturen wird die Leitungsverantwortung von Menschen und nach Menschenart wahrgenommen. Sie garantieren keineswegs, daß die menschliche Fehlbarkeit weniger Einfluß auf die Sach- oder Personalentscheidungen hat, als dies bei demokratischen Vorgängen der Fall ist. Anderseits tragen auch demokratische Systeme «hierarchische» Züge, etwa in Form der Delegation von Verantwortung an Amtsträgerinnen oder Amtsträger. Daß auch demokratische Prozesse dazu dienen können, Gottes Willen zur Geltung zu bringen, belegt z.B. die Wahl von Ordensoberen oder auch des Papstes, die einerseits unter Anrufung des Heiligen Geistes und anderseits per Mehrheitsentscheid erfolgt. Unabhängig davon, ob die Strukturen demokratisch oder hierarchisch sind — sie haben Anteil an der «komplexen Wirklichkeit der Kirche, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst» (Lumen gentium 8).
Kirche in der Demokratie — Demokratie in der Kirche
Das Verhältnis von Kirche und Demokratie betrifft nicht nur die interne Strukturierung und Organisation der Kirche, sondern auch ihr Außenverhältnis: Die Kirche lebt in der Schweiz (und in vielen anderen Ländern) in einem demokratischen Rechtsstaat bzw. in einer demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft . Ein Blick in die Geschichte zeigt, daß das Verhältnis der Kirche zu diesem Staats- und Gesellschaftsmodell keineswegs immer so positiv war, wie es sich heute präsentiert. Glaubens- und Gewissensfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, welche zu den Voraussetzungen für ein demokratisches Gemeinwesen gehören, wurden 1832 von Papst Gregor XVI. als «seuchenartige Irrtümer» bezeichnet. Der entschiedene Wandel zu einer positiven Einschätzung der Menschenrechte und der Demokratie erfolgte in der katholischen Kirche erst im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), insbesondere in der Pastoralkonstitution zum Thema «Kirche in der Welt von heute» (Gaudium et spes 73-76) und in der «Erklärung über die Religionsfreiheit» (Dignitatis humanae). In Abkehr von der traditionellen Auffassung hält das Konzil fest: «In vollem Einklang mit der menschlichen Natur steht die Entwicklung von rechtlichen und politischen Strukturen, die ohne jede Diskriminierung allen Staatsbürgern immer mehr die tatsächliche Möglichkeit gibt, frei und aktiv teilzuhaben an der rechtlichen Grundlegung ihrer politischen Gemeinschaft, an der Leitung des politischen Geschehens, an der Festlegung des Betätigungsbereichs und des Zwecks der verschiedenen Institutionen und an der Wahl der Regierenden.» (Gaudium et spes 75)
Der Einsatz der Kirche für die Menschenrechte und die Wertschätzung der Demokratie, welche «die Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen sicherstellt und den Regierten die Möglichkeit gibt, ihre Regierungen zu wählen» (Johannes-Paul II., Centesimus annus, 1991, 46) gehört seit dem Konzil zu den unbestrittenen Bestandteilen der päpstlichen Soziallehre. Für Joseph Kardinal Ratzinger bzw. Papst Benedikt XVI. hat sich nach dem Zusammenbruch der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts «die Überzeugung durchgesetzt, dass Demokratie zwar nicht die ideale Gesellschaft bewirke, aber praktisch das einzig angemessene Regierungssystem ist. Sie verwirklicht Machtverteilung und Machtkontrolle und bietet damit die größte Gewähr gegen Willkür und Unterdrückung, für die Freiheit jedes Einzelnen und für die Einhaltung der Menschenrechte.» Diese Formulierung anerkennt die Demokratie, ohne sie jedoch als «ideal» zu beurteilen. Dies hat seinen Grund darin, daß sie «auf die Mehrheit zugerichtet ist und nicht auf Wahrheit oder gar Gerechtigkeit».
Die katholische Kirche anerkennt also mit gewissen Vorbehalten die Demokratie als Staatsform. Aber da sie selbst «in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden darf noch auch an irgendein politisches System gebunden ist» (Gaudium et spes 76), folge daraus nicht, daß sie sich selbst demokratisch organisieren müsse, zumal sie sich der von Gott in Jesus Christus «ein für allemal» geoffenbarten Wahrheit und nicht etwa dem Willen der jeweiligen Mehrheit ihrer Mitglieder verpflichtet wisse (vgl. dc, can. 747-750). Anders als in einer Demokratie sei in der Kirche nicht das Volk Gottes der Souverän, sondern Christus. Weil das Evangelium die eigentliche Verfassung der Kirche sei, könne sich das Volk Gottes auch keine eigene Verfassung geben, da das Evangelium nicht zur Disposition gestellt werden könne.
Anhaltende Diskussionen um die Demokratisierung der Kirche
Trotz diesen Differenzierungen kommt die Diskussion um die «Demokratisierung» der katholischen Kirche seit Jahrzehnten nicht zum Erliegen. Die Zahl der entsprechenden Initiativen, Vorstöße, Manifeste und Prozesse der kirchlichen Basis, aber auch die Fülle von Publikationen, Tagungen und Reflexionen von Theologinnen und Theologen, Kirchenrechtlern und Vertretern weiterer Disziplinen ist längst nicht mehr zu überblicken. Die wichtigsten theologischen Argumente, die immer wieder vorgetragen werden, lauten:
«Demokratie» im Sinn des Respekts vor der Würde und Freiheit des Individuums, aber auch der Mitverantwortung an der Gestaltung der Gemeinschaft entspricht dem biblischen Menschenbild, das Mann und Frau als «Ebenbilder Gottes» versteht.
Die Praxis und die Verkündigung Jesu sind entscheidend davon geprägt, daß alle Menschen, auch und gerade die Geringsten, «Söhne und Töchter Gottes» sind, die als Kinder des einen Vaters eine geschwisterliche Gemeinschaft bilden. Deshalb sollen in der Nachfolgegemeinschaft von Gleichgestellten andere Regeln gelten: An die Stelle des Machtmißbrauchs tritt der Verzicht auf Macht, an die Stelle der Herrschaft tritt der Dienst.
Die Anfänge der Kirche im Neuen Testament sind geprägt von einem egalitären Ethos, das auf der Erfahrung beruht, daß unterschiedslos alle von der Kraft des Heiligen Geistes erfüllt sind, daß die Vielfalt seiner Gaben den Reichtum der Kirche ausmacht, weshalb die Gemeinschaft auf alle angewiesen ist und niemanden, schon gar nicht die «Kleinen» und «Unscheinbaren» verachten darf. Programmatisch kommt diese Überzeugung im urchristlichen Taufbekenntnis zum Ausdruck: «Ihr seid alle durch den Glauben Söhne und Töchter Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid <einer> in Christus Jesus.» (Gal 3,26-28)
In der Geschichte der Kirche gibt es neben der hierarchischen, amts- bzw. papstzentrierten Tradition, die ihren Höhepunkt im Ersten Vatikanischen Konzil (1870) erreicht, auch eine demokratische oder egalitäre Tradition, welche die Gleichheit und Geschwisterlichkeit aller Glaubenden sowie ihre gemeinsame Verantwortung für die Glaubensgemeinschaft betont. So postulierte z.B. der Kirchenvater Cyprian von Karthago im 3. Jh. für kirchliche Entscheidungen: «nichts ohne den Bischof — nichts ohne den Rat des Presbyteriums — nichts ohne die Zustimmung des Volkes». «In dieser dreifachen Form von Mitwirkung am Aufbau der Gemeinde liegt das klassische Modell kirchlicher <Demokratie> vor, die nicht aus einer sinnlosen Übertragung kirchenfremder Modelle, sondern aus der inneren Struktur der kirchlichen Ordnung selbst erwächst und daher dem spezifischen Anspruch ihres Wesens gemäß ist.» Diese Tradition hat nicht zuletzt das Ordensrecht stark geprägt. Sie ist aber auch von Päpsten bezeugt, z.B. von Coelestin I. (422-432) mit dem Prinzip «Kein Bischof darf aufgezwungen werden», oder von Leo dem Großen, der um 460 schrieb: «Wer allen vorstehen soll, soll von allen gewählt werden.» Im Mittelalter galt das Prinzip «Was alle betrifft, das muß auch von allen verhandelt und gebilligt werden» als einer der Angelpunkte der Ekklesiologie. Die Kirche hat also «ihre eigenen, wenn auch vielfach verschütteten demokratischen Überlieferungen, die neu zu entfalten ihrem Wesen durchaus gemäß ist», wie es Joseph Ratzinger schon 1970 in einem nach wie vor aktuellen Vortrag zur «Demokratisierung der Kirche» formulierte.
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hat mit seiner Volk-Gottes-Ekklesiologie (Lumen gentium 9-17), insbesondere mit der Lehre vom gemeinsamen Priestertum (Lumen gentium 10) und vom Glaubenssinn des ganzen Volkes (Lumen gentium 12) sowie mit der Anerkennung der Tatsache, daß jede Christin und jeder Christ «vom Herrn selbst» zur Teilhabe an der Heilssendung der Kirche berufen ist (Lumen gentium 33), die Grundlagen gelegt für ein Kirchenverständnis und für ein Kirchenrecht, das wesentlich mehr aktive Partizipation und effektive Mitverantwortung aller Gläubigen vorsieht, als die nachkonziliäre Entwicklung effektiv ermöglicht hat.
Neben diesen theologischen und kirchengeschichtlichen Argumenten werden auch Gründe für die Demokratisierung der Kirche vorgebracht, welche bei der Natur des Menschen und der menschlichen Gesellschaft ansetzen oder die Demokratie als «Zeichen der Zeit» (Gaudium et spes 4) verstehen, auf das zu achten zum Auftrag der Kirche gehört: Wenn Teilhabe an der Gestaltung der Gemeinschaft und Menschenrechte dem Menschen aufgrund seines Menschseins zukommen, dann gelten diese für jedes Sozialgebilde, auch für die Kirche.
Es hat zu allen Zeiten der Kirchengeschichte Übernahmen weltlicher Verfassungsformen in die Kirche gegeben. Schon «die ersten christlichen Gemeinden haben intuitiv oder bewußt Modelle, die sie in ihrem Umfeld vorfanden, die sich offensichtlich bewährt haben und von denen sie glaubten, daß sie auch ihnen dienlich sein können, für ihre eigene Gruppierung herangezogen und für ihre Situation adaptiert. Dabei ist keinerlei Berührungsangst mit weltlichen Strukturen festzustellen.>
Wenn die Kirche sich als «soziale Großbewegung zur Verteidigung und zum Schutz der Würde des Menschen» (Johannes-Paul II.) weltweit für die Einhaltung der Menschenrechte und den Respekt der Menschenwürde einsetzt, muß sie — um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen — auch ihre eigenen Strukturen menschengerecht gestalten. Sie darf ihren eigenen Mitgliedern nicht Rechte vorenthalten, die sie andernorts einfordert.
Demokratische Strukturen, die mehr Mitsprache, mehr Mitbestimmung und mehr Mitverantwortung ermöglichen, tragen zur Anschlußfähigkeit der Kirche an die Gesellschaft bei und verstärken die Identifikation der Kirchenmitglieder, die von der Demokratie als Lebensform geprägt sind.
In einer von der demokratischen Kultur geprägten Bürgergesellschaft können nur solche Organisationen glaubwürdig am politischen Prozeß teilnehmen, die in ihrem Inneren pluralistisch strukturiert sind und ihre Mitglieder an der internen Willensbildung beteiligen. Wollen die Kirchen von der demokratisch geprägten Gesellschaft als Gesprächspartner ernst genommen und vom Staat anerkannt werden, wird ihre interne Demokratisierung je länger je mehr zu einer unerläßlichen Voraussetzung.
Sowohl theologische Überlegungen zum biblischen Menschenbild und zum Selbstverständnis der Kirche, wie es im biblischen Ursprungszeugnis und in der kirchlichen Tradition zum Ausdruck kommt, als auch Überlegungen zum Verhältnis zwischen der Kirche und der demokratisch geprägten Kultur machen deutlich, daß zwischen Kirche und demokratischen Entscheidungsstrukturen kein unüberbrückbarer Gegensatz besteht, zumal die Demokratie auf grundlegenden Werten der Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit beruht, die tief im jüdischen Erbe und in der christlichen Tradition verwurzelt sind. Bei allem Respekt vor der Unterschiedlichkeit zwischen dem Wesen der Kirche und jenem des demokratischen Staates — die übrigens auch von den meisten Befürwortern einer Demokratisierung der Kirche anerkannt und respektiert wird — lohnt es sich deshalb für die Kirche, die Auseinandersetzung mit der Demokratie als «Lernchance» und «Lernprozeß» zu verstehen.
Leitende Prinzipien eines demokratischen Verfassungsstaates
Eine Voraussetzung für eine sachgemäße Transformation demokratischer Werte und Prinzipien in den Bereich der Kirche besteht darin, sich mit den leitenden Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates zu befassen, zumal die von Gegnern der «Demokratisierung» der Kirche oft vorgenommene Gleichsetzung der vielschichtigen Wirklichkeit der Demokratie mit der Anwendung des Mehrheitsprinzips ein «vulgäres Vorurteil» (Joseph Ratzinger ) darstellt.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang schon die Tatsache, daß es eine ganze Reihe von unterschiedlichen Demokratietheorien und höchst unterschiedliche Ausgestaltungen demokratischer Staatswesen gibt. Ein Demokratieverständnis, das sich darauf beschränkt festzuhalten, daß alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und daß demokratische Entscheide auf dem Mehrheitsprinzip beruhen, greift also entschieden zu kurz.
In seiner Verfassungslehre benennt Philippe Mastronardi sechs «staatsleitende Prinzipien» für den demokratischen Verfassungsstaat: Die Staatshoheit, das Bundesstaatsprinzip (Föderalismus), das Demokratieprinzip, das Rechsstaatsprinzip, das Leistungsstaats- und Wirtschaftsstaatsprinzip. Für die Thematik von Kirche und Demokratie sind insbesondere folgende Aspekte wichtig:
Das Demokratieprinzip hat zum Ziel, herauszufinden, was für die Gesamtheit gut ist (das Gemeinwohl) und beruht auf der Überzeugung von der kollektiven Autonomie der Menschen. Es hat seine ethische Grundlage im Gebot der Gleichbehandlung aller Menschen, die eine Konsequenz aus der allen Menschen gleichermaßen zukommenden Menschenwürde ist. Es gewährleistet die Mitbestimmung über Fragen des Zusammenlebens im öffentlichen Raum. Diese sollen möglichst durch Konsens der Teilnehmer nach gründlicher Meinungsbildung beantwortet werden. Weil Einigkeit praktisch nicht erreichbar ist, wird sie durch das Mehrheitsprinzip mit seinen vorläufigen und daher revidierbaren Entscheiden ersetzt — und weil es unmöglich ist, in großen Gemeinwesen alle an allen Entscheidungen zu beteiligen, werden manche an gewählte Repräsentanten delegiert. «Das Mehrheitsprinzip ist daher keineswegs das oberste demokratische Prinzip, als das es erscheinen mag. Es ist nur eine technische Regel, welche den praktisch erforderlichen Abbruch des demokratischen Diskurses gestattet.»
Das Rechtsstaatsprinzip begrenzt das Demokratieprinzip und ist mit diesem gleichrangig. «Das demokratische Verfahren verliert einen unverzichtbaren Teil seiner Legitimation, wenn es rechts- staatliche Grundsätze (und insbesondere die Grundrechte, D.K.) missachtet. Die individuelle Autonomie des Einzelnen kann nicht dem kollektiven Entscheid geopfert werden, ohne dass dadurch die öffentliche Autonomie der Bürgerinnen und Bürger, welche die Grundlage der Demokratie bildet, zugrunde geht. Die Mehrheit ist daher nicht allmächtig, sondern nur im Rahmen ihrer rechtsstaatlichen Schranken befugt, zu herrschen.» So sorgt das Rechtsstaatsprinzip dafür, daß die Würde und die Rechte einzelner Menschen oder Minderheiten angemessen respektiert werden.
Das Prinzip der Gewaltenteilung sichert eine gute Balance zwischen dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip. Die Legislative erhält die gesetzgebende Gewalt, die Exekutive die vollziehende Gewalt und die Judikative hat dafür zu sorgen, daß beim Prozeß der Gesetzgebung und im Handeln des Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger das Recht, insbesondere die Grundrechte nicht verletzt werden. Damit kontrollieren sich diese drei Gewalten gegenseitig und bleiben aufeinander angewiesen, was einen Schutz vor Willkür und Machtmißbrauch gewährleistet.
Das Bundesstaatsprinzip schafft eine vertikale Aufteilung der Staatshoheit. Die Macht wird auf verschiedene Ebenen verteilt, wobei im föderalen Staat das Subsidiaritätsprinzip zur Geltung kommt: Die höhere Staatsebene darf erst handeln, wenn die tiefere dazu nicht in der Lage ist. Zugleich gewährleistet es, daß die untergeordneten Ebenen sich an die Vorgaben des übergeordneten Rechts zu halten haben.
Übertragbarkeit auf die Kirche
Wie schon mehrfach erwähnt, ist bei Überlegungen zur Übertragbarkeit dieser staatsleitenden Prinzipien auf die Kirche dem Umstand Rechnung zu tragen, «daß es zwischen Kirche und demokratischem Rechtsstaat wesentliche Unterschiede gibt» . Es muß daher eine «eigenständige und eigengeartete Konzeption» von Demokratie in der Kirche entwickelt werden, die folgenden Gesichtspunkten Rechnung trägt:
Die Kirche lebt aus dem Geist des Evangeliums. Dieses ist ihr anvertraut, steht aber nicht zur Disposition. Der Kirche steht es nicht frei, über ihr Wesen, ihren Auftrag oder ihre Grundwerte zu verfügen. Sie lebt ganz und gar von Jesus Christus her, «der das Haupt der Kirche ist, von dem aus der ganze Leib durch Gelenke und Bänder versorgt wird und durch Gottes Wirken wächst» (Kol 2,19).
Die katholische Kirche ist eine weltweite Gemeinschaft in und aus diözesanen Ortskirchen, die ihrerseits aus lokalen Gemeinschaften bestehen. Die Einbindung jedes einzelnen Kirchenmitglieds, jeder Gemeinde und Gemeinschaft sowie der Ortskirchen in diese weltkirchliche Struktur ist für das Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche konstitutiv.
Zum Selbstverständnis der katholischen Kirche gehört schließlich, daß ihre Kirchenverfassung und ihre Ämterstruktur in wesentlichen Punkten göttlichen Rechts sind und daß es ihr deshalb nicht frei steht, diese nach ihrem eigenen Gutdünken zu ändern.
Leitende Prinzipien für eine demokratisierte Kirchenverfassung
All diesen Merkmalen der Kirche ist nicht nur gemeinsam, daß sie der römisch-katholischen Kirche nach ihrem eigenen Selbstverständnis vorgegeben und damit unverfügbar und im Grundsatz nicht verhandelbar sind, sondern auch, daß sie — wie ein Blick in die Geschichte zeigt — im Laufe der Zeit recht unterschiedlich verstanden und umgesetzt wurden. Immer ist sorgfältig zu unterscheiden zwischen der unveräußerlichen Substanz und dem, was an ihrer Ausgestaltung und Formulierung zeitbedingt und deshalb auch wandel- und anpassungsfähig ist, ohne daß dabei das Eigentliche verlorengeht oder verraten wird. Hinzu kommt, dass diese Merkmale von Kirche keineswegs ausschließen, daß die Kirche eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern bildet, «in der all das, was in einer gelungenen Demokratie als positiv erlebt wird, in entsprechender Weise Platz haben sollte», sofern man «demokratische Formen, Modelle bzw. Elemente nicht einfach kopienhaft» auf sie überträgt, sondern dabei die «Eigenart der Kirche» beachtet.
Wie das Demokratieprinzip nur eines von mehreren «staatsleitenden Prinzipien» darstellt, muß auch für die Kirche über ein Ensemble von «kirchenleitenden Prinzipien» nachgedacht werden, welche die notwendigen Voraussetzungen für eine «Demokratisierung» bzw. eine Gewährleistung von mehr Mitverantwortung und Mitbestimmung aller Glieder der Kirche bilden.
Stärkung des Subsidiaritätsprinzips
Analog zum Bundesstaatsprinzip, das die vertikale Aufteilung der Staatshoheit schafft und die Verhältnisse zwischen über- und untergeordneten Ebenen klärt, müßte innerhalb der katholischen Kirche die Kompetenzordnung im Geist des Subsidiaritätsprinzips differenziert werden. Es besagt, daß die Zuständigkeiten so weit wie möglich an untere Ebenen delegiert werden. Daraus ergibt sich das Postulat, daß sehr viel konsequenter als bisher zwischen den Ebenen Weltkirche, Kontinentalkirche, Kirche in einem Land, Diözese und Ortsgemeinde unterschieden wird. Ohne eine solche Kompetenzordnung, die weit weniger zentralistisch konzipiert sein müßte als heute, ist eine echte Demokratisierung von Entscheidungsprozessen in einem Gebilde von der Größe und Komplexität der katholischen Kirche ein hoffnungsloses Unterfangen. Anknüpfungsmöglichkeiten für eine solche Entwicklung sind in der Tradition der Patriarchate und der Kirchenprovinzen, im Kirchenbild des Zweiten Vatikanums und in der Einrichtung von nationalen und kontinentalen Bischofskonferenzen durchaus vorhanden — und Stimmen, die solche Entwicklungen fördern möchten und weniger Zentralismus fordern, gibt es keineswegs nur unter progressiven Demokratisierungsbefürwortern, sondern auch bei Bischöfen, z.B. bei Kurt Koch, der intermediäre und regionalkirchliche Instanzen mit einem relativ autonomen Charakter fordert, um die Vorstellung zu korrigieren, daß die ganze Kirche «gleichsam nur noch eine einzige Ortsgemeinde» ist und die «alte Struktur der Einheit in Vielfalt» verliert. Die Folge einer Aufwertung und rechtlichen Verankerung des Subsidiaritätsprinzips wäre, daß die Gestaltungsfreiheit der Ortskirchen und auch der Ortsgemeinden erweitert und innerhalb des Prinzips der «Einheit in der Vielfalt» der Akzent wieder stärker auf die Vielfalt in Form eines legitimen innerkirchlichen Pluralismus gelegt würde.
Viele Fragen, die heute auf weltkirchlicher Ebene entschieden werden, würden an untere Ebenen delegiert: Konkret könnte dies z.B. heißen: Im Rahmen einer durch die Universalkirche vorgegebenen Ordnung ist die Kirche in einem Land frei, über die Ausgestaltung von kirchlichen Diensten für Laien zu befinden. Oder: Die sach- und kulturgemäße Übernahme und Anpassung liturgischer Texte und Regelungen fällt in die Kompetenz der jeweiligen Sprachregion. Oder: Die Zulassung von «viri probati» zur Priesterweihe wird auf kontinentalkirchlicher Ebene entschieden.
Abschließend sei angemerkt, daß die Forderung nach einer Stärkung des Subsidiaritätsprinzips in der Kirche einer ebenso notwendigen Stärkung des Solidaritätsprinzips nicht im Wege steht.
Unterscheidung der Zuständigkeitsbereiche
Analog zum Prinzip der Gewaltenteilung, das dafür sorgt, daß die verschiedenen Gewalten im Staat sich gegenseitig kontrollieren, bedürfte es auch in einer stärker demokratisch strukturierten Kirche verschiedener Instanzen mit je eigenen Zuständigkeitsbereichen.
Die gegenwärtige Ämterkonzeption und das geltende Kirchenrecht sehen kaum Strukturen vor, die der Idee der Gewaltenteilung bzw. einer Unterscheidung von Zuständigkeiten nahekommen, sind doch die Amtsträger, insbesondere der Papst und die Bischöfe, gleichzeitig Träger der obersten legislativen, exekutiven und judikativen Gewalt in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich, während den Laien die Fähigkeit zur Leitung konsequent abgesprochen wird, fehlt doch im CIC ein Canon, der «die Tatsache der Teilhabe der Laien am <munus regendi> bekräftigt».
Anknüpfungspunkte für die Entwicklung eines Systems der Kirchenleitung, das auf der Unterscheidung von Zuständigkeiten beruht, bietet hingegen das typisch schweizerische «duale System». Für die sogenannten «äußeren Angelegenheiten» sind die demokratisch organisierten staatskirchenrechtlichen Organe zuständig, die «inneren Angelegenheiten» fallen in den Verantwortungsbereich der kirchlichen Organe. Die Entscheidungen über Finanzen, Infrastrukturen und personelle Ressourcen fallen also nicht in den gleichen Gremien wie die Entscheidungen über pastorale Prioritäten und die inhaltliche Ausrichtung des kirchlichen Handelns. Die Hierarchie kann nicht autonom entscheiden, sondern ist in vielen Belangen auf die Zustimmung der Kirchen- angehörigen angewiesen.
Die Stärke dieser Doppelstruktur besteht darin, daß sie einerseits der Gesamtheit der Gläubigen dort Mitwirkungsrechte einräumt, wo alle zuständig und mitverantwortlich sind, und anderseits den spezifischen Aufgaben des Amtes in der Kirche Rechnung trägt. Wollte man eine solche Kompetenz-Unterscheidung auch für die «inneren Angelegenheiten» bzw. für pastorale Fragen zur Geltung bringen, müßte man z.B. auf der Ebene einer Pfarrei überlegen, welche pastoralen und kirchenrechtlichen Kompetenzen der Pfarreiversammlung, welche einem pfarreilichen Leitungs- und Koordinationsgremium und welche den Amtsträgern übertragen werden sollen. Im Hinblick auf ein solches System (das auch auf diözesaner Ebene denkbar ist) müßte selbstverständlich auch das Zusammenspiel dieser verschiedenen Organe geklärt werden. Und es wäre dafür zu sorgen, daß die Orientierung am Evangelium und an der Glaubenswahrheit der Kirche möglichst gut gewährleistet ist, was z.B. durch ein «Vetorecht» der zuständigen Amtsträger sichergestellt werden könnte, deren spezifischer Auftrag darin besteht, darauf zu achten, daß die «Sache Jesu» bei kirchlichen Entscheidungen nicht aus den Augen bzw. unter die Räder von Eigeninteressen oder vorschnellen Orientierungen am Zeitgeist gerät. Es kann und darf in der Kirche nicht um die Verwirklichung egoistischer Eigeninteressen individueller oder gruppenspezifischer Art gehen.
Obwohl eine stärkere Unterscheidung der Zuständigkeitsbereiche des gesamten Volkes Gottes einerseits und der Amtsträger anderseits weitreichende Auswirkungen auf das Amtsverständnis der katholischen Kirche hätte, wäre es falsch, anzunehmen, daß ein solches Modell der Kirche völlig «wesensfremd» ist. Schon das geltende Kirchenrecht sieht auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens beratende Gremien und synodale Elemente vor und verlangt für manche Entscheidungen, daß die zuständigen Amtsträger diese Räte vorgängig konsultieren müssen, so daß sie immerhin über Beispruchsrechte verfügen. Zudem könnten aus der Lehre des Zweiten Vatikanums vom gemeinsamen Priestertum und vom Glaubenssinn des Gottesvolkes weiterreichende kirchenrechtliche Konsequenzen gezogen werden, als der Codex von 1983 dies tut.
Noch viel offener präsentiert sich die Situation im Neuen Testament. So lebt z.B. das Bild der Kirche als dem einen Leib Christi, der aus vielen Gliedern besteht (1Kor 12-14) ganz entscheidend davon, daß die unterschiedlichen Gaben des Geistes sich gegenseitig ergänzen, bereichern und herausfordern. Der Kopf ist nicht die Hand und kann diese auch nicht ersetzen. Dasselbe gilt für den Fuß, den Magen, die Lunge usw. Erst das Miteinander gewährleistet, daß der Organismus lebensfähig ist. So stellt sich Paulus auch die Gemeinde vor: Die einen sind Lehrer, die anderen Propheten, die dritten haben die Gabe zu heilen oder mit Geld umzugehen. Ein Kirchen- bzw. Amtsverständnis, das auf diesem Bild aufbaut, wird sich wesentlich leichter mit dem Prinzip der «Gewaltenunterscheidung» bzw. mit der Vorstellung unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche anfreunden können als ein Kirchenverständnis, in dem letztlich alles vom Amt her und auf das Amt hin konzipiert ist.
Für die Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Demokratie, bzw. nach der Beziehung zwischen der Gemeinschaft der Getauften und Christus als dem «Herrn der Kirche» ist dieses Bild vom Leib Christi darüber hinaus vor allem deshalb von größter Bedeutung, weil es daran erinnert, daß die gesamte Gemeinde den auferstandenen Christus repräsentiert. Anders als das Bild von Christus als «Haupt des Leibes» (Kol 1,18) betont Paulus, daß die Gegenwart Christi und sein Herr-Sein durch die gesamte Gemeinde und in ihr zur Geltung kommt, so daß alle Glieder, auch die Unscheinbarsten, mitverantwortlich und mitbeteiligt sind an der Beantwortung der Frage, wie das Evangelium in der je eigenen Situation der Kirche zu verstehen und zu leben ist.
Grundrechte in der Kirche
Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich, daß eine Demokratisierung der Kirche nur denkbar ist, wenn diese den einzelnen Gläubigen und ihren Gemeinschaften auch entsprechende Rechte einräumt. Analog zum Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ist demzufolge die Frage nach der Rechtskirchlichkeit und nach Grundrechten in der Kirche zu stellen.
Was die Gewährleistung von Grundrechten in der Kirche betrifft, so beurteilt die Kirchenrechtlerin Sabine Demel den Katalog von Rechten und Pflichten für alle Gläubigen im neuen Kirchenrecht von 1983 als «demokratische Errungenschaft in der katholischen Kirche». «Zum ersten Mal in ihrer Geschichte» gebe es «eine Zusammenstellung grundlegender Rechte und Pflichten, die für alle Gläubigen gelten, unabhängig davon, ob es sich um Laien oder Kleriker handelt». Positiv zu würdigen sei die Anerkennung der fundamentalen Gleichheit aller Gläubigen (can. 208), die sich aus der Taufe ergibt, durch die alle «des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden sind» (can. 204). Hervorzuheben ist auch die Gewährung fundamentaler Rechte wie jenes der Meinungsäußerungsfreiheit (can. 212), der Vereinsfreiheit (can. 216), der freien Wahl des Lebensstandes (can. 219), des Persönlichkeitsschutzes (can. 220) und des Rechtsschutzes (can. 221).
Kritisch wird man festhalten, daß das Kirchenrecht von einem «schrankenlosen Vorbehalt zugunsten der kirchlichen Autorität» ausgehe (can. 223 § 2). Deshalb «kann von Grundrechten in einem strikten Sinne nicht die Rede sein; denn deren Wesen besteht darin, daß sie der Ausübung von amtlicher Autorität Schranken setzen». Dem Kernanliegen der Grundrechte, nämlich dem Schutz vor Machtmißbrauch, werde nicht Rechnung getragen, obwohl «die katholische Kirche ... wegen ihres hierarchischen Aufbaus, der Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien sowie ihres bis in das <forum internum> des Gewissens reichenden <Systems von Weisung und Gehorsam> gegenüber Mitgliedern machtanfällig und gefährdet (ist), Freiheiten über Gebühr einzuschränken».
Diesem Defizit entspreche die Tatsache, daß der Rechtsschutz (can. 222) «eine hehre Zusage ohne Einlösung» geblieben ist. Eine eigentliche Verwaltungsgerichtsbarkeit sei nicht entwickelt worden und in den vorgesehenen Rekursverfahren seien «wichtige Verfahrensgrundsätze wie rechtliches Gehör, Angabe der Entscheidungsgründe oder Verteidigungsrechte nicht garantiert».
Eine spezifische grundrechtliche Problematik stellt die Stellung der Frau dar. Ihr Ausschluß von der Priesterweihe schließt sie von wichtigen Entscheidungsprozessen aus. Ob dies dem von der Kirche selbst anerkannten Grundsatz angemessen Rechnung trägt, daß niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden darf, weil das dem «Plan Gottes widerspricht» (Gaudium et spes 29), ist theologisch und kirchenpolitisch ebenso umstritten wie die Frage, ob die lehramtlichen Erklärungen zum Thema einer unfehlbaren Lehrentscheidung gleichkommen oder ob es sich um eine Aussage des ordentlichen Lehramtes handelt, die grundsätzlich revidierbar ist, auch wenn es dafür wohl eines ökumenischen Konzils bedürfte.
In diesem Zusammenhang ist auf den sehr interessanten Versuch des lutherischen Theologen und Bischofs Wolfgang Huber hinzuweisen, einen «Katalog kirchlicher Grundrechte» zu formulieren , denen ihre Herkunft aus der reformatorischen Tradition deutlich anzumerken ist. Doch seine Stärke besteht darin, daß er einen echten Versuch darstellt, die staatlichen Grundrechtskataloge nicht einfach auf die Kirche zu übertragen, sondern im Geist des Evangeliums zu transformieren. Zu dem handelt es sich um einen konstruktiven Vorschlag — und nicht um einen an den Defiziten des geltenden Kirchenrechtes orientierten Forderungskatalog:
Das Recht auf Zugang zum Glauben: Jeder Mensch hat das Recht, das Evangelium zu hören und christliche Gemeinschaft zu erfahren.
Das Recht auf Würde und Integrität der Person: Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar. Sie kommt jeder menschlichen Person zu, weil sie zum Ebenbild Gottes geschaffen, durch Jesus Christus versöhnt und dazu berufen ist, als Erlöste am Reich Gottes teilzuhaben.
Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit: Jedes Glied der Gemeinde Jesu Christi hat das Recht, die ihm verliehenen Gaben frei zu entfalten. Die Entfaltungsfreiheit ist an den Auftrag der Kirche zu Zeugnis und Dienst gebunden und findet ihre Grenze an den Rechten anderer und an der Würde der Natur.
Das Recht auf Gewissens- und Meinungsfreiheit: Die Freiheit des Glaubens und des Gewissens ist unverletzlich; jedes Glied der Gemeinde hat das Recht, seine Meinung ungehindert zu äußern und mit Achtung gehört zu werden.
Das Recht auf Gleichheit: Alle Christen haben das gleiche Recht, am Leben der Kirche, gebend oder empfangend, teilzunehmen und vom Evangelium Zeugnis abzulegen, jede und jeder gemäß ihren Gaben.
Das Recht auf Teilhabe an kirchlichen Entscheidungen: Jedes Glied der Gemeinde hat das Recht, an allen ihm zugänglichen Entscheidungen und Lebensäußerungen der Kirche aktiv mitzuwirken.
Das Recht auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit: Alle Christen haben das Recht, Vereinigungen zu bilden und sich zu besonderen Vorhaben friedlich zu versammeln. Dieses Recht hat dort seine Grenze, wo die Gemeinschaft der Kirche mißachtet und die Spaltung der Kirche angestrebt wird.
Mitverantwortung des Volkes Gottes
Will man analog zum «Demokratieprinzip» im engeren Sinne des Wortes in der Kirche demokratische Spielregeln zur Geltung bringen, so hätte dies institutionell insbesondere folgende Auswirkungen:
Erstens: Entscheidungen erfolgen — nach gründlicher Beratung und unter Berücksichtigung der nicht zur Disposition stehenden, aber immer neu zu aktualisierenden Botschaft des Evangeliums, unter Beachtung des Wesens der Kirche und unter Respekt vor den unverfügbaren Rechten und der Würde der Person — nach Prinzipien, die den Gemeinschaftswillen des Gottesvolkes berücksichtigen.
Zweitens: Bei Bestellung der Amtsträger erhält die Gemeinschaft jener, für die der Amtsträger die pastorale Verantwortung übernehmen soll, rechtlich verbriefte Mitentscheidungsrechte, die sicherstellen, daß niemand ihnen ohne ihre Zustimmung vorgesetzt wird.
Drittens: In den Entscheidungsgremien sind Vertreter aus allen Teilen des Volkes Gottes repräsentativ vertreten, analog den Parlamenten im staatlichen Bereich.
Es ist unübersehbar, daß eine solche Art, in der Kirche Sachentscheide und Personalentscheide zu fällen, in einer erheblichen Spannung zum aktuellen und über die Jahrhunderte gewachsenen Selbstverständnis der katholischen Kirche und zum gelten den Kirchenrecht steht. Aber ein solcher Versuch, das «Demokratieprinzip» kirchlich zu transformieren, kann sich auf die sehr pointierte und biblisch-theologisch gut abgestützte Aussage des letzten Konzils berufen, das zum Glaubenssinn des gesamten Gottesvolkes festgehalten hat: «Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (1Joh 220 und 27) kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie <von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien> ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert.» (Lumen gentium 12)
Darüber hinaus ist daran zu erinnern, daß auch die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils selbst (wie viele Dogmen und Konzilsäußerungen) Ergebnisse eines oft spannenden und konfliktreichen Prozesses waren, der sehr vieles mit demokratischen Entscheidungsprozessen gemeinsam hat: Den Streit um das bessere Argument, den Einfluß der öffentlichen Meinung, den Beitrag von Fachleuten und Experten, das Ringen um Koalitionen und Kompromisse, das Schmieden von Allianzen mit dem Ziel des größtmöglichen Konsenses und schließlich den Beschluß nach dem Mehrheitsprinzip. In diesem Prozeß ist nach der Uberzeugung und nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche der Heilige Geist selbst am Werk, hat doch Papst Johannes XXIII. das Konzil als ein «neues Pfingsten» bezeichnet, das es der Kirche er möglichen werde, «einen Sprung nach vorwärts» zu tun.
Synodal verfaßte Kirche
Eine «Demokratisierung» der Kirche hängt längst nicht nur davon ab, daß das Mehrheitsprinzip eingeführt wird. Unerläßliche Voraussetzungen sind:
daß das Subsidiaritätsprinzip zur Geltung kommt und die Gestaltungsmöglichkeiten der Kirche vor Ort erweitert werden, was einen Abschied vom herrschenden Zentralismus erfordert;
daß die Zuständigkeiten geteilt werden und die unterschiedlichen Fähigkeiten und Kompetenzen der einzelnen Glieder am Leib Christi anerkannt werden und zur Geltung kommen, was einen Abschied vom monarchischen Amtsverständnis erfordert;
daß die Freiheit der Söhne und Töchter Gottes anerkannt und ihnen auch innerhalb der Kirche Grundrechte eingeräumt werden, was einen Abschied vom schrankenlosen Vorbehalt der kirchlichen Autorität erfordert;
» daß der Gemeinschaftswille des Gottesvolkes respektiert und daß seine Glieder an seiner Findung und Durchsetzung sinnvoll beteiligt werden, nicht zuletzt indem sie verbindliche Mitwirkungsrechte bei der Bestellung der Amtsträger erhalten. All diese Forderungen sind einerseits tief im Menschenbild der Bibel, im Kirchenverständnis des Neuen Testaments und im Geist Jesu verwurzelt und entsprechen anderseits den leitenden Prinzipien einer demokratischen Kultur. Sie machen aus der Kirche «keine gewöhnliche Demokratie», sondern «eine Gemeinschaft von an Christus glaubenden, auf ihn hoffenden und ihn liebenden Brüdern und Schwestern, eine Gemeinschaft, in der all das verwirklicht und womöglich überboten werden soll, was sich in einer gelungenen Demokratie bewährt hat.»
Die Frage, wie eine Kirchenreform, die solche Ziele verfolgt, bezeichnet wird, wird unterschiedlich beantwortet. Vielfach wird von einer stärker «synodal» verfaßten Kirche oder einer Stärkung der Partizipation des Volkes Gottes gesprochen. Weil das «hierarchische Prinzip» zum Selbstverständnis der katholischen Kirche gehört, spricht Sabine Demel von «Demokratie innerhalb der Hierarchie der Kirche». Ein anderer Vorschlag lautet, die Kirche als «eine Demokratie eigener Art» zu bezeichnen, wieder andere sprechen von der Kirche als «Pneumatokratie».
Im Blick auf die Tradition und die Ökumene sowie auf die Beachtung der Eigenart der Kirche scheint es am sachgerechtesten, von einer synodal verfaßten Kirche zu sprechen, innerhalb derer demokratische und demokratieähnliche Elemente und Strukturen weitaus verbindlicher im Recht verankert und stärker zur Geltung gebracht werden sollten, als dies derzeit der Fall ist. Für dieses Postulat und für einen Lernprozeß, in dem sich die Kirche nicht nur bezüglich ihres Außenverhältnisses, sondern auch für ihre interne Strukturierung mit den leitenden Prinzipien eines demokratischen Verfassungsstaates einläßt, kann man sich auf Joseph Ratzinger bzw. Papst Benedikt XVI. berufen, der schon 1970 ein Referat zur Demokratisierung der Kirche mit folgenden Worten beendete: «Hinter dem vieldeutigen und vielfach mißverstandenen Schlagwort von der «Demokratisierung» (verbirgt) sich ein wirkliches Problem und eine wirkliche Aufgabe ... die durch viele falsche Vorstöße nichts von ihrer Bedeutung verlieren ... Jede Stunde bringt Chancen und Gefahren für die Kirche, auch die heutige. Es ist töricht und unkritisch zu meinen, erst heute könne eigentlich die Kirche ihren wahren Verfassungsauftrag richtig er füllen; es ist nicht weniger töricht und unkritisch, zu meinen, das Heute habe der Kirche nichts zu sagen, und sie könne sich ruhig ins Gewordene verschließen: Auch und gerade das Zeitalter der Demokratie ist ein Anruf an sie, dem sie sich kritisch und offen
zugleich zu stellen hat.»
Daniel Kosch, Zürich
Vgl. dazu A. Loretan, Wie entwickelt die Römisch-katholische Kirche ein Ja zum demokratischen Rechtsstaat und seinen Grundrechten?, in: A. Loretan-Saladin, T. Bernet-Strahm, Hrsg., Das Kreuz der Kirche mit der Demokratie. Zum Verhältnis von katholischer Kirche und Rechtsstaat. Zürich 2006, 19-34; O.H. Pesch, Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte — Verlauf — Ergebnisse — Nachgeschichte. (Topos Plus 393). Würzburg 2001,339-342.
J. Ratzinger, Werte in Zeiten des Umbruchs. Die Herausforderungen der Zukunft bestehen. Freiburg/Brsg. 2005,49.
H.-J. Sander, Theologischer Kommentar zur Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, in: P. Hünermann, B.J. Hilberath, Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Band 4. Freiburg/Brsg. 2005,581-869,801.
Dies gilt erst recht, wenn man auch all jene Beiträge berücksichtigt, die den Begriff der «Demokratisierung» als mißverständlich oder unangemessen beurteilen, aber das Sachanliegen teilen, die Mitbestimmung und Mitverantwortung des Volkes Gottes verbindlicher zu regeln und die Rechtsstellung der Laien zu stärken (zu dieser terminologischen Problematik vgl. V. Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie eigener Art? Münster 1997, 64-72).
J. Ratzinger, Demokratisierung der Kirche, in: ders., H. Maier, Demokratie in der Kirche. Möglichkeiten und Grenzen. Limburg-Kevelaer 2000, (42-)44.
Ebd., 35; Die Bedeutung dieses Textes ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß Joseph Kardinal Ratzinger bei seiner Neuveröffentlichung im Jahr 2000 im Nachwort festhielt, daß er — offenbar zu seiner eigenen «Überraschung …das damals Gesagte auch heute noch so vertrete» (78). Zur Bedeutung dieses Textes vgl. D. Kosch, Das Miteinander von kirchenrechtlichen und öffentlichrechtlichen Strukturen als Lernchance, in: A. Loretan-Saladin, T. Bernet-Strahm, Hrsg., Das Kreuz der Kirche mit der Demokratie (Anm. 1), 69-87, bes. 82ff.
Zur Ekklesiologie des Konzils und zu ihrer Rezeption vgl. die einschlägigen Beiträge in: P Hünermann, B.J. Hilberath, Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil (Bd. 1-5), Freiburg/Brsg. 2005 -2006; P. Hünermann, Hrsg., Das Zweite Vatikanische Konzil und die Zeichen der Zeit heute. Freiburg/Brsg. 2006; F.X. Bischof ‚ 5. Leimgruber, Hrsg., Vierzig Jahre II. Vatikanum. Zur Wirkungsgeschichte der Konzils- texte. Würzburg 2004, jeweils mit umfangreichen Literaturhinweisen.
V. Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4), 88 u.ö.
J. Ratzinger, Demokratisierung (Anm. 5), 9.
M. Ebner, Strukturen fallen auch in christlichen Gemeinden nicht vom Himmel. Überlegungen zu neutestamentlichen Gemeindemodellen, in: Diakonia 31(2000), 60-66.199-204, hier 200.
Johannes-Paul II., Centesimus annus (1991), 3,4.
Vgl. dazu P Mastronardi, Verfassungslehre. Allgemeines Staatsrecht als Lehre vom guten und gerechten Staat. Bern 2007,270-277.
W. Huber, Gerechtigkeit und Recht. Grundlinien christlicher Rechtsethik, Gütersloh 21999, 432 hält dazu fest: «So unbezweifelbar der Gedanke der Menschenrechte sich unter christlichem Einfluß entwickelt hat, so unbezweifelbar ist zugleich, daß er gegen erheblichen kirchlichen Widerstand durchgesetzt werden mußte. Nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die evangelischen Kirchen auf dem europäischen Kontinent standen ihm mit erheblichen Vorbehalten gegenüber und setzten seiner Verwirklichung großen Widerstand entgegen.»
Vgl. dazu schon: D. Kosch, Miteinander (Anm. 6); ders., Perspektiven für ein partnerschaftliches und streitbares Miteinander pastoraler und staats- kirchenrechtlicher Strukturen, in: SJKR/ASDE 10 (2005), 81-110.
J. Ratzinger, Demokratisierung (Anm. 5), 79 (mit L. Roos).
Eine gute Übersicht ermöglicht der Reader von P. Massing, G. Breit, Hrsg., Demokratietheorien. Von der Antike bis zur Gegenwart. Schwalbach² 2002.
P. Mastronardi, Verfassungslehre (Anm. 12), 225ff.
Diesen Aspekt betont F. Hafner, Kirche und Demokratie. Betrachtungen aus juristischer Sicht, in: SJKR/ASDE 2 (1997), 37-90, 43f.
P. Mastronardi, Verfassungslehre (Anm. 12), 255.
Ebd., 256; vgl. auch B. Ehrenzeller, R. Nobs, «Das Demokratieprinzip geniesst somit keinen absoluten Vorrang, sondern kann sich nur innerhalb der rechtsstaatlichen Grundordnung entfalten. Beide sind letztlich auf dieselben Ziele ausgerichtet: die Unterbindung ungehemmter Machtausübung und die Verwirklichung der Menschenwürde.> (Neue Zürcher Zeitung vom 16.5.2007, 17).
F. Hafner, Kirche und Demokratie (Anm. 18),37.
Diese Terminologie verwendet W. Huber, Gerechtigkeit und Recht (Anm. 13), 430f. in bezug auf das Kirchenrecht und die Grundrechte in der Kirche.
Einen guten Überblick über die Leitungsstrukturen der Katholischen Kirche vermitteln die beiden Sammelbände: I. Riedel-Spangenberger, Hrsg., Leitungsstrukturen der katholischen Kirche. Kirchenrechtliche Grundlagen und Reformbedarf (QD 198). Freiburg/Brsg. 2002; dies., Hrsg., Rechtskultur in der Diözese. Grundlagen und Perspektiven. (QD 219). Freiburg/Brsg. 2006.
Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4), 30 o.ö.
Vgl. dazu ebd., 14-63. Die klassische Definition stammt aus der Enzyklika <Quadragesimo anno» von Pius XI.:«.. so muß doch allzeit unverrückbar jener höchst gewichtige sozialphilosophische Grundsatz festgehalten werden, an dem nicht zu rütteln noch zu deuteln ist: wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.» Pius XII. hat 1946 ausdrücklich festgestellt, daß diese «leuchtenden Worte ... auch für das Leben der Kirche, ohne Nachteil für deren hierarchische Struktur» gelten (vgl. V. Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie [Anm. 4], 16).
Zur Frage, ob dieses bezüglich der Stellung der Bischöfe und Ortskirchen im geltenden Kirchenrecht des Codex luris Canonici von 1983 adäquat umgesetzt wurde, vgl. z.B. S. Demel, Dienste und Ämter im Volk Gottes, in:
P. Hünermann, Hrsg., Das Zweite Vatikanische Konzil und die Zeichen der Zeit heute. Freiburg/Brsg. 2üü6, 340-347, G. Bausenhart, Zentrale Desiderate für die kirchliche Gesetzgebung, in: ebd., 362-381, hier: 371-374.
K. Koch, Das Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Domious, in: EX. Bischof, 5. Leimgruber, Hrsg., Vierzig Jahre II. Vatikanum. Zur Wirkungsgeschichte der Konzilstexte. Würzburg 2004, 141-158, hier 157.
Eine solche Entwicklung ist auch ohne «Demokratisierung» im engeren Wortsinne möglich. Entscheidend ist, daß die Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Ebenen wirklich erweitert werden und daß die Leitung der Universalkirche sich nicht doch de facto sämtliche Kompetenzen vorbehält. Zum Verhältnis von Subsidiarität und päpstlichem Primat bzw. römischer Kurie vgl. V. Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4), 33-52. Zur ganzen Thematik von innerkirchlichem Pluralismus vgl. A. Franz, Hrsg., Was ist heute noch katholisch? Zum Streit um die innere Einheit und Vielfalt der Kirche. (OD 192). Freiburg/Brsg. 2001.
E. Corecco, Die kulturellen und ekklesiologischen Voraussetzungen des neuen Codex luris Canonici, in: M. Amherd, L. Carlen, Hrsg., Das neue Kirchenrecht. Seine Einführung in der Schweiz. Zürich 1984,19-59, hier: 51; zu dieser Problematik s. auch D. Kosch, Perspektiven für ein partnerschaftliches und streitbares Miteinander pastoralcr und staatskirchenrechtlicher Strukturen, in: SJKR/ASDE 10 (2005), 81-110,95-98.
Zu den Räten vgl. z.B. L. Carlen, Hrsg., Räte in der Kirche zwischen Recht und Alltag. (Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat 24). Freiburg/Schweiz 1987; S. Demel, Mitmachen — Mitreden — Mitbestimmen. Grundlagen, Möglichkeiten und Grenzen in der katholischen Theologie. (Topos 379). Regensburg 2001; V. Zsifkovits, Die KIRCHE. eine Demokratie (Anm. 4), 81f.
Zur Frage, inwieweit das geltende Kirchenrecht von 1983 die Krönung des Konzils oder seine Entwertung darstellt, vgl. z.B. G. Bausenhart, Desiderate; S. Demel, Dienste (beide Anm. 26); S. Demel, L Müller, Krönung oder Entwertung des Konzils? Das Verfassungsrecht der katholischen Kirche im Spiegel der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils. Trier 2007; N. Lüdecke. Der Codex luris Canonici von 1983: <>Krönung>» des II. Vatikanischen Konzils?, in: H. Wolf, C. Arnold, Hrsg., Die deutschsprachigen Länder und das II. Vatikanum. (Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums, Bd 4), Paderborn 2000, 209-237; M. Wijlens, Zur Vehältnisbestimmung von Konzil und nachkonziliärer Rechtsordnung. Eine theologisch-kanonistische Reflexion, in: P Hünermann, Hrsg., Das Zweite Vatikanische Konzil (Anm. 7), 331-339.
Vgl. dazu E Annen, Der eine Leib und die vielen Glieder. IKor 12 und das Amtsverständnis der Kirche heute, in: R. Scoralick, Hrsg., Damit sie das Leben haben (Joh 10,10). FS W. Kirchschläger. Zürich 2007,23-41.
Vgl. dazu V. Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4). 83- 106.
Vgl. dazu z.B. F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte. (Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat 36) Freiburg/Schweiz 1992; ders., Kirche und Demokratie (Anm. 18); W. Huber, Gerechtigkeit (Anm. 13): A. Loretan, Grundrechte in den Kirchen, in: P. Richli, Hrsg.. Wo bleibt die Gerechtigkeit? (LBR 5). Zürich 2005. 227-251;T. Marauhn, Grundrechte in den Kirchen?, in: P. Richli. Hrsg., Wo bleibt die Gerechtigkeit? (LBR 5), Zürich 2005,203-225.
S. Demel, Mitmachen (Anm. 30), 36f.
W. Huber, Gerechtigkeit und Recht (Anm. 13), 436.
A. Loretan, Grundrechte (Anm. 34), 228.
S. Demel. Mitmachen (Anm. 30), 61-65; vgl. V. Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4), 84f. F. Hafner, Kirchen (Anm. 34), 253-292 stellt «Lücken und Desiderata» in folgenden Bereichen fest: «Lücken im Katalog der Pflichten und Rechte aller Gläubigen><, «Gleichheit aller Christgläubigen<>. «Die Laien in der Kirche«, «Die rechtliche Stellung der Frau nach dem Codex von 1983<>. Partizipation der Gläubigen an innerkirchlichen Entscheidprozessen und Wahlen», «Stellung der Ortskirche gegenüber der römischen Universalkirche<. Einleitend weist er darauf hin, daß Papst Johannes-Paul II. den Codex als «opus humanum<> bezeichnet hat, von dem es niemand wagen könne, dieses als vollkommen zu bezeichnen (253).
Die Literatur dazu ist sehr umfangreich. Ich verweise lediglich auf: S. Ahlers, Gleichstellung der Frau in Staat und Kirche — ein problematisches Spannungsverhältnis. (ReligionsRecht im Dialog 2). Münster 2006; S. Demel, Frauen und kirchliches Amt. Vom Ende eines Tabus in der katholischen Kirche. Freiburg/Brsg. 2004; E Hafner, Kirchen (Anm. 34), 270-276; A. Loretan, Gleichstellung der Geschlechter und die Kirchen aus religionsrechtlicher und rechtsphilosophischer Sicht, in: SJKR/ASDE 9 (2004) 11-38; V. Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4), 93-101.
W. Huber, Gerechtigkeit und Recht (Anm. 13), 440-444.
Zur Frage der Demokratie äußert sich das römische «Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe» vom 22. Februar 2006 klar negativ, wenn es zur «Mitwirkung der Gläubigen in den diözesanen Räten» festhält: «Der Bischof wird in eindeutiger Weise daran erinnern, dass sich die Organe der Mitwirkung nicht an den Maßstäben einer parlamentarischen Demokratie orientieren, weil sie beratende und nicht entscheidende Natur besitzen.» (Nr. 165)
Vgl. dazu S. Demel, Dringender Handlungsbedarf. Der Glaubenssinn des Gottesvolkes und seine rechtliche Umsetzung, in: HerKorr 58 (12/2004), 618-623; D. Wiederkehr, Hrsg., Der Glaubenssinn des Gottesvolkes — Konkurrent oder Partner des Lehramts. (OD 151). Freiburg/Brsg. 1994.
Vgl. dazu L. Kaufmann, N. Klein, Johannes XXIII. Prophetie im Vermächtnis. Freiburg/Schweiz 1990. 129.136. Zur Konzilsgeschichte und den konziliaren Entscheidungsprozessen vgl. bes. O.H. Pesch, Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte Verlauf — Ergebnisse — Nachgeschichte. (Topos Plus 393). Würzburg 2001; G. Alberigo, Die Fenster öffnen. Kleine Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zürich 2006.
Zsifkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4), 26.
S. Demel, Mitmachen (Anm. 30), 129ff.
V. Zisfkovits, Die KIRCHE, eine Demokratie (Anm. 4).
J. Ratzinger, Demokratisierung (Anm. 5). 46.