24.08.2013
Liebe Brüder im Episkopat,
wir sind drei emeritierte Bischöfe, die gemäß den Lehren des II. Vatikanums, zwar nicht mehr Hirten lokaler Kirchen sind, aber Mitglieder des Episkopats sind. Gemeinsam mit dem Papst fühlen wir uns verantwortlich für die Gemeinschaft der katholischen Kirche.
Wir haben uns sehr gefreut über die Wahl von Papst Franziskus zum neuen Hirten der Kirche, seine Botschaft der Erneuerung und Bekehrung und seinen Ruf zu größerer Einfachheit und größerem evangelischem Eifer der pastoralen Liebe zur Kirche.
Wir waren berührt von seinem Besuch in Brasilien, besonders von seinen Worten an die Jugend, aber auch an die Bischöfe. Das brachte uns den historischen Katakombenpakt in Erinnerung.
Begreifen wir Bischöfe, was dieser neue Horizont der Kirche theologisch bedeutet? In einem Interview in Brasilien erinnerte der Papst an die berühmte mittelalterliche Maxime: „Ecclesia semper renovanda“.
In unserer Verantwortung als Bischöfe der katholischen Kirche erlauben wir uns als Geste des Vertrauens, euch diese Überlegungen zu senden, als brüderliche Anfrage, dass wir darüber einen größeren Dialog entwickeln.
1. Die Theologie des 2. Vaticanums über den bischöflichen Dienst:
Das Dekret "Christus Dominus" widmet das 2. Kapitel der Beziehung zwischen Bischof und Lokalkirche. Jede Diözese wird als „Teil des Volkes Gottes“ vorgestellt (sie ist nicht länger nur ein Gebiet) und es wird gestgestellt, dass „jede Lokalkirche die Kirche Christi verwirklicht, eine, heilige, katholische und apostolische“ (CD 11), denn jede Lokalkirche ist nicht nur ein Teilstück oder eine Filiale des Vatikans, sondern ist wahrhaftig die Kirche Christi, wie es das Neue Testament sagt (LG 22). „Jede Lokalkirche wird durch den Heiligen Geist mittels des Evangeliums versammelt, hat ihren eigenen Bestand im Dienst der Nächstenliebe, in der Mission, die Welt zu verändern und das Reich Gottes zu bezeugen. Diese Mission drückt sich in der Eucharistie und den Sakramenten aus. Sie wird erfahren in der Gemeinschaft mit ihrem Hirten, dem Bischof.“
Diese Theologie sieht den Bischof nicht über oder außerhalb der Kirche, sondern als Christ in seiner Herde mit einem Dienst an seinen Brüdern. Durch so eine Einreihung ist jeder Bischof, ob Ortsbischof oder Emeritus, auch die Weihbischöfe und die Bischöfe mit pastoralen Funktionen ohne Diözese, durch die von Gott empfangene Gabe der Weihe Mitglied des Episkopats und verantwortlich für die katholische Kirche.
2. Die erforderliche Synodalität im 21. Jahrhundert:
Die Organisation des Papsttums als zentralistische monarchische Struktur wurde im Pontifikat von Gregor VII eingeführt, im Jahr 1708. Im 1. Jahrtausend der Christenheit war der Primat des Bischofs von Rom viel kollegialer organisiert, und die ganze Kirche war viel synodaler.
Das 2. Vatikanum lenkte die Kirche wieder zum Verständnis des Episkopats als kollegialen Dienst. Diese Neuerung bewirkte während des Konzils den Widerstand einer unzufriedenen Minderheit. Das Thema wurde tatsächlich nicht ausreichend definiert. Außerdem haben der Kodex des Kanonischen Rechts von 1983 und die Dokumente des Vatikans seit damals nicht Kollegialität priorisiert, sondern ihr Verständnis beschnitten und ihre Ausübung behindert. Das begünstigte die Zentralisierung und wachsende Macht der römischen Kurie zum Nachteil der nationalen und kontinentalen Bischofs-Konferenzen und sogar der Bischofssynoden, die nur Beraterfunktion haben, und der Bischof von Rom hat die höchste und volle Gewalt über die ganze Kirche.
Es scheint, dass Papst Franziskus die Struktur der Kirche reformieren will, indem er allen unseren Diözesen eine synodalere und kollegialere Organisation erlaubt. Dazu setzte er eine Kommission von Kardinälen aller Kontinente ein, um eine mögliche Reform der römischen Kurie zu überlegen. Um konkrete Schritte zu setzen und diesen Weg effizient zu machen, - und das passiert alles schon - , braucht er unsere aktive und bewusste Teilnahme. Wir verstehen die eigentliche Funktion der Bischöfe nicht als bloße Berater oder Helfer des Papstes, wenn er etwas fragt oder wünscht, sondern als mit dem Papst dazu beauftragte Hirten, die universelle Gemeinschaft und Sorge um alle Kirchen zu gewährleisten.
3. Der 50. Jahrestag des Konzils
In diesem historischen Moment, der auch mit dem 50. Jahrestag des Konzils zusammenfällt, ist der erste Beitrag, den wir für die Kirche leisten können, unsere Mission als Hirten in der Priesterschaft des Neuen Testaments auszuüben, nicht als Priester des alten Bundes, sondern als Propheten. Das erfordert, dass wir mit dem Bischof von Rom effizient zusammenarbeiten und in Freiheit und Autonomie unsere Meinung ausdrücken über Themen, die theologisch und pastoral überarbeitet werden müssen. Wenn die Bischöfe der Welt mit mehr Freiheit und Verantwortung die Pflicht des brüderlichen Dialogs ausüben würden und freier ihre Meinung über verschiedene Themen ausdrücken würden, brächen wir sicher einige Tabus, und die Kirche würde den Dialog mit der Menschheit wieder aufnehmen. Was Papst Johannes XXIII begann, setzt Papst Franziskus fort.
Es ist eine Chance, das 2. Vaticanum zu aktualisieren, ein für allemal die Versuchung der Christenheit zu überwinden, in einer pluralistischen und armen Kirche zu leben und die Option für die Armen, eine Ekklesiologie der Teilhabe, der Befreiung, der Diakonie, der Prophetie, des Martyriums… eine explizit ökumenische Kirche, des Glaubens und der Politik, der Integration in unser Amerika, die die Rechte der Frauen fordert, die die Verschlossenheit überwindet, die von einer missverstandenen Ekklesiologie herrührt.
Als das Konzil vorbei war, schlossen einige Bischöfe – darunter viele brasilianische - den Pakt in den Katakomben von St. Domitilla. Ihnen folgten fast 500 Bischöfe mit Hingabe an eine radikale und tiefe persönliche Bekehrung. So wurde mutig und prophetisch das Konzil angenommen. Heute denken viele Menschen in verschiedenen Teilen der Welt an einen neuen Pakt der Katakomben. Weil wir zu euren kirchlichen Überlegungen beitragen möchten, senden wir euch im Anhang den Originaltext des ersten Paktes.
Papst Franziskus verurteilt Klerikalismus als Gefangennahme der zentralen Bedeutung des Volkes Gottes im Verständnis der Kirche, deren Mitglieder durch die Taufe zur Würde von „Priestern, Propheten und Königen“ erhoben wurden. Solch ein Klerikalismus schloss die LaInnen von kirchlichen Führungs-Rollen aus, weil durch Höherwertung des Weihesakraments gegenüber der Taufe die Gleichheit aller Getauften in Christus – Männer und Frauen - verletzt wird.
Außerdem wird es wichtig in Zusammenhang mit einer Welt, in der die meisten Katholiken in südlichen Ländern (Südamerika und Afrika) leben, der Kirche auch ein anderes Gesicht zu geben, zusätzlich zu dem, was in der westlichen Kultur üblich ist. In unserem Land müssen wir die Freiheit haben, die Sprache des Glaubens und der Liturgie zu de-okzidentalisieren, nicht um eine andere Kirche zu erschaffen, sondern um das Katholische zu bereichern.
Letztlich ist unsere Herausforderung der Dialog mit der Welt. Es geht darum, dass wir wissen, welches Bild von Gott wir vermitteln und vor der Welt bezeugen durch unsere Lebensweise, die Sprache unserer Feiern und die Form unserer pastoralen Aktivitäten. Das muss unsere Sorge sein und unsere Aufmerksamkeit an sich ziehen. In der Bibel bedeutet „zurückkehren zu unserer ersten Liebe“ die Wiederaufnahme der Mystik und Spiritualität des Exodus. Für unsere Kirchen in Lateinamerika bedeutet „zurückkehren zu unserer ersten Liebe“ die Wiederaufnahme der Mystik der Gottesreiches, das Gehen mit den Armen und uns in den Dienst ihrer Befreiung zu stellen. Die pastoralen Aktivitäten in unserer Diözese sollen nicht zu bloßen Anhängseln kirchlicher Organisationen werden. Im Gegenteil, das ist was uns zur Kirche macht, einer durch den Geist einberufenen Versammlung: zu bezeugen, dass das Reich kommt und wir wirklich beten und wünschen: Dass dein Reich komme!
Diese Zeit ist zweifellos, besonders für uns Bischöfe, die Zeit zu handeln. Papst Franziskus sagte es zu den Jugendlichen beim Weltjugendtag so, um sie bei ihrer Mobilisation zu unterstützen: „Ich wünsche, dass die Kirche auf der Straße sei.“ Hier widerhallen die enthusiastischen Worte des Apostels Paulus an die Römer: „Es ist Zeit aufzuwachen, es ist Zeit die Waffen des Lichts anzulegen.“(13.11) Das sei unsere Mystik und unsere tiefste Liebe.
Wir umarmen euch in brüderlicher Freundschaft
15. August 2013, Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel
Dom José Maria Pires, emeritierter Erzbischof von Paraíba.
Dom Tomás Balduino, emeritierter Bischof von Goiás.
Dom Pedro Casaldáliga, emeritierter Bischof von São Félix do Araguaia.
Übersetzt von Barbara Mossig
Originalbrief