Eucharistie: Quelle, Mitte, Höhepunkt

Den folgenden Artikel schrieb Hans Peter Hurka 2011 in Kirche In

Die Problematik liegt klar auf der Hand: Die lebensfremden und stark beschränkenden römischen Zugangsvoraussetzungen zu den priesterlichen Diensten erzeugen einen Priestermangel. Die Gemeinschaft am Ort kann dadurch immer weniger oft Eucharistie feiern, weil der kirchenrechtlich zugelassene „Zelebrant … nur der gültig geweihte Priester ist“ (Can. 900 CIC).

„Die Leitung und die Feier der Eucharistie werden von der Zahl der zölibatären Priester abhängig gemacht. Das ist der falsche Ansatz. Vielmehr muss die Zahl der Vorsteher / Vorsteherinnen für die Gemeindeleitung und die gemeindliche Eucharistiefeier der Zahl der Gemeinden angepasst werden.“ Das stellen die Reformbewegungen in der zweiten ihrer sieben Thesen zur Überwindung der eucharistischen Austrocknung der Gemeinden fest.

Bei dem am 5. November in Linz abgehaltenen Studientag zitiert Franz Nikolasch aus dem Lexikon für Theologie und Kirche: „Wo eine Gemeinde sich in Glaube, Hoffnung, eschatologischer Erwartung und Liebe zur Abendmahlsfeier versammelt, da wird diese Feier auch Gnade in den Gläubigen wirken und ihre Christusverbundenheit stärken. Auch der Katholik darf also die protestantische Abendmahlfeier nicht als bloßes, unwirksames Zeichen betrachten“ (LThK Ergbd. II, S. 108).

Daraus schließt der em. Liturgieprofessor, „Was in diesem Text von einer Abendmahlfeier in den Kirchen der Reformation gesagt wird, muss auch von der Feier einer Gemeinschaft katholischer Christen gelten, denen ein ordinierter Vorsteher der Mahlfeier verwehrt wird, die aber dennoch das Gedächtnis von Tod und Auferstehung des Herrn in einer Mahlfeier begehen.“ Und er setzt fort, „Von der Kirchenleitung ist zu erwarten, dass sie Gemeinden, denen ein ordinierter Vorsteher verwehrt ist, eine Eucharistie ermöglicht, die zwar nicht „die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit“ beinhaltet, aber dennoch Eucharistiefeier ist.“

Sein Referat fasst er zusammen: „Wo immer eine Gemeinde sich versammelt, … um in der Feier des Mahles des Herrn zu gedenken, dort ist der Herr entsprechend seiner Zusage … in ihrer Mitte gegenwärtig. Entscheidend ist aber nicht der Vorsteher, der im Namen der Gemeinde handelt und spricht, sondern die Gemeinde. Wird ihr ein Vorsteher für diese Feier verwehrt, so ist ihr dennoch nicht die Gegenwart des Herrn in der Feier des Mahles verwehrt, wenn sie sein Gedächtnis begeht und den Vater bittet, er möge durch seinen Geist die Gaben heiligen.“

Peter Trummer verweist in seinem Referat darauf, dass Paulus die Verständlichkeit der Gottesdienstsprache zur Norm erklärt hat damit „das Verborgene eines Menschenherzens offengelegt werden“ kann. So kommt es zur „Erkenntnis und dem Bekenntnis“: Wahrhaft Gott ist in euch (1 Kor 14,25). Gotteserfahrung wird vor allem über eine verständliche, heilsame und heilende Sprachgemeinschaft vermittelt, sagt der Bibelwissenschafter. Er führt den Erfolg des frühen Christentums auf die „Radikalität christlicher Geschwisterlichkeit und Nähe“ zurück.

Das Grundprinzip der Eucharistie ist nicht die „Realpräsenz“, sondern das gemeinsame Tun aller Gläubigen, das „allen Menschen offen steht“, sagt Trummer. Wer das Brot oder den Becher des Herrn unwürdig (das heißt rücksichtslos) isst oder trinkt schadet sich selbst (1 Kor 1,27ff), zitiert er Paulus. Biblisch gesehen, hat die Kirchenleitung nicht zu disziplinieren. Nicht die Zeichen sind es, sondern das was mit ihnen getan wird, wodurch das gemeinte Heil glaubhaft vermittelt wird. Anschauung und Anbetung allein genügen nicht. Ohne Brechen und Teilen kommt die jesuanische Botschaft nicht durch, weist der Grazer Theologe den Weg.

Bei ihrer Einbindung in die Evangelien haben die Evangelisten dem Mahl einen neuen Rahmen und Sinn gegeben: Tut dies zu meinem Gedächtnis (1 Kor 11,24f). Das ist an die ganze (!) Gemeinde gerichtet, nicht an die Apostel im Abendmahlsaal, sagt Trummer. Die gesamte Feier der ganzen Gemeinde stiftet (oder verunmöglicht) die geistige und geistliche Gegenwart Christi. Der Einsetzungsbericht ist als Schriftlesung kein Rollenskript für eine priesterliche Funktion („in persona Christi“), bekräftigt er. Er muss auch nicht in jedem „Hochgebet“ vorhanden sein. Zudem setzt selbst die lateinische Liturgie (und nicht nur die Ostkirche) vor allem auf die „Epiklese“.

Bei ausschließlicher Konzentration auf den Priester bzw. auf die eucharistischen Gaben oder bestimmte Augenblicke der Eucharistie wird der Blick eingeengt, meint Trummer. Der „Einsetzungsbericht“ begründet das Tun der Gemeinde. Der Priester kann damit nicht das Göttliche / eigentlich Geistige / Geistliche, um das alle bitten müssen, herbeirufen. Laien, und vor allem auch die Frauen unter ihnen, sollten bei ihrem gemeinsamen Tun im Namen Jesu nicht mehr in diese Falle tappen, rät der Bibelwissenschafter.

Zur pastoralen Situation sagt Trummer: „Pfarrzusammenlegungen sind ein ökologischer, spiritueller und sozialer Wahnsinn: Kein Priester kann mehrmals am Tag dieselben Mysterien mit Menschen feiern, die er immer weniger kennt oder seelsorgerlich betreuen kann“. Und er rät, „die christlichen Gemeinschaften und Hauskirchen sollen alternative sakramentale Mahlfeiern einüben. Wo der Einsetzungsbericht unverzichtbar scheint, sollte er als Lesung ausgewiesen sein, um unnötige kirchliche Grenzverletzungen zu vermeiden.“

Auf diesem Hintergrund haben die Reformbewegungen festgestellt: „Jede Gemeinde hat das Recht auf einen Vorsteher oder eine Vorsteherin. Wenn der Bischof seiner Verpflichtung, dies sicherzustellen, nicht nachkommt, werden die Gemeinden unter Berufung auf das Allgemeine Priestertum ihre Verantwortung wahrnehmen, um die Feier der Eucharistie als Höhepunkt, Quelle und Kraft (Vatikanum II, Liturgiekonstitution 10) des Glaubens weiterhin zu ermöglichen.“

Die österreichischen Bischöfe haben im Anschluss an ihre Herbstkonferenz festgestellt, „Eucharistiefeiern ohne Weihesakrament“ seien „ein offener Bruch mit einer zentralen Wahrheit unseres katholischen Glaubens“. Hier gehe es „um fundamentale Fragen der katholischen Identität“.

Es geht aber nicht nur um theoretische Aussagen pro und contra. Faktum ist, in vielen Gemeinden, ja Pfarren und Klöstern wird das „Herrenmahl“ gefeiert, auch ohne Priester. Dabei beten und singen und teilen die Menschen Brot und Wein miteinander, im Bewusstsein, Jesus Christus ist mitten unter ihnen. Es geht ihnen um eine gemeinschaftliche authentische Feier ihres Glaubens, in einer verständlichen Sprache unserer Zeit und mit Gesten, die ihrem Erfahrungsbereich entnommen sind. Niemand will dabei Eucharistie „simulieren“.

Die ersten Christinnen und Christen kannten zwei Erkennungszeichen: Die Berufung auf Jesus, den auferweckten und seine Nachfolge sowie die gemeinsame Feier des „Herrenmahls“. In diese Tradition sehen sich immer mehr Gemeinden gerufen.

Hans Peter Hurka