Am Vorabend des Konzils

 

25.01.2012, Walter Kirchschläger

Der Beitrag ist der Schweizerischen Kirchenzeitung 180 (2012) entnommen.

Am 25. Dezember 1961 hat Johannes XXIII. mit der Unterzeichnung der Apostolischen Konstitution Humanae salutis das zweite Vatikanische Konzil einberufen. Am gleichen Tag wird das Dokument in den vier römischen Hauptbasiliken feierlich verlesen. Mit dem vergangenen Weihnachtsfest sind wir also in den unmittelbaren Countdown zum Rückblick auf dieses Konzil und zum Ausblick auf seine Umsetzung heute eingetreten. Es lohnt sich, die Phase vor dem Konzil bis zu dessen Beginn nochmals zu bedenken – den einen zur Auffrischung ihrer Erinnerung, den anderen, um sie auf diese Weise an jener spannenden Zeit der neueren Kirchengeschichte teilhaben zu lassen.1)

Countdown zum Konzil

Nach dem Tod von Pius XII. am 9. Oktober 1958 wurde am darauffolgenden 28. Oktober der damalige Patriarch von Venedig, Angelo Guiseppe Roncalli, im Alter von 77 Jahren zum Bischof von Rom gewählt. Alles deutete auf einen „Papst des provisorischen Übergangs“ 2) hin, der mit seinem unkomplizierten und gütigen Wesen wohl eine sachte Entkrampfung nach dem vielfach als rigide empfundenen langen Pontifikat Pius XXII.‘ (1939-1958) herbeiführen konnte.

Die ersten Spuren des Stichworts „Konzil“ finden sich im Januar 1959: „Ohne zuvor daran gedacht zu haben, habe ich in einem ersten Gespräch mit meinem Staatssekretär [Kardinal Domenico Tardini] am 20. Januar 1959 die Worte: Ökumenisches Konzil, Diözesansynode und Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches ausgesprochen, ohne je zuvor daran gedacht zu haben und entgegen allen meinen Ahnungen und Vorstellungen über diesen Punkt.“ 3) Wenige Tage später spricht der Bischof von Rom diesen Plan in einer qualifizierten Öffentlichkeit aus: Nach dem Gottesdienst zum Fest Pauli Bekehrung (25. Januar 1959) entwickelt er vor den 17 in St. Paul vor den Mauern anwesenden Kardinälen das Programm seines Pontifikats. Er benennt die Abhaltung einer Diözesansynode für das Erzbistum Rom und die Einberufung eines Ökumenischen Konzils, beides als Voraussetzung für ein „aggiornamento“ des Codex Iuris Canonici.4) Die verhaltene Reaktion der Anwesenden sowie der in den nächsten Tagen informierten anderen Kardinäle bringt Johannes XXIII. in keiner Weise von seinem Vorhaben ab.5)

Grundsätzlich darf nicht übersehen werden, dass die Idee eines Konzils nicht gänzlich neu war. Kardinal Ernesto Ruffini, Erzbischof von Palermo und rigoroser Vertreter eines antimodernistischen, in der Vormoderne verharrenden Kirchenkurses, 6) gilt als Promotor einer solchen Idee bereits in den letzten 10 Jahren des Pontifikats von Pius XII. Ob dabei an die Fortsetzung des 1870 abgebrochenen I. Vatikanischen Konzils oder an eine den restaurativen Kirchenkurs bestätigende neue Kirchenversammlung gedacht war, muss wohl offen bleiben. 7) Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, Kardinal Josef Frings (Erzbischof von Köln) habe auf der Rückfahrt vom Konklave 1958 von der Möglichkeit eines baldigen Konzils gesprochen.8)

In welche Richtung das von Johannes XXIII. angestossene Konzilsprojekt gehen werde, war zu diesem frühen Zeitpunkt wohl noch nicht klar. 9) Die weitere Zeit bis zum Konzil wird eine Phase des Tauziehens zwischen verschiedenen Vorstellungen über das Konzil, zwischen Beschleunigungsversuchen und der Tendenz zur Verzögerung, auch eine Zeit von Befürchtungen, die Kirche könne noch nicht bereit sein für ein Konzil. Die diesbezüglichen Chroniken bieten eine höchst spannende Lektüre, zugleich legen sie die grossen Spannungen in der Kirche offen: Spannungen zwischen jenen, welche die Kirche in der übernommenen Gestalt und theologischen Ausrichtung bewahren wollten, 10) und anderen, die zu einer Öffnung auf die Welt hin drängten. 11) In gewisser Weise vereinigte Johannes XXIII. in seiner Person Elemente beider Tendenzen. Die Beschlüsse der Römischen Diözesansynode (24. bis 31. Januar 1960) sprechen eindeutig die Sprache einer antimodernistischen Kirche des 19. und der ersten Jahrzehnte des 20. Jh. und orientieren sich auch an den tradierten Formen von Kirchenverständnis und kirchlichem Leben. Die anders ausgerichtete, pastorale Orientierung des Konzils wird in der Eröffnungsansprache unverkennbar zum Ausdruck kommen (siehe dazu unten). In der Radiobotschaft vom 11. September 1962 Ecclesia Christi lumen gentium legt Johannes XXIII. der Weltöffentlichkeit erstmals seine diesbezügliche Perspektive vor.12)

Es gehörte zu den Charismen von Johannes XXIII., sich in der Phase der Vorbereitung des Konzils von den zurückhaltenden Tendenzen nicht irritieren und von den drängenden Versuchen nicht vereinnahmen zu lassen, die verschiedenen Flügel zusammenzuhalten und mit Klugheit, fallweise auch mit Charme und Humor Widerstände einzubinden. 13) Sein im Alltag gegenüber seinen Mitarbeitern immer wieder wiederholtes „corragio, coraggio“ und „avanti, avanti“ 14) sind dafür sprichwörtlich geworden.

Am 16. Mai 1959 errichtet Johannes XXIII. die Vor-vorbereitende Konzilskommission (die so genannte antepraeparatoria) und stellt sie unter den Vorsitz des Karinalstaatssekretärs. Als Generalsekretär fungiert Mons. Pericle Felici, der spätere Generalsekretär des Konzils. 15) Damit ist die Phase der inhaltlichen Vorbereitung der Kirchenversammlung eröffnet. Es folgt die Einholung von Vorschlägen für Beratungsgegenstände auf dem Konzil, die Erarbeitung von entsprechenden Textentwürfen (Schemata) der Aufbau einer inhaltlich und strukturell tauglichen Konzilsorganisation. In diesen Arbeiten wird der Grundstein für die spätere Konzilshermeneutik gelegt. 16) Mit der im Motu Proprio Superno Dei nutu 17) am 5. Juni 1960 erfolgten Errichtung der Zentralkommission (praeparatoria), der Theologischen Kommission und weiterer Sachkommissionen, darunter das Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen, tritt die Konzilsvorbereitung in ein stärker strukturiertes Stadium. 18)

Die am 25. Dezember 1961 ausgefertigte Apostolische Konstitution Humanae salutis 19) wird am gleichen Tag in den vier römischen Hauptbasiliken feierlich verlesen. Am Fest Maria Lichtmess (2. Februar 1962) wird durch den Bischof von Rom nach der Segnung der Kerzen das Eröffnungsdatum des Konzils bekanntgegeben: Es ist der 11. Oktober 1962, 20) damals das Fest der Mutterschaft Mariens (heute: 1. Januar). Den Wunsch, das Konzil 1962 beginnen zu lassen, hatte Johannes XXIII. bereits 1960 gegenüber seinem Staatssekretär formuliert. 21)

Über die beabsichtigte Dauer der Kirchenversammlung gab es bis zu seinem Beginn unterschiedliche Auffassungen und uneinheitliche Äusserungen. Mit immer überzeugenderer Deutlichkeit zeichnete sich bis zu diesem Zeitpunkt allerdings ab, dass die Kirchenversammlung bis Weihnachten 1962 nicht beendet sein würde. 22) Bezeichnend für seine diesbezügliche Offenheit ist eine Passage aus der so genannten „Mondscheinrede“, die Johannes XXIII. am Abend des ersten Konzilstages gehalten hat: „Das Konzil hat begonnen, und wir wissen nicht, wann es zu Ende sein wird. Sollten wir bis Weihnachten nicht zum Ende kommen, weil es uns vielleicht nicht gelingt, bis zu diesem Tag alles zu sagen und die verschiedenen Themen zu behandeln, wird eine weitere Zusammenkunft nötig sein…“ 23)

Mit dem Motu prorio Appropinquante Concilio wird am 6. August 1962 (Fest der Verklärung Jesu) die Geschäftsordnung des Konzils erlassen. 24) Am 4. September 1962 folgt ein Apostolisches Breve mit Ernennungen in wichtige Konzilsämter. 25) Hier muss ein Blick auf das Konzilspräsidium genügen, das sich aus folgenden Kardinälen zusammensetzt: Tisserant (Kurie), ), Liénart (Lille), Tappouni (Beirut/Rom), Gilroy (Sydney), Spellman (New York), Pla y Deniel (Toledo), Frings (Köln), Ruffini (Palermo), Caggiano (Buones Aires), Alfrink (Utrecht). Das Bemühen um Internationalität und um einen Ausgleich der Denkrichtungen ist deutlich erkennbar. Mit der Ernennung von 224 Periti am 28. September 1962 26) können die Konzilsvorbereitungen als abgeschlossen angesehen werden.

Vor Konzilsbeginn zeichnete sich jedoch eine andere Entwicklung ab, die nicht unberücksichtigt bleiben darf: Schon während seiner Exerzitien vom 26. November 1961 bis 2. Dezember 1961 notiert Johannes XXIII.: „Ich merke in meinem Körper den Anfang irgendeiner Störung. Das ist in meinem Alter wohl ganz natürlich. Ich ertrage sie in Frieden, wenn sie mir auch bisweilen lästig wird, auch weil ich fürchte, sie könnte sich verschlimmern. Es ist nicht gut, darüber zu viel nachzudenken. Aber trotzdem fühle ich mich zu allem bereit.“ 27) Dass dieser vage Hinweis der unpräzisen Einschätzung von Johannes XXIII. entsprach, belegt die Notiz in einem Brief an seinen Bruder Severo Roncalli, den er am Tag nach den Exerzitien schreibt: „… um Dir zu sagen, … dass es mir aber weiterhin gut geht und dass ich den Weg bei guter Gesundheit wieder aufnehme, auch wenn mir dieses oder jenes kleine Leiden andeutet, dass achtzig Jahre keine sechzig oder fünfzig sind.“ 28) Im von seinem Privatsekretär Loris Capovilla zusammengestellten Lebenslauf im Anhang zum Geistlichen Tagebuch findet sich zum 23. September 1962 der Hinweis: „Erste Anzeichen der Krankheit.“ 29) Kardinal Léon-Joseph Suenens deutet mit einem durch ihn überlieferten Zitat an, welchen Sinn Johannes XXIII. seiner Krankheit zu geben schien: „Jetzt verstehe ich, welchen Beitrag zum Konzil der Herr von mir fordert: mein Leiden.“ 30)

Eröffnung des Konzils

Mit einem feierlichen Gottesdienst und der Eröffnungsansprache Gaudet mater ecclesia wurde am 11. Oktober 1962 das Konzil eröffnet. Die Atmosphäre war geprägt von Spannung, Erwartungen, vielfältige Hoffnungen – und Ängsten. Die zahlreichen Eindrücke und Kommentare dazu sind vielfach dokumentiert. 31) Zwei bemerkenswerte Gesten legten schon non-verbal dasVerhältnis von Johannes XXIII. gegenüber dem Konzil und den versammelten „Mitbrüdern im Bischofsamt“ offen. Anders als damals noch üblich, trug er beim Einzug zum Konzil nicht die Tiara des Papstes, 32) sondern eine Mitra wie alle Bischöfe. Am Eingang der Basilika St. Peter stieg er überdies von der Sedia gestatoria ab und ging mit den Bischöfen durch das Langschiff von St. Peter zu seinem Platz. Als Bischof von Rom wollte er mit den Bischöfen der Kirche der ganzen Welt das Konzil feiern. Mit der Eröffnungsansprache aus seiner Feder 33) gab er dem beginnenden Konzil seine Ausrichtung und seine Prägung. Der Zeitpunkt und Anlass der Rede und die Person des Sprechenden machen es zwingend, von der normierenden hermeneutischen Gewichtung der Ansprache auszugehen. Sie enthält nicht nur „eine der vollendetsten Ausdrucksformen der Konzilsvision von Papst Roncalli“, 34) sie gibt das Programm und die Richtung vor, die für die beginnende Kirchenversammlung massgeblich sein wird.

Johannes XXIII sprach 35) vom „aggiornamento“ (n. 6), von der Verheutigung der Kirche also in eine neue Zeit. Er ermutigte zum „Sprung nach vorwärts“ (n. 15), den die Kirche in die Gegenwart tun müsse, von einer neuen Sprache, in die das Evangelium zu fassen sei, wenn es im Heute erneut verkündet wird, 36) und er gab der Kirche ein damals neues Profil, wenn er diese Kirchenversammlung in den Rahmen eines „Lehramtes von vorrangig pastoralem Charakter“ (n. 15) stellte. Zugleich brandmarkte er die „Unglückspropheten“ in den eigenen Reihen, die „zwar voll Eifer, aber nicht gerade mit einem sehr grossen Sinn für Differenzierung und Takt begabt sind. In der jüngsten Vergangenheit bis zur Gegenwart nehmen sie nur Missstände und Fehlentwicklungen zur Kenntnis. Sie sagen, dass unsere Zeit sich im Vergleich zur Vergangenheit nur zum Schlechteren hin entwickle. Sie tun so, als ob sie nichts aus der Geschichte gelernt hätten, die doch eine Lehrmeisterin des Lebens ist“ (n. 8). Johannes XXIII. beklagte, dass die Haltung dieser Unglückspropheten für ihn im Alltag seines Leitungsamtes „verletzend“ (ebda.) sei. 37) Zugleich rief er zu einem neuen Pfingsten auf und empfahl der Kirche das „Heilmittel der Barmherzigkeit“ 38) dort, wo es Menschen nicht gelingt, den Glauben der Kirche in vollem Umfang in ihrem Leben zu verwirklichen. Der damalige Bischof von St. Pölten/Österreich, Dr. Franz Zak, notiert in seine Konzilsnotizen: „Aus der Ansprache des Heiligen Vaters gefiel mir besonders die pastorale Einstellung und das Hervorkehren der Güte und Barmherzigkeit den Irrenden gegenüber.“ 39)

Vieles Wichtige, freilich auch nicht alles, hat das Konzil zu Wege gebracht. Auch seine Texte sind „katholisch“ zu interpretieren, in ihrer Gesamtheit also – so wie frau oder man „auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift“ zu achten hat, soll die „rechte Ermittlung des Sinnes“ der Texte gelingen. 40) Zu diesen Kriterien einer umfassenden Interpretation gehören neben der Eröffnungsansprache des Bischofs von Rom auch das Gesamtverhalten des Konzils, seine Arbeitsweise und seine im Laufe der Sitzungsperioden immer deutlicher werdende Ausrichtung auf die Reflexion über eine Kirche, die „in der Welt von heute“ lebt. Dann ist z. B. als hermeneutische Wegleitung auch zu beachten, dass das Konzil alle vorgelegten Schemata in der urspünglich vorbereiteten Form verwarf und ihnen in der Überarbeitung oder Neubearbeitung eine neue, dem Gesamtwillen des Konzils entsprechende Ausrichtung gab. Allfällig enthaltene Kompromissformulierungen und aus heutiger Sicht unvollständige und unglückliche Ausdrucksweisen in den Texten können dieser Gesamttendenz und einer entsprechenden Interpretation der Texte nicht entgegenstehen.
Wer die Konzilstexte unter Vernachlässigung des Anliegens eines aggiornamento und ohne den Notenschlüssel einer neuen pastoral ausgerichteten Sprache und Handlungsweise der Kirche lesen möchte, handelt sich den Vorwurf ein, den Text gegen seine ursprüngliche Intention und damit fundamentalistisch zu lesen. Und wer verkennt, dass das am Eröffnungstag in das Konzil hineingetragene Anliegen der Verheutigung nicht mit dem Buchstaben und dem Text des Konzils abgeschlossen ist, sondern schon seit biblischer Zeit als eine grundlegende Methode zur Kirche gehört, die auch 50 Jahre nach dem Konzil in ein neues Heute geführt und darin aktualisiert werden muss, setzt sich ebenfalls diesem Vorwurf aus. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass die nach eigener Beurteilung heute massgebliche Interpretation des Konzils nicht in einem offiziellen Dokument enthalten ist, sondern lediglich in einer Ansprache des Bischofs von Rom an eine beschränkte Öffentlichkeit zum bevorstehenden Weihnachtsfest 2005 ihren Niederschlag findet. 41) Nicht erst allmählich, sondern bereits zu Beginn des Konzils, haben hingegen die damaligen Bischöfe deutlich und nachhaltig ihr Missfallen gegenüber dem Versuch einer zentralen Konzils“[um]lenkung“ zum Ausdruck gebracht:

Die erste Generalkongregation

Der Arbeitsprozess des Konzils sollte mit der Wahl der die bereits im Vorfeld des Konzils versandten Schemata beginnen. Im Vorfeld dieses einzigen Traktandums der Ersten Generalkongregation vom 13. Oktober 1962 erklärte der Generalsekretär des Konzils, dass man ohne Verzögerung die Abstimmung und sodann die Konstitution der Kommissionen vornehmen werde. Glücklicherweise – so muss im Rückblick festgestellt werden – bestand das Procedere in der Eintragung von jeweils 16 Namen in die Listen für die 10 Konzilskommissionen – wobei den Bischöfen die Listen mit den Mitgliedern der vorbereitenden Kommissionen als (wegleitende) Orientierung mitausgehändigt wurden. 42) Dieser länger dauernde Vorgang gab Kardinal Achille Liénart (Bischof von Lille, Kardinal seit 1930, selbst Mitglied des Präsidiums und 87jährig) die Möglichkeit, am Präsidiumstisch Kardinal Eugène Tisserant, der den Vorsitz führte, um das Wort zu ersuchen. Tisserant verweigerte die Redeerlaubnis unter Hinweis auf die Tagesordnung, die keine Diskussion vorsah.

Was dann geschah, kam für alle unerwartet: Kardinal Liénart griff selbst eigenmächtig nach dem Mikrophon und verlass einen Antrag zur Geschäftsordnung: Man möge die Wahl aufschieben, bis die Bischöfe einander etwas kennengelernt hätten und so auch seitens der Bischofskonferenzen selbst Wahlvorschläge eingebracht werden könnten. 43) Die Wortmeldung Lienarts wurde mit anhaltendem Beifall quittiert. Danach wiederholte sich die Situation: Kardinal Josef Frings (Köln), ebenfalls Mitglied des Konzilspräsidiums sprach ebenso ohne ihm erteiltes Wort vom Präsidiumstisch aus. Er sekundierte Kardinal Lienart und tat dies auch im Namen von Kardinal Julius Döpfner (München-Freising) und Kardinal Franz König (Wien). 44)

Nach entsprechender Beratung am Präsidiumstisch gab Kardinal Tisserant dem Antrag statt, schloss die Sitzung und vertagte nach 50 Minuten das Konzil bis zum 16. Oktober, um in der 2. Generalkongregation die entsprechenden Kommissionswahlen vorzunehmen. Bis zu diesem Tag blieben die Bischöfe nicht tatenlos. Seitens der Bischofskonferenzen wurden 34 verschiedene Listen vorgelegt. Noch am 13. Oktober 1962 wurde in der Anima „eine mitteleuropäische Liste (Frankreich, Belgien, Holland, Deutschland, Österreich, Schweiz, Polen, Skandinavien)“ zusammengestellt, wobei der „Austausch mit anderen Gruppen … angestrebt“ wurde. 45) Das Konzil hatte anders begonnen, als erwartet.

Das Vorgehen von Kardinal Liénart ist vielfach kommentiert und analysiert worden. Darin bündelt sich das Unbehagen mehrerer Bischöfe gegenüber einer geplanten Blitzaktion der Kommissionsbestellung, die weitgehend eine Perpetuierung der vorbereitenden Kommissionen hätte ringen sollen. Dies wäre für den Fortgang des Konzils entscheidend gewesen. 46) So aber kam es anders. Entscheidend dafür war die konkrete Initiative weniger Kardinäle. Sie erweist sich als das Konzil gestaltend und bleibt wegweisend – nicht zuletzt deswegen, weil diese Persönlichkeiten selbst angesichts des versammelten Weltepiskopats ihren Mut zum aufrechten Gang erkennen liessen. 47) Wegweisend für das Konzil und darüber hinaus für die Kirche bis in ihr neues Heute bleibt auch die Reaktion von Johannes XXIII. gegenüber Kardinal Liénart: „Sie haben gut daran getan, ganz laut zu sagen, was Sie denken, denn dazu habe ich die Bischöfe zum Konzil einberufen.“ 48)

Erst so konnte es wirklich ein ökumenisches, ein weltumspannendes Konzil werden. –

Anmerkungen:

1) Eine überblicksmässige, tabellarische Darstellung findet sich bei G. Caprile, Die Chronik des Konzils, in: LThK2 Erg.bd. 3, Freiburg 1968, 624-664, hier für die Zeit vor dem Konzil 624-631, sowie jetzt in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Hrsg. v. P. Hünermann/B. J. Hilberath). Bd. 5, 585-594 (zusammengestellt von J. Schmiedl); eine genauere und kritisch gearbeitete Darstellung siehe in der von G. Alberigo [und für die deutsche Ausgabe von K. Wittstadt] herausgegebenen Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (5 Bände, hier Bd. I: Die Katholische Kirche auf dem Weg in ein neues Zeitalter, Mainz 1997); des weiteren siehe O. H. Pesch, Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Nachgeschichte, Würzburg 1993, bes. 21-77. Sehr aufschlussreich sind überdies die entsprechenden Eintragungen in Johannes XXIII., Geistliches Tagebuch, Freiburg 101966. Die weitere Fachliteratur ist beinahe uferlos.

2) Siehe dazu G. Alberigo, Die Ankündigung des Konzils, in: Ders. (Hg.), Geschichte I (Anm. 1), 1-60, hier 10. Das Zitat ist eine Selbsteinschätzung von Johannes XXIII., Tagebuch (Anm. 1) 326 [zum 10. August 1961]. Vgl. dazu auch W. Kirchschläger, Johannes XXIII. und das Konzil, in: SKZ 168 (2000) 728-732.

3) Johannes XXIII., Tagebuch (Anm. 1), 350; G. Caprile, Chronik (Anm. 1) vermerkt schon zuvor die Präsenz des Themas „Konzil“ in privaten Gesprächen des Bischofs von Rom, konkret am 30. Oktober, 2. November 1958 und am 9. Januar 1959.

4) Textpassagen, Belege und Diskussion der verschiedenen Fassungen dieser Ansprache „Questa festiva ricorrenza“ bei Alberigo, Geschichte I (Anm. 1) 1 und 17 mit Anm. 2 und 28. Siehe zur Konzilsankündigung und den Reaktionen auch A. Gasser, Der Paukenschlag des Papstes, in: M. Belok/U. Kropac (Hg.), Volk Gottes im Aufbruch. 40 Jahre II. Vatikanisches Konzil, Zürich 2005, 74-100, hier 75-79.

5) Von 74 Kardinälen antworten nur 24 zustimmend, 38 Kardinäle Antworten gar nicht. Siehe G. Caprile, Chronik (Anm. 1 ) 624.

6) Bekannt ist die überaus kritische und polemische Intervention Ruffinis gegen die Bibelenzyklika Pius‘ XII. Divinu afflante Spiritu (1943): Generi letterari e ipotesi di lavoro nei recenti studi bibliche: L’Oss Rom 101/24. August (1961) 1.

7) Genaueres bei G. Alberigo, Ankündigung (Anm. 2) 13-14.

8) Diese Notiz findet sich in: Für die Menschen bestellt. Erinnerungen des Alterzbischofs von Köln Josef Kardinal Frings, Köln 1973, 247.

9) Siehe G. Alberigo, Ankündigung (Anm. 2) bes. 5-7. Zusammenfassend ders., Die Fenster öffnen. Das Abenteuer des Zweiten Vatikanischen Konzils, Zürich 2006, hier 19-60.

10) Erinnert sei z. B. an das Monitum des Heiligen Offizium über die Frage der historischen Wahrheit der Evangelien vom 21. Juni 1961: AAS 53 (1961) 507, sowie an die Tatsache, dass noch im WS 1961 von der gleichen Behörde die Professoren Stanislaus Lyonnet und Maximilian Zerwick, beides Neutestamentler am Päpstlichen Bibelinstitut, Lehrverbot erhielten. Die dahinter stehende Agitation (u. a. massgeblich von Kardinal Ruffini) ist dokumentiert bei J. A. Komonchak, Der Kampf für das Konzil während der Vorbereitung, in: Geschichte I (Anm. 1), 189-401, hier 314-320; A. Gasser, Paukenschlag (Anm. 4) 84-89.

11) Ausführlicher E. Fouilloux, Die vor-vorbereitende Phase (1959-1960). Der langsame Gang aus der Unbeweglichkeit, in: G. Alberigo, Geschichte I (Anm. 2), 61-187; O. H. Pesch,, Konzil (Anm. 1) hier 50-69.

12) So urteilt K. Wittstadt, Weichenstellungen für ein „pastorales“ Konzil – Papst Johannnes XXIII. unmittelbar vor Konzilsbeginn, in: Ders., Aus der Dynamik des Geistes, Würzburg 2004, 164-185. bes. 174-180. Siehe die Einschätzung von Johannes XXIII. dazu in Tagebuch (Anm. 1), 346 (zum 10.[sic!] September 1962): „… wie sie [„alle Welt, die in Rom zusammenströmt“: ebda.] auch der Radioansprache lebhafte Beachtung schenkte, die heute abend in aller Welt gehört wurde.“ Deutscher Text der Radiobotschaft in HerKorr 17 (1962/63) 43-46, jetzt auch in: Theologischer Kommentar 5 (Anm. 1) 476-481.

13) Dass die Vorbereitungen in verschiedene Richtungen liefen, zeigt J. A. Komonchak Kampf (Anm. 10). Der Autor dokumentiert sowohl die Bemühungen für ein „pastorales“ Konzil (hinter denen auch Johannes XXIII. stand): 202-256; zugleich auch die Arbeit für ein „Lehrkonzil“, in das (mit Ausnahmen: siehe Einheitssekretariat) die Vorbereitungsarbeiten der von der Kurie dominierten Kommissionen einzuordnen sind: 256-340.

14) Persönliche Erzählung von Loris Capovilla (Privatsekretär von Johannes XXIII.) in den Jahren nach dem Tod von Johannes XXIII. Ein schriftlicher Beleg für die typische Ermutigung „corragio, corragio“ findet sich in einem Brief des Bischofs von Rom an seinen Bruder Severo Roncalli vom 3. Dezember 1961: Tagebuch (Anm. 1) 359-361, Zitat 361.

15) Siehe zu dieser Phase O. H. Pesch, Konzil (Anm. 1) 66.

16) P. Hünermann zeigt differenziert die Genese der Textintention mit allen Irrwegen in dieser Vorkonzilsphase auf: Der Text: Werden – Gestalt – Bedeutung. Eine hermeneutische Reflexion: Theologischer Kommentar (Anm. 1) 5-101, hier bes. 18-34.

17) AAS 52 (1960) 433-437.

18) Zur Würdigung dieser Vorbereitungstätigkeit siehe J. A. Komonchak, Kampf (Anm. 10); O. H. Pesch, Konzil (Anm. 1), 66-75. Für eine systematische kommentierte Zusammenstellung siehe G. Caprile, Entstehungsgeschichte und Inhalt der vorbereiteten Schemata. Die Vorbereitungsorgane des Konzils und ihre Arbeit, in: LThK2 Erg.bd. 3, Freiburg 1968, 665-726.

19) AAS 54 (1962) 7-10.

20) G. Caprile, Chronik (Anm. 1) 628; dazu Motu proprio Consilium diu vom 2. Februar 1962.

21) Mitteilung von Kardinal Tardini an die Mitglieder der anteptraeparatoria bei deren letzter Sitzung am 8. April 1960. Siehe dazu J. A. Komonchak, Kampf (Anm. 10) 378-379. J. G. M. Willebrands referiert in seinem Tagebuch am 18. Februar 1961 sogar eine Bemerkung von P. Felici: „… it wouldn’t be against the wishes oft he Holy Father when the Council would be opened by the end of 1961“, in: Th. Salemink, „You will be Called Repairer of the Breach“. The Diary of J. G. M. Willebrands 1958-1961. (Instrumenta Theologica 32), Leuven 2009, 266.

22) Die Vielfalt ist aufgezeigt bei J. A. Komonchak, Kampf (Anm. 10) 380-382.

23) Dokumentiert bei A. Riccardi, Die turbulente Eröffnung der Arbeiten, in: G. Alberigo (Hg.), Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils. 2, Mainz 2000, 1-81, Zitat 24.

24) AAS 54 (1962) 609-631; vgl. dazu den einführenden Kommentar von H. Jedin, Die Geschäftsordnung des Konzils, in: LThK2 Erg.bd. 3, Freiburg 1968, 610-623.

25) AAS 54 (1962) 687-688. Liste und Einordnung derselben bei K. Wittstadt, Am Vorabend des Konzils, in: G. Alberigo, Geschichte I (Anm. 1) 457-560, hier 502 mit Anm. 151 (Liste der Amtsträger).

26) Siehe die Liste in AAS 54 (1962) 782-784. Zur Rechtsstellung der Periti vgl. can 223 CIC 1917 sowie Art. 9 bis 11 der Geschäftsordnung des Konzils. Eine Einführung zur Bedeutung der Periti für das Konzil siehe bei K. Wittstadt, Am Vorabend (Anm. 25) 503-506.

27) Tagebuch (Anm. 1) 343; zu einer diesbezüglich beiläufig scheinenden Bemerkung im Juli 1962 siehe A. Gasser, Paukenschlag (Anm. 4) 92 mit Anm. 30.

28) Johannes XXIII., Tagebuch (Anm. 1) 359.

29) Ebda. 478. Gleiches notiert G. Caprili, Chronik (Anm. 1) 630; siehe dazu auch K. Wittstadt; Am Vorabend (Anm. 25) 499, und O. H. Pesch, Konzil (Anm. 1) 93.

30) Suenens zitierte diesen Ausspruch bei seiner Gedenkrede am 28. Oktober 1963 in St. Peter (L’Oss Rom 103/28.-29. Oktober [1963] 1) und in seinen Erinnerungen: Souveniers et Espérances, Brüssel 1991, 89.

31) Siehe dazu u. a. A. Riccardi, Eröffnung (Anm. 23) 12-30; O. H. Pesch, Konzil (Anm. 1) 75-77.

32) Im Jahre 1964 verschenkte Paul VI. die Tiara an die Armen der Welt und schaffte damit diese dreifache Krone als Kopfbedeckung für die Päpste ab.

33) Vgl. dazu seine Eintragung am 10. September 1962: „Es [die Einkehrtage] sind ja Tage der Besinnung vor dem Konzil, und so versteht es sich von selbst, dass ich meine gewohnten Betrachtungen entsprechend ändere. Hier ist alles Vorbereitung der Seele des Papstes auf das Konzil: alles, auch die Vorbereitung auf die Eröffnungsansprache, die alle Welt, die in Rom zusammenströmt, erwartet, …“: Tagebuch (Anm. 1) 346. O. H. Pesch, Konzil (Anm. 1) 91-92, berichtet davon, dass Leitideen von Kardinal Suenens für das Konzil in die Radioansprache vom 11. September 1962 und in die Eröffnungsrede eingeflossen seien.

34) A. Riccardi, Eröffnung (Anm. 23) 17.

35) Die komplexe Text- und Übersetzungsgeschichte der Ansprache kann hier nicht diskutiert werden. Siehe dazu grundlegend A. Merloni, L’allocazione Gaudet Mater Ecclesia (11 ottobre 1962). Sinossi critica dell’allocuzione, in: Ders., Fede, Tradizione, Profezia. Studi su Giovanni XXIII e sul Vaticano II, Brescia 1984, 223-283. Eine Übersetzung des ursprünglichen italienischen Textes durch N. Klein hat Walbert Bühlmann veröffentlicht: Johannes XXIII. Der schmerzliche Weg eines Papstes, Mainz 1996, Anhang. Siehe den Text auch auf http://www.unilu.ch/deu/exegese_neues_testament_25218.html.

36) „Bei aller Einfachheit der Lehre muss … eine Sprache gefunden werden, die unsere Zeit erreicht.“ So Johannes XXIII. an die Deutschen Bischöfe am 24. November 1962, in: J. Döpfner, Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Bearbeitet von G. Treffler. (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 9), München 2006, 292-299, Zitat 298.

37) Ansprache Gaudet mater ecclesia, n. 8.

38) Ebda., Zwischenüberschrift vor n. 16.

39) F. Zak, Konzils-Notizen. Hrsg. v. H. Fasching. (St. Pöltner Beihefte zur Diözesankunde NF 6), St. Pölten 2005, 9-10.

40) So mit Bezug auf die Interpretation der Bibel: II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, art. 12.

41) Am 14. August 2009 liess die Kongregation für die Glaubenslehre über die Apostolische Nuntiatur in
Berlin den Initiatorinnen und Initiatoren der „Petition Vaticanum II“ (www.petitionvaticanum2.org) die folgende Antwort auf ihre Eingabe zukommen: „Die Glaubenskongregation bestätigt den Empfang Ihrer beiden (oben genannten) Briefe. Die Rede des Heiligen Vaters an die Römische Kurie anlässlich der Überbringung der Weihnachtsglückwünsche (22. Dezember 2005)1 stellt die hermeneutischen Prinzipien für eine korrekte Interpretation der Dokumente des II. Vatikanischen Konzils dar.“

42) Dazu E. Schillebeeckx: „Holy office (a secretary) distributed a ‚list of the French episcopate‘: bogus: all conservative figures!“ In : The Council Notes of Edward Schillebeeckx 1962-1963. Hg. v. K. Schelkens, (Instrumenta Theologica 34), Leuven 2011, 4.

43) A. Riccardi, Eröffnung (Anm. 23) 38 Anm. 82, verweist darauf, dass Kardinal Liénart seit Januar 1962 bei Mons. Felici hinsichtlich der Miteinbeziehung der Bischofskonferenzen in die Vorbereitung der Kommissionswahlen vorstellig geworden war.

44) J. Döpfner erwähnt, dass die diesbezügliche schriftliche Eingabe „von ihm [Frings], Card. König und mir unterzeichnet war“, in: J. Döpfner, Konzilstagebücher (Anm. 36) 3.

45) Ebda. 4. Am 15. Oktober trifft sich Döpfner mit Kardinal Giovanni Battista Montini, der am 30. Juni 1963 als Paul VI. die Nachfolge von Johannes XXIII. antreten sollte.: „Sehr bereit, glaubt, nur eine kleine Gruppe von Italienern ziehe mit uns“ (ebda.).

46) Siehe z. B. A. Riccardi, Eröffnung (Anm. 23) 31-38, O. H. Pesch, Konzil (Anm. 1) 89-91.

47) A. Gasser kommentiert zutreffend: „Das war die Geburtsstunde der Selbstbestimmung des Konzils“, in: Paukenschlag (Anm. 4) 95. Siehe auch F. Zak, Konzils-Notizen (Anm. 38), 10: „Die 1. Generalkongregation wurde eine kleine Sensation.“

48) Nach dem Zeugnis des Betroffenen referiert bei A. Riccardi, Eröffnung (Anm. 23) 38.

Zum Autor:

Univ. Prof. Dr. Walter Kirchschläger ist ordentlicher Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.

Walter Kirchschläger 1947 im Niederösterreichischen Kamegg geboren, wuchs in Langenlois und Wien auf und studierte Theologie und Philosophie an der päpstlichen Universität Gregoriana und an der Universität Wien.

1972 promovierte er über "Der Satan der Evangelien als Versucher". Anschließend war er Assistent bei Jacob Kremer am Neutestamentlichen Institut der Universität Wien. Er wurde 1981 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien für Exegese des Neuen Testaments habilitiert. Im gleichen Jahr erhielt er den Kardinal-Innitzer-Preis. Von 1980 bis 1982 leitete er die Wiener Theologischen Kurse und den Fernkurs für theologische Bildung.

Während des Studiums war Kirchschläger - als erster Laie - Sekretär des Wiener Erzbischofs Kardinal Franz König. Zwei Personen prägten ihn deutlich und nachhaltig: Sein Vater, Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger, und Kardinal König.

Kirchschläger ist seit 1982 ordentlicher Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. Von 1986 bis 1990 war er Studienpräfekt, von 1990 bis 1993 Rektor der Theologischen Fakultät Luzern, die unter seiner Amtszeit zur Hochschule Luzern mit zwei Fakultäten (Theologie, Geisteswissenschaften) umstrukturiert wurde. Von 1997 bis 2000 leitete er als Rektor die Hochschule Luzern, von 2000 bis 2001 war er Gründungsrektor der Universität Luzern.

Im Jahre 2011 hat Walter Kirchschläger den Preis für Freiheit in der Kirche von der Herbert Haag Stiftung gemeinsam mit der verborgenen Kirche der ehemaligen Tschechoslowakei erhalten.

Kirchschläger ist seit 1970 verheiratet mit Heidi Kirchschläger, geb. Demuth, und hat vier erwachsene Kinder.