25.11.2011
Heute, vor 15 Jahren haben sich die Gruppen von “Wir sind Kirche” Österreich, Deutschland, Italien, Südtirol und Frankreich in Rom zur Internationalen Vereinigung „International Movement We Are Church" (IMWAC) zusammengeschlossen. Damals waren es einige Länder Westeuropas, heute ist es eine die Welt umspannende Organisation. In mehr als 25 Ländern Europas, Süd- und Nordamerikas, Afrikas, Australiens und Asiens sind Gruppen aktiv, und zu Menschen in mehr als 50 Staaten gibt es ein weit gespanntes Netzwerk der Kirchenreform. Den bischöflichen Versuchen, die Reformkräfte zu regionalisieren und kleinzureden, muss aus dieser Erfahrung deutlich widersprochen werden.
Diese Gruppen vereint das Ziel, in der römisch-katholischen Kirche zeitgemäße Reformen auf der Basis der Bibel und der biblisch orientierten Tradition umzusetzen. Dabei stützen sie sich auf das Leitbild des Zweiten Vatikanischen Konzils, Antworten auf die Zeichen der Zeit zu suchen.
Sie sehen im gegenwärtigen Ausdruck unseres Glaubens ein Haupthindernis in der Verkündigung. Veraltete Formen versperren den Menschen den Zugang zu wertvoller Hilfe und Orientierung. Menschen entwürdigende Regeln des Kirchenrechts behindern den Dialog mit der Kirchenleitung und der Welt. Diese Regelungen widersprechen der Botschaft Jesu und Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Die weltweiten „Wir sind Kirche“-Gruppen sind im Anschluss an das vor 16 Jahren in Österreich durchgeführte „Kirchenvolks-Begehren“ entstanden. Die damals erhobenen Forderungen sind nicht nur weiterhin aktuell, sondern infolge des inzwischen katastrophalen Priestermangels und der steigenden Zahl der Kirchenaustritte noch drängender geworden:
- Aufbau einer geschwisterlichen Kirche mit der Gleichwertigkeit aller Gläubigen, der Überwindung der Kluft zwischen Klerus und Laien und der Mitsprache und Mitentscheidung der Ortskirchen bei Bischofsernennungen
- Volle Gleichberechtigung der Frauen, insbesondere die Mitsprache und Mitentscheidung in allen kirchlichen Gremien und als erstes die Öffnung des ständigen Diakonats für Frauen und als nächster Schritt den Zugang der Frauen zum Priesteramt.
- Freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform
- Positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen mit der Anerkennung der verantworteten Gewissensentscheidung in Fragen der Sexualmoral (z.B. Empfängnisregelung) und keiner Gleichsetzung von Empfängnisregelung und Abtreibung, mehr Menschlichkeit statt pauschaler Verurteilungen (z.B. in Bezug auf voreheliche Beziehungen oder in Fragen der Homosexualität). Anstelle der lähmenden Fixierung auf die Sexualmoral sollte eine stärkere Betonung anderer wichtiger Themen (z.B. Friede, soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung …) forciert werden.
- Frohbotschaft statt Drohbotschaft: Mehr helfende und ermutigende Begleitung und Solidarität anstelle von Angst machenden und einengenden Normen. Mehr Verständnis und Versöhnungsbereitschaft im Umgang mit Menschen in schwierigen Situationen, die einen neuen Anfang setzen möchten (z.B.wiederverheiratete Geschiedene, verheiratete Priester ohne Amt), anstelle vonunbarmherziger Härte und Strenge.
Dieses Kirchenvolks-Begehren wurde 1995 von mehr als 505.000 österreichischen Katholikinnen und Katholiken unterstützt. Die Anliegen werden bis heute von der Plattform „Wir sind Kirche“ als zivilrechtlichem „Verein zur Förderung von Reformen in der römisch-katholischen Kirche“ verfolgt und von rund 80 % der Gläubigen unterstützt. Zuletzt hat sich „Wir sind Kirche“ gemeinsam mit anderen Reformorganisationen mit der Pfarrer-Initiative und ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“ solidarisch erklärt und selbst einen „Aufruf zur Eigenverantwortung“ veröffentlicht. Zur Vermeidung einer Ausdünnung der Pfarrgemeinden hat „Wir sind Kirche“ gemeinsam mit anderen Reformgruppen die Erklärung „Sorge um die Eucharistie in den Gemeinden: Sieben Thesen“ den Bischöfen und der Öffentlichkeit übermittelt.
Am heutigen Tag erinnern wir uns auch dankbar an den 130. Geburtstag von Angelo Giuseppe Roncalli, dem späteren Papst Johannes XXIII.. Er, der als Übergangspapst gewählt worden war, war es, der die „Zeichen der Zeit“ erkannte und mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Kirche die Richtung wies. Er leitete notwenige Reformen ein. Sein Charisma war es, alle Menschen zum Dialog einzuladen um gemeinsam die Veränderungen zu gestalten. Dies ist ein epochales Werk. Selbst die restaurativen Kräfte arbeiten bereits 50 Jahre mit geringem Erfolg daran die notwendigen und zeitgemäßen Erneuerungen in der römisch-katholischen Kirche wieder zurückzudrehen.
Er wirkte bescheiden, obwohl noch viel mehr formaler Prunk existierte. So mancher der heutigen vatikanischen Würdenträger könnte sich seine Person zum Vorbild nehmen. Seinen Ausspruch: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig“ hat er mit Leben erfüllt, und sein Tun war ein Segen für die Menschen.
Für den Vorstand der Plattform „Wir sind Kirche“: Hans Peter Hurka, Dr.in Martha Heizer und Mag.a Gotlind Hammerer