13.03.2013, Hans Peter Hurka
Franziskus I. – Hoffnung für die Kirche?
"Wir sind Kirche" gratuliert Jorge Mario Bergoglio SJ zur Wahl zum neuen Bischof von Rom. Möge sein gewählter Name Programm sein und ihn bei seinem Wirken die Geistkraft Gottes begleiten. In seinem ersten Auftritt hat er Bescheidenheit, Verbundenheit mit den Menschen sowie Anzeichen von Kollegialität erkennen lassen.
Bergoglio signalisiert mit der Wahl seines Namens den Beginn einer neuen Ära. Franziskus I. ist nicht Benedikt XVII., Johannes Paul III. oder Johannes XXIV. Er eröffnet eine neue Linie, auch wenn sein Lebensalter ihn als "Übergangspapst" bezeichnen lässt. Seine bisherige Geschichte lässt ein stärkeres soziales Profil der Kirche erwarten. Dafür spricht auch seine Herkunft aus dem Jesuitenorden. Dieser setzt sich weltweit punktuell stark für die Armen ein. Der Jesuit Jon Sobrino hat dies bei seinem kürzlich in Wien gehaltenen Referat deutlich zum Ausdruck gebracht. Ob der Argentinier mit italienischen Wurzeln auch zeitgemäße Formen im Ausdruck des Glaubens zulassen wird, bleibt abzuwarten. Klar ist, der Einsatz für Gerechtigkeit fordert auch eine glaubwürdige Kirche, die Achtung der Würde, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit vorlebt. Dafür sind innerkirchlich noch einige Hausaufgaben zu machen. „Wir sind Kirche“ hofft, dass die neue Epoche zum Wohl der Menschen führt.
Franziskus I. wird in einem kritischen Moment Bischof von Rom. Die Welt und die römisch-katholische Kirche stehen an einem Wendepunkt der Geschichte. Viele Gläubige rund um den Globus erwarten vom neuen Bischof von Rom eine erneuerte, arme, zeitgemäße jesuanische Kirche. Der geballte Reformstau aus den letzten Pontifikaten muss jedenfalls aufgearbeitet werden, will die römisch-katholische Kirche in der Spur Jesu bleiben.
Zunächst braucht sie eine Kurienreform. Die übermäßige Zentralisierung muss zurückgenommen, den Ortskirchen mehr selbstständige Entscheidungsmöglichkeit zugestanden werden.
Die Kirche braucht für ihre Glaubwürdigkeit dringend die Achtung der Menschenrechte. Gleichberechtigung der Frauen auf allen Ebenen, Mitsprache des betroffenen Pfarr- oder Diözesanvolkes bei Pfarrer- und Bischofsbestellungen, aber auch in Kirchenfinanzierungsfragen, der Wegfall aller Diskriminierungen von wiederverheiraten Geschiedenen und Homosexuellen und Gewaltenteilung bei kirchlichen Prozessverfahren sind wichtige Teile davon. Der soziale Einsatz der Kirche kann nur überzeugend und beispielgebend wirken, wenn sie selbst die Achtung der Menschenwürde lebt.
"Wir sind Kirche" hofft, dass der neue Bischof von Rom vermehrt Brücken zu den Schwesterkirchen und zu anderen Religionen baut und so einen wichtigen Beitrag für die friedliche Weiterentwicklung der Ökumene leistet.
Weiters sind im Bankensystem und den wirtschaftlichen Agenden des Vatikans die offenen Fragen zu klären und die dafür notwendigen Strukturreformen zu setzen.
"Wir sind Kirche" erachtet es als vordringlich, ein neues zeitgemäßes Verständnis des Priestertums zu entwickeln, in dem auch verheiratete Priester und Frauen ihren Platz haben. Wir brauchen eine neue, humanwissenschaftlich kompatible Sicht der Sexualität, vor allem über die Empfängnisverhütung und Homosexualität. Hier scheint der neue Bischof von Rom nicht Vorkämpfer zu sein. Seine Fähigkeit mit den Menschen zu leben, ihnen zuzuhören lässt trotzdem darauf hoffen.
Die Zukunft der katholischen Kirche hängt wesentlich auch von der Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung für die schweren Verbrechen sexueller Übergriffe, die weltweit begangen wurden, ab. Hier die strukturellen Begünstigungen zu beseitigen ist eine vordringliche und unverzichtbare Aufgabe.
"Wir sind Kirche" sieht im ersten Auftritt des neuen Bischofs von Rom ein Hoffnungszeichen, dass dieser in Kollegialität mit den Kardinälen und den Bischöfen im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) den Dialog mit dem Volk Gottes auf der ganzen Welt wieder aufnimmt und den Reformstau in der Kirche abzubauen beginnt. Dann wird der neue Bischof von Rom auch das Vertrauen und die Akzeptanz aller Gläubigen auf seiner Seite haben.
Für den Vorstand der Plattform "Wir sind Kirche": Hans Peter Hurka und Mag. Gotlind Hammerer