WsK zum schweren Foul von Benedikt XVI

Presseaussendung von Wir sind Kirche-Österreich, 13. Jänner 2020

Papst Benedikt hätte als jener Papst in die Kirchengeschichte eingehen können, dessen Rücktritt sogar von seinen Kritikern mit größtem Respekt gewürdigt wurde: Er war der erste Papst seit sieben Jahrhunderten, der einen solchen Schritt setzte und erschien darin glaubwürdig und authentisch in seiner Sorge um die zukünftige Leitung der Kirche.

Nun ist alles anders: Knapp sieben Jahre, nachdem Benedikt XVI sich von der Kirchenleitung zurück zog, um „für die Welt verborgen zu bleiben“, greift er nun als Ko-Autor mit dem erzkonservativen Kardinal Robert Sarah in einer heiklen Phase direkt in die sensible kirchenpolitische Debatte über den priesterlichen Pflicht-Zölibat ein, indem er Papst Franziskus öffentlich um ein Veto gegen jede Schwächung des priesterlichen Zölibatsgesetzes bittet, bevor sich dieser in wenigen Wochen in einem postsynodalen Schreiben zur Amazonas-Synode wohl selbst zu dieser Frage äußern wollte!!

Mit dieser dramatischen Grenzüberschreitung torpediert der gewesene Papst nicht nur seinen eigenen Rückzug von der Kirchenleitung und seinen Nachfolger sowie die Amazonas-Synode an sich, sondern er riskiert damit in einem noch nie dagewesenen Maß auch die Einheit der Kirche. Dieser öffentliche Versuch, über die eigene Amtszeit hinaus in die Kirche hinein zu regieren und seinem Nachfolger ins Handwerk zu pfuschen, kann nur schief gehen. Dass der von der Buchveröffentlichung offensichtlich völlig überraschte Vatikan umgehend bekanntgab, Papst Franziskus habe gar nicht die Absicht, den Priesterzölibat aufzuheben, zeigt, welches Stadium die Kraftprobe zwischen Vorgänger und Nachfolger bereits erreicht hat und in welche Richtung das Pendel der scheinbaren Einheit wegen auszuschlagen droht.

Angesichts dieser dramatischen Zuspitzung fordert „Wir sind Kirche“

  • den gewesenen Papst Benedikt auf, sich aus allen Entscheidungen über die zukünftige Gestaltung der Kirche heraus zu halten, wie es einem Papst im Ruhestand entspricht, und sich nicht länger an das Gängelband erzkonservativer Kreise binden zu lassen;
  • Kardinal Robert Sarah, der mit diesem Missbrauch der Person des 92jährigen gewesenen Papstes der Kirche bereits zum wiederholten Mal großen Schaden zufügt, umgehend zurück zu treten, bevor er im Juni ohnehin die für Bischöfe vorgesehene Altersgrenze erreicht.
  • Papst Franziskus aber bittet „Wir sind Kirche“, sich von solchen Fouls nicht beirren zu lassen und stattdessen die sorgenvollen Diskussionen und Voten der Amazonas-Synode zu achten. Die Kirche hat Zukunft verdient und nicht nur Vergangenheit!

Die Pfarrgemeinden und alle Christinnen und Christen aber fordern wir auf, verstärkt darüber nachzudenken, ob die Kirche überhaupt Priester (und Priesterinnen) braucht: Wenn die Kirche nicht in der Lage ist, das Priesterbild den heutigen Anforderungen und Überzeugungen anzupassen und den Gläubigen somit ausreichend gute Priesterinnen und Priester zur Seite zu stellen, könnte ein alternativer Weg doch auch darin bestehen, eine Kirche auszubilden, die keine Kleriker mehr braucht, sondern nur mehr Seelsorgerinnen und Seelsorger, die das Leben der Menschen verstehen. Vielleicht ist es ja gerade Rom, das die Entwicklung in diese Richtung anstößt.

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